| Veranstaltung: | 51. Bundesdelegiertenkonferenz Hannover |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | E Klima & Energie |
| Antragsteller*in: | Kathrin Weber (KV Bielefeld) und 54 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 36%) |
| Status: | Eingereicht |
| Angelegt: | 05.10.2025, 11:28 |
E-02: Grüne Energiepolitik ist ökologisch - für einen kritischen Umgang mit den LNG-Terminals und Folgeprojekten
Antragstext
Grün, ökologisch ist eine Klima- und Energiepolitik, die auf den
schnellstmöglichen Bau erneuerbarer Energien, auf Effizienz und Suffizienz setzt
und alle ökologischen Krisen gleichermaßen ernst nimmt und diese weder in
Deutschland noch anderswo verschärft. Dass wir Grünen in der Ampel maßgeblich
zum Aufbau einer überdimensionierten LNG-Infrastruktur beigetragen haben, ist
rückblickend kritisch zu beurteilen. Wir sollten uns nun um eine Politik
bemühen, die für Natur-, Umwelt- und Klimaschutzaktive voll anschlussfähig ist:
Wir versuchen mit allen zur Verfügung stehenden politischen Mitteln, die
Laufzeiten von LNG-Projekten zu begrenzen, Planungen/Fördermittel in Frage zu
stellen. Wir lehnen den Bau von festen LNG-Terminals, wie sie in Wilhelmshaven,
Stade und Brunsbüttel geplant sind, auf allen sich damit befassenden politischen
Ebenen ab.
Die LNG-Terminals und die damit verbundene Infrastruktur lassen sich nicht durch
einen nachfolgenden angeblichen Umbau für Wasserstoff-Schiffsimporte
rechtfertigen. Wir distanzieren uns von Projekten, die oberflächlich mit
Wasserstoff werben und trotz vorhandener Standort-Alternativen massiv auf Kosten
von Natur und Arten geplant werden, wie z.B. das Energy Hub in Wilhelmshaven[1].
So geht Klimaschutz nicht!
Begründung
Die LNG-Terminals waren nicht notwendig für unsere Versorgung mit Erdgas
Natürlich: Es war nicht von vorneherein klar, dass die Terminals nur eine so geringe Rolle für unsere Versorgung mit Erdgas spielen würden. In 2022 dominierte die allgemeine Unsicherheit durch den Ukraine-Krieg und die über allem schwebende Drohung, staatlich in den Erdgasverbrauch eingreifen zu müssen. Dass der Bau von LNG-Terminals dafür als Lösung gewählt wurde, lag auch daran, dass viele LNG-Projekte schon zu Zeiten der Groko angedacht (wie in Brunsbüttel)[1] worden waren. Die Lieferanten in den USA standen quasi in den Startlöchern, eine Realisierung war schnell möglich.
Aber im frühen Frühjahr 2023, nach dem Bau von nur zwei Terminals, lagen Zahlen vor, die zeigten, dass die LNG-Terminals für die Versorgungssicherheit von Bevölkerung und Industrie eine sehr untergeordnete Rolle spielen würden[2] und weitere Terminals nicht vonnöten sein würden[3]. Ein bis zwei Terminals, wie Robert Habeck sie 2021 gefordert hatte[4], reichten mehr als aus.
An den Zahlen hat sich wenig geändert. In 2024 wurden 8% Fracking-Gas importiert[5] – dem gegenüber stehen 18,4% Einsparungen im Winter 2022/2023[6]. Von einem notwendigen Puffer, z.B. beim Ausfall einer Pipeline, kann also bei weiteren LNG-Terminals nicht gesprochen werden. Durch den Bau fester Terminals würde die mögliche Importmenge auf 30 Milliarden Kubikmeter steigen – das ist die Hälfte dessen, was Deutschland 2021 von Russland bezog[7]. Wenn schon die kleineren schwimmenden Terminals nicht gebraucht werden, dann die großen festen Terminals erst recht nicht.
Der beschleunigte Bau der LNG-Terminals hat zu Naturzerstörung, Belastung von Umwelt und Klima und Zerwürfnis mit den Umweltverbänden geführt
Das aus Fracking gewonnene und mit dem Schiff transportierte Gas hat eine Klimabilanz, die schlechter als Steinkohle ist[8], und verursacht beim Abbau zahlreiche Umweltschäden[9]. Es steht auch außer Frage, dass Bau und Betrieb der Terminals negative Auswirkungen auf Fauna und Flora gehabt haben, die in einem nicht beschleunigten Verfahren hätten erkannt und behoben werden können. Auch die langen Laufzeiten der Terminals bis 2043 sind problematisch. Das lässt sich aus Klima- und Umweltschutzsicht wohl kaum bestreiten! Unnachgiebigkeit gegenüber den guten Argumenten der Umweltverbände an den Tag zu legen, hat außerdem gerade die falschen Menschen vor den Kopf gestoßen.
In den betroffenen Bundesländern, u.a. in Mecklenburg-Vorpommern[10] gab es von uns Grünen sehr kritische Aussagen und klare Ablehnung der Terminals, und auch im Bundestag stimmten Grüne gegen die Novelle des LNGG oder enthielten sich[11]. Trotzdem haben wir Grünen durch den beschleunigten Bau der LNG-Terminals an Glaubwürdigkeit verloren. Denn es schien so, als würden maßgebliche Teile von uns Natur, Klima und die guten Argumente der Verbände und die Sorgen der Bevölkerung weniger ernst nehmen als die Interessen von Unternehmen und Lobbyisten.
