| Veranstaltung: | 51. Bundesdelegiertenkonferenz Hannover |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
| Antragsteller*in: | Boris Mijatovic (KV Kassel-Stadt) und 50 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 43%) |
| Status: | Eingereicht |
| Angelegt: | 17.10.2025, 01:12 |
V-68: Humanitäre Hilfe systematisch unterstützen
Antragstext
Bündnis90/Die Grünen bekräftigen ihr Bekenntnis zum humanitären System der
Vereinten Nationen und der Weltgemeinschaft. Wir wahren und verteidigen die
multilaterale Ordnung und setzen auf die Schutzverantwortung der Staaten
gegenüber ihrer Bevölkerung. Wir verteidigen Werte und Regeln, die von der
Menschheit geschaffen wurden, allen voran die Genfer Konventionen, die
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte sowie die Charta der Vereinten Nationen.
Angesichts zunehmender globaler Unsicherheiten sind wir Grüne überzeugt, dass
diese internationale Ordnung heute mehr Rückhalt braucht als jemals zuvor.
Krieg ist wieder die Geißel der Menschheit, reagieren wir nicht mit Kürzungen.
Aktuell bestehen laut Uppsala Conflict Data Program 61 bewaffnete Konflikte und
Kriege auf der Welt [1]. Die Zahl der Opfer hat sich in den letzten fünf Jahren
mehr als verdoppelt und liegt aktuell bei über 200.000 Menschen für das Jahr
2024 [2]. Über 300 Millionen Menschen leiden weltweit an Hunger.
Trotz dieser brisanten Entwicklung hat die Regierungskoalition die Kürzung der
Mittel für humanitäre Hilfe im Bundeshaushalt 2025 um 53% beschlossen. Im
aktuellen Regierungsentwurf für den Haushalt 2026 wird dieser drastische
Einschnitt fortgesetzt. Diese Entscheidung hat schwerwiegende Folgen für viele
Millionen Menschen und widerspricht eindeutig der Zusage von Union und SPD im
Koalitionsvertrag hinsichtlich einer „auskömmlichen Finanzierung“ für die
humanitäre Hilfe.
Diese dramatischen Kürzungen in der humanitären Hilfe passen in keiner Weise zur
Weltlage.
Wir setzen uns dafür ein, dass die Mittel für die humanitäre Hilfe ausreichend
und in einem fairen Anteil gemessen an unserer Wirtschaftskraft zur Verfügung
gestellt werden. Selektive Auslegung von Regeln, rein politisch motivierte Hilfe
sowie der Einfluss militärischer, technischer oder finanzieller Macht darf nicht
nicht zur Unfreiheit einzelner Staaten führen. Krieg und Gewalt dürfen nicht
über der internationalen Ordnung stehen.
Humanitäre Hilfe ist der Rettungswagen in der Not
Das Internationale Rote Kreuz ist in über 90 Ländern der Welt im Einsatz. Über
16.000 zumeist ehrenamtliche Helfer*innen arbeiten für das IKRK weltweit in zum
Teil schwierigsten Umgebungen, um Menschen in Not zu helfen. Wir stehen fest an
der Seite des Internationalen Roten Kreuzes und all jener Helfer*innen und
humanitärer Organisationen, die diese lebensrettende Arbeit leisten. Wir wollen
das humanitäre System in der Zusammenarbeit stärken und die Unterstützung im
Krisenfall weiterhin gemeinsam mit den Organisationen und der
Staatengemeinschaft nachhaltig gestalten.
Humanitäre Hilfe ist zudem vorausschauend besser und günstiger aufgestellt.
Daher ist es wichtig, nicht erst zu warten bis eine Krise, eine Katastrophe oder
ein Krieg eingetreten ist, sondern vorbereitet zu sein und im Krisenfall
schnellstmöglich zu handeln. Dafür braucht es Strukturen, die nicht kurzsichtig
dem Rotstift zum Opfer fallen darf. Wir werden weiterhin gemeinsam mit den
Organisationen und der Staatengemeinschaft dieses humanitäre System
unterstützen.
