| Veranstaltung: | 51. Bundesdelegiertenkonferenz Hannover |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
| Antragsteller*in: | BAG Wirtschaft und Finanzen (dort beschlossen am: 13.10.2025) |
| Status: | Eingereicht |
| Angelegt: | 16.10.2025, 08:27 |
V-29: Solidarisch und leistungsfähig - für eine gerechte Finanzierung unseres Gesundheitssystems
Antragstext
Die Gesundheitsausgaben in Deutschland steigen seit Jahren kontinuierlich an.
Ihre Finanzierung steht auch angesichts des demographischen Wandels vor großen
Herausforderungen. Gleichzeitig belastet das derzeitige Finanzierungsmodell die
arbeitende Bevölkerung besonders stark. Hinzu kommen Ungerechtigkeiten im dualen
Krankenkassensystem: Privatversicherte werden beispielsweise durch eine deutlich
schnellere Terminvergabe und teils bessere Leistungen begünstigt.
Versicherungsfremde Leistungen werden nicht mehr aus Krankenversicherungs-
beiträgen, sondern aus Steuern finanziert. Hierdurch sinken die
Sozialabgaben für BeitragszahlerInnen (Beschäftigte, ArbeitgeberInnen und
freiwillig gesetzlich Versicherte) bei gleichzeitiger Erhöhung der
Ausgaben für versicherungsfremde Leistungen im Bundeshaushalt.
Erforderliche Mehreinnahmen können beispielsweise durch eine moderate
Anhebung der Einkommen- und Unternehmenssteuern (bei gleichzeitiger
Entlastung durch die sinkenden Krankenversicherungsbeiträge) sowie die
Besteuerung sehr großer Erbschaften erzielt werden. Diese Aufzählung ist
nicht abschließend. Ziel ist, dass kleine und mittlere Einkommen bei
Betrachtung aller Abgaben und Steuern entlastet werden.
Begründung
Die Gesundheitsausgaben in Deutschland betragen derzeit etwa 500 Milliarden Euro pro Jahr (12% des BIP). Diese Kosten dürften in den kommenden Jahren noch deutlich steigen, u.a. weil die geburtenstarken Jahrgänge (“Babyboomer”) in das Rentenalter eintreten, in dem typischerweise mit erhöhten Kosten zu rechnen ist. 11% der BürgerInnen sind aktuell privat krankenversichert und zahlen somit nicht in die gesetzliche Krankenversicherung als staatliches Solidarsystem ein. Hierbei handelt es sich insb. um GutverdienerInnen mit Einkommen oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze von 73.800 Euro (2025) und BeamtInnen, die durchschnittlich sogar weniger Arzttermine in Anspruch nehmen als gesetzlich Versicherte.
Um dieser Ungerechtigkeit und den steigenden Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung zu begegnen, sollen alle BürgerInnen in einer BürgerInnen-Versicherung vollversichert sein. Für medizinisch notwendige Leistungen sollen Leistungserbringer wie Ärzte nicht weiterhin unterschiedliche Sätze für gesetzlich und privat Versicherte erhalten, sondern stets dieselbe Vergütung für dieselbe Leistung. Für Selbstständige bedeutet dies das Ende der Benachteiligung, als einzige für alle Einkommensarten beitragspflichtig zu sein.
Versicherungsfremde Leistungen sind Sozialleistungen für Menschen, die nicht selbst in die Krankenversicherung einzahlen, beispielsweise die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern und Ehepartnern, die Versicherung von BürgergeldempfängerInnen oder Leistungen rund um Schwangerschaft und Mutterschaft. Die Finanzierung der etwa 60 Milliarden Euro pro Jahr für diese Leistungen ist originäre Aufgabe des Staates und soll aus allgemeinen Steuermitteln erfolgen. Bisher bezuschusst der Staat die gesetzliche Krankenversicherung mit rund 15 Milliarden Euro jährlich aus Steuern; demzufolge werden rund 45 Milliarden Euro für versicherungsfremde Leistungen aktuell aus Beiträgen der gesetzlich Krankenversicherten finanziert. Eine Übernahme dieses Betrags aus Steuermitteln würde (bei ca. 58 Mio zahlenden Mitgliedern in der gesetzlichen Krankenversicherung) eine jährliche Senkung der Beiträge um ca. 2-3 Prozentpunkte bedeuten. Eine solche Umschichtung kann zu mehr Beschäftigung führen, da vor allem für niedrige Einkommen weniger Lohnnebenkosten anfallen würden.
Trotz der mittelfristig durch die BürgerInnen-Versicherung für alle entstehenden Mehreinnahmen müsste ein Großteil der 45 Milliarden Euro für versicherungsfremde Leistungen aus allgemeinen Steuern gegenfinanziert werden. Eine moderate Erhöhung der Einkommensteuer und der Unternehmenssteuern wäre auf Grund der oben erwähnten Entlastung bei den Sozialversicherungsbeiträgen denkbar. Sie wäre gerechter, weil z.B. die Einkommensteuer anders als die Krankenversicherungsbeiträge progressiv ausgestaltet ist und eine breitere Basis von EinzahlerInnen umfasst, z.B. auch privat Versicherte. Die durchschnittliche Belastung der BürgerInnen und insb. kleiner und mittlerer Einkommen soll niedriger sein als bisher.
Zu einem solidarischen System gehört auch, dass finanziell starke Schultern sich stärker an der Finanzierung des Staates und seiner Solidarsysteme beteiligen. Wir sprechen uns daher für höhere Substanzsteuern wie z.B. Steuern auf sehr großen Erbschaften aus, auch um Finanzierungslücken im Gesundheitssystem zu decken.