Damit haben wir leider auch dem Natur-, Arten- und Klimaschutzgedanken großen Schaden zugefügt. Die LNG-Politik hat mit dazu beigetragen, dass Natur-, Arten-, Klimaschutz und Engagement dafür als nicht mehr so wichtig angesehen werden – und das hat uns letztendlich Stimmen und politische Mitwirkung gekostet.
Unsere scheinbare Abkehr von Natur- und Artenschutz hat außerdem Projekten wie dem Energy Hub in Wilhelmshaven erst Auftrieb gegeben. Der Bau einer industriellen Anlage auf einem EU-Vogelschutzgebiet wäre ohne den grünen Rückzug von starken ökologischen Positionen nicht so einfach möglich gewesen.
Die LNG-Terminals sind keine Investition in die Zukunft
Die LNG-Terminals wurden in der Vergangenheit oft dadurch gerechtfertigt, dass sie als umrüstbar für grünen Wasserstoff dargestellt wurden. Tatsächlich ist das nicht ohne größere Investitionen möglich, die sich auch nur lohnen, wenn es dafür einen Absatzmarkt gibt – diesen gibt es aber noch nicht. Claudia Kemfert sprach in diesem Zusammenhang von einem Wasserstoff- „Alibi“[12]. Viel wahrscheinlicher ist also die maximale Weiternutzung für LNG. Selbst das geplante feste Terminal in Stade ist nicht H2-ready (nicht für Ammoniak konzipiert)[13]! Es ist zu erwarten, dass der fossile Lock-In unter der aktuellen Koalition durch die Terminals nur verstärkt wird. Und wenn Wasserstoff, dann auch aus blauen Quellen[14]. Damit ist dann der Beitrag zum Klimaschutz nicht mehr gegeben.
Wasserstoffimporte per Schiff sind sehr wenig effizient[15], das gilt auch für Wasserstoffderivate[16], sofern diese (grünen) Gase nicht direkt in der ursprünglichen Verbindung verwendet werden[17]. Von einigen dieser, wie LOHC[18] oder Ammoniak, gehen schwere Gefahren im Fall einer Havarie aus. Ammoniak (in der Düngemittelproduktion) sollte sinnvollerweise dauerhaft durch organische Bestandteile ersetzt werden[19]. Und nicht zuletzt existierten hier schon vorher Importstrukturen, so dass sich ein so massiver Neubau mit der Verwendung grüner Gase kaum rechtfertigen lässt.
Hinter dem Bau des Energy Hub in Wilhelmshaven auf dem EU-Vogelschutzgebiet stecken zudem auch massive finanzielle Interessen, nicht nur von Seiten der Kommune bzw. der Betreibergesellschaft[20]. Vielleicht trifft das auch für andere Standorte zu? Wie sich ein Schiffsimport von grünem Wasserstoff/grünen Gasen bei Einhaltung hoher Sozial- und Umweltstandards in den Herstellungsländern rechnen kann, ist zusätzlich noch fraglich. Wasserstoff darf kein Auftakt für einen Kolonialismus 2.0 werden!
Für eine weitblickende ökologische Politik, die die planetaren Grenzen wirklich ernst nimmt!
Wir stehen vor vielen anti-ökologischen Entwicklungen in Deutschland, in der EU und weltweit: Gasbohren in der Nordsee/am Ammersee, die uns mehr oder weniger aufgezwungene Abnahme von noch mehr LNG-Frackinggas aus den USA, das gescheiterte Plastikabkommen, aggressive Lobbyisten, die die grünen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte gerne abgeschafft sähen, und das leise Artensterben in unserer noch verbliebenen freien Landschaft, das durch die EU-Agrarpolitik nun eher verschärft wrden wird.
Wir Grünen betonen immer wieder, dass wir die Zukunft des Lebens, auf dieser Erde, ernstnehmen. In komplizierten, konkreten Fragen aber – und der beschleunigte Bau von LNG-Terminals zählte wohl dazu - finden wir uns oft in einer Zwickmühle wieder. Es täte uns in derartigen Lagen gut, uns z.B. wieder mehr mit den gut ausgearbeiteten, detaillierten Konzepten der Umweltverbände zu beschäftigen und uns auf unser eigentliches Anliegen zu besinnen statt uns in Realpolitik zu verheddern.
Wir Grünen müssen uns um eine wirklich weitblickende, ökologische Politik bemühen, die die ökologischen Krisen und ihre Ursachen, Kleines und Großes zusammendenkt, für eine lebendige, lebenswerte und vielfältige Welt, auch noch in vielen Jahrzehnten[21].
Wer soll es denn sonst tun, wenn nicht wir?
[15] 44% bleiben am Ende noch übrig. https://www.agora-industrie.de/fileadmin/Projekte/2022/2022-10_H2_SNG_imports/A-EW_306_SNG_Imports_WEB.pdf (ebd. S. 33)
[18] LOHC = Liquid organic hydrogen carriers – Wasserstoff, der in einem organischen, ölähnlichen Träger eingespeist wird
[20] U.a. „Die Familienunternehmer“, https://www.abgeordnetenwatch.de/recherchen/lobbyismus/die-lobbymacht-der-familienunternehmer, mischen hier anscheinend mit bzw. versuchen Investoren anzuwerben. https://www.familienunternehmer.eu/veranstaltungen/veranstaltung/energy-hub-wilhelmshaven.html
[21] Ein Ressourcenschutzgesetz wäre so etwas! Damit ließe sich auch so manches angebliches Energiemangelproblem lösen.