In Zeiten der Krise: Deutschland muss stärken, nicht kürzen
Mit großer Sorge nehmen wir den Rückzug vieler Staaten aus der Verantwortung für
humanitäre Hilfe wahr. Die finanziellen Mittel werden trotz der gestiegenen
Anzahl bewaffneter Konflikte in vielen Ländern der westlichen Welt massiv
gekürzt. Der Rückzug Deutschlands wie auch anderer EU-Mitgliedsstaaten sowie der
USA hat zur Folge, dass eine strukturelle Gefährdung des Systems aus mindestens
drei Perspektiven schwerwiegende Folgen entfalten kann.
1. Die Organisationen der humanitären Hilfe verlieren gut ausgebildetes Personal
vor allem bei lokalen Partnerorganisationen in Krisenregionen und
Kriegsgebieten.
2. Das humanitäre System kann schon heute nicht mehr ausreichend die Menschen in
Krisenregionen versorgen. In einer Triage entscheiden die Organisationen
tagtäglich, in welchen Regionen Lebensmittel noch ausgegeben werden – und wo
nicht mehr. Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) streicht
massiv stellen und stellt in Krisengebieten wie Afghanistan die
Lebensmittelversorgung vollständig ein.[3]
3. Eine Priorisierung der humanitären Hilfe findet somit bereits statt. Ein
schleichender Prozess der Politisierung hält Einzug, wenn die subjektiven
Interessen Deutschlands über die Bedarfe von humanitärer Hilfe gestellt werden.
Wir treten für multilaterale Zusammenarbeit ein und lehnen jede Schwächung der
humanitären Prinzipien ab, auf denen zahlreiche Organisationen über Jahrzehnte
erfolgreich und hoch angesehen gearbeitet haben.
Schützen wir das humanitäre Recht, schützen wir vor allem humanitäres Personal
In den letzten Jahren ist nicht nur die Zahl der Kriege stark angestiegen,
sondern auch die Zahl getöteter humanitärer Helfer*innen. Die UN meldet für das
Jahr 2024 die Zahl von 383 toter Hilfskräfte [4], für 2025 stand diese Zahl im
August bereits bei 265 Helfer*innen [5]. Die Zahlen getöteter Hilfskräfte aus
Nichtregierungsorganisationen sind hier nicht aufgeführt.
Die Genfer Konventionen erfahren eine zunehmende Missachtung, die dringend eine
Antwort der internationalen Gemeinschaft erfordert. Die Zivilbevölkerung darf im
Krieg nicht angegriffen, zivile Infrastruktur nicht Ziel von Angriffen sein. Die
Mitgliedstaaten mit permanentem Sitz im Sicherheitsrat sind aufgefordert, hier
endlich eine klare Haltung einzunehmen. Wir Grüne setzen uns konsequent dafür
ein, dass internationale Regeln geachtet und verteidigt werden. Nur ein
regelbasiertes internationales System kann langfristigen Frieden sichern und
Menschen vor Gewalt und Krieg schützen. Diplomatie, multilaterale Zusammenarbeit
und die Stärkung internationaler Institutionen sind die zentralen Werkzeuge, um
Konflikte zu verhindern und nachhaltige Sicherheit zu fördern.
Deutschland hat eine ausgezeichnete Reputation
Deutschland hat ein hohes Ansehen in der Welt. Die Arbeit der Menschen in den
Hilfsorganisationen ist vom guten Geist und dem unmittelbaren, bedarfsgerechten,
bedingungslosen und neutralen Einsatz für die humanitäre Hilfe geprägt.
Deutschland steht dabei im Fokus, wenn politische oder technische Fragen zu
klären sind. Mit dieser starken Haltung kann Deutschland eine starke Stimme für
die Aufrechterhaltung eines gemeinsamen und arbeitsteiligen Systems der
humanitären Hilfe sein. Dies gilt es jetzt zu nutzen.
Stärken wir die humanitäre Hilfe, verteidigen wir das internationale System
Wir fordern die Koalition von CDU/CSU und SPD auf:
- Korrigieren Sie den Entwurf der Bundesregierung im Bundeshaushalt 2026 und
erhöhen sie den Haushaltsposten für die Humanitäre Hilfe auf drei Milliarden
Euro.
- Reservieren sie 30 Prozent der Mittel für sogenannte „vergessene Krisen“, um
dem strukturellen Problem mangelhafter Aufmerksamkeit zu begegnen.
- Legen sie den Mittelansatz in den Haushalten der nächsten vier Jahren fest, um
Planbarkeit für die humanitären Organisationen herzustellen.
Wir fordern der Bundesregierung auf
- Entbürokratisieren sie die Vergabeverfahren der Mittel, die schon heute zu
einem erheblichen Mehraufwand in Verwaltungen und bei den Hilfsorganisationen
führen.
- Stärken und verteidigen sie die internationale Zusammenarbeit mit den
Vereinten Nationen und wirken sie den Versuchen, die UN-Organe zu
diskreditieren, aktiv entgegen.
- Halten sie die humanitären Prinzipien aufrecht und setzen sie die Strategie
des Auswärtigen Amts zur humanitären Hilfe um.
- Unterstützen sie weiterhin die Resolution 1325 „Frauen, Frieden, Sicherheit“
der Vereinten Nationen, die seit nunmehr 25 Jahren feministische Aussenpolitik
weltweit zum Masstab auch für die humanitäre Hilfe macht.
- Schützen sie das humanitäre Völkerrecht, die Genfer Konventionen und damit die
Arbeit des humanitären Personals in weltweiten Einsätzen.
Begründung
weitere Antragsteller*innen
- Claudia Roth (KV Augsburg-Stadt)
- Anja Hauke (KV Kassel-Stadt)
- Viola von Cramon (KV Göttingen)
- Sergey Lagodinsky (KV Berlin-Pankow)
- Daniel Eliasson (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Till Steffen (KV Hamburg-Eimsbüttel)
- Nico Zöller (KV Miltenberg)
- Marianne Knipping (KV Kassel-Stadt)
- Pilar Butte (KV Kassel-Stadt)
- Pascal Podtschaske (KV Kassel-Land)
- Christopher Zehetbauer (KV Passau-Stadt)
- Annika Wolfram (KV Kassel-Land)
- Hannelore Freudenberg (KV Kassel-Stadt)
- Erik Marquardt (KV Berlin-Treptow/Köpenick)
- Markus Leick (KV Kassel-Stadt)
- Vanessa Gronemann (KV Kassel-Stadt)
- Christian Berger (KV Kassel-Stadt)
- Johannes Schütz (KV Kassel-Land)
- Uwe Josuttis (KV Kassel-Stadt)
- Felix Langer (KV Braunschweig)
- Heiko A. Manz (KV Berlin-Charlottenburg/Wilmersdorf)
- Mark Hermandung (KV Plön)
- Luise Lück (KV Berlin-Pankow)
- Maria-Therese Eiblmeier (KV Dingolfing-Landau)
- Martin Häusling (KV Schwalm-Eder)
- Andreas Hoffmann (KV Braunschweig)
- Reiner Daams (KV Solingen)
- Frerk Meyer (KV Harburg-Land)
- Tobias Friedlein (KV Heidelberg)
- Michel Scherbaum (KV Kassel-Stadt)
- Ralf Gros (KV Lüneburg)
- Vladimir Pirazhkov (KV Görlitz)
- Deborah Düring (KV Frankfurt)
- Sarina Langer (KV Braunschweig)
- Malte Gerlach (KV Kassel-Stadt)
- Daniel Freund (KV Aachen)
- Greta Garlichs (KV Hannover)
- Julia Frank (KV Frankfurt)
- Margarete Bause (KV München)
- Emil Jonathan Fährmann (KV Kassel-Stadt)
- Agnieszka Brugger (KV Ravensburg)
- Laura Haajamo (KV Berlin-Pankow)
- Janine Diebel (KV Bautzen)
- Miriam Laux (KV Stuttgart)
- Jonas Prade (KV Berlin-Reinickendorf)
- Paul Benter (KV Berlin-Mitte)
- Svenja Borgschulte (KV Berlin-Pankow)
- Rania Al-Sahhoum (KV Berlin-Mitte)
- Okka Senst (KV Rhein-Hunsrück)
- Lars Klaus Aßhauer (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
