Veranstaltung: | 51. Bundesdelegiertenkonferenz Hannover |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Theda de Morais Dourado (KV Düsseldorf) und 111 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 74%) |
Status: | Eingereicht |
Angelegt: | 15.10.2025, 23:10 |
V-54: Leistung anerkennen, Gerechtigkeit schaffen: bessere Bedingungen für Alleinerziehende
Antragstext
In Deutschland leben offiziell 1,52 Alleinerziehende - davon 89% Frauen - mit
minderjährigen Kindern. Das betrifft fast jede fünfte Familie, inoffiziell noch
mehr. Alleinerziehende tragen die Verantwortung für Familie, Einkommen und
Fürsorge – und werden dennoch stigmatisiert und strukturell benachteiligt. Diese
Benachteiligung trifft auch ihre Kinder und führt zu einer hohen
Armutsgefährdung trotz enormer Leistung und einer hohen Erwerbsquote. Mit einem
Armutsrisiko von 43 % sind sie so stark von Armut betroffen wie keine andere
Familienform.
Wenn ein unterhaltsspflichtiger Elternteil den Unterhalt nicht zahlt, geht der
Staat in Vorleistung und gewährt einen Mindest-Unterhaltsvorschuss, der laut
Gesetz vom zahlungspflichtigen Elternteil zurückgezahlt werden muss. Das
Unterhaltsvorschussgesetz sowie die Praxis der unzureichenden Rückforderung sind
derzeit höchst ungerecht und benachteiligen vor allem Alleinerziehende und ihre
Kinder. Wir werden uns dafür einsetzen, dass jedes Kind die ihm rechtlich
zustehenden finanziellen Mittel bekommt, indem
- der Anspruch des Kindes auf Unterhaltsvorschuss analog zum
zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch- bei erneuter Heirat der alleinerziehenden Person bestehen bleibt.
- bis zum Abschluss der ersten Berufsausbildung besteht.
- auch nach dem 12. Lebensjahr nicht vom Einkommen des betreuenden
Elternteils abhängt. Alleinerziehende brauchen keine Arbeitsanreize,
sondern ihre Kinder brauchen den Lebensstandard, der ihnen zusteht,
auch nach dem 12. Lebensjahr!
- die Rückgriffquote, die aktuell bei nur 17% liegt, auf
unterhaltspflichtige Elternteile deutlich erhöht wird. Dazu soll eine
Reform zwischen Bund, Ländern und Kommunen erarbeitet und eine nationale
Inkassostelle nach dem Vorbild des BAföG-Amts eingerichtet werden. Für
Unterhaltsvorschussschulden wird eine Verjährungsfrist von 20 Jahren
eingeführt.
- die vollumfängliche Umsetzung der Istanbul-Konvention, um Mütter und
Kinder in Familiengerichtsverfahren wirksam vor Gewalt zu schützen.
Gewaltschutz muss immer Vorrang vor Umgangs- und Sorgerechtsansprüchen
haben, denn auch die Kinder sind hier Opfer der Gewalt. Von einem Kind
miterlebte Gewalt gegen seine Mutter ist eine spezielle Form der
Kindesmisshandlung und widerspricht immer dem Kindeswohl.
- eine faire Besteuerung. Aktuell werden Alleinerziehende in Deutschland
steuerlich etwa doppelt so stark belastet wie im OECD-Durchschnitt. Sie
versorgen mindestens ein Kind, das nicht arbeiten kann und werden
gegenüber verheirateten Paaren aus zwei Erwachsenen steuerlich massiv
benachteiligt. Stattdessen sollen Alleinerziehende, insbesondere mit
geringem Einkommen, entlastet werden, beispielsweise durch eine
Steuergutschrift.
- Ermöglichung von politischer Teilhabe durch familienfreundliche
Strukturen, um ein Mandat ausüben zu können. Der politische Betrieb muss
Rücksicht auf Betreuungsrealitäten nehmen. Die eigene politische
Beteiligung von Alleinerziehenden ist nicht nur wichtig für eine gerechte
Teilhabe, sondern stellt auch sicher, dass bei der Gesetzgebung die
Interessen der Alleinerziehenden berücksichtigt werden.
Die aktuelle Wohnungskrise trifft Alleinerziehende, deren Armutsrisiko bei 43%
liegt, besonders hart. Dabei ist für das psychische Wohlbefinden von Kindern und
ihrem Elternteil eine geeignete Wohnung in einem sicheren Mietverhältnis als
stabiler Rückzugsort essentiell. Mit dem Thema Wohnen gehen viele andere
Herausforderungen oder Lösungen einher, wie bspw. die Unterstützung durch
Gemeinschaft und Nähe zu Infrastruktur.
- Beim Zuschnitt neuer Bauvorhaben von öffentlich gefördertem Wohnraum und
Genossenschaften müssen die Anforderungen von Ein-Eltern-Familien, also
kostengünstige, kompakte Wohnungen mit einem Schlafzimmer für jede Person,
berücksichtigt werden. Eine von der Fläche passende Wohnung ist oft so
geschnitten, dass es nicht genügend Schlafzimmer gibt, da Wohnungen immer
noch für Singles, Paare und Paarfamilien geplant werden. Bei der Vergabe
von Sozialwohnungen muss die Zahl der Zimmer ausschlaggebend sein, auch
bei jüngeren Kindern, nicht lediglich die Zahl der Quadratmeter.
Begründung
Als Grüne stehen wir für Feminismus und soziale Gerechtigkeit. Durch gerechte Rahmenbedingungen und finanzielle Sicherheit für Alleinerziehende wollen wir Kinderarmut reduzieren und strukturelle Benachteiligungen verringern – zentrale Ziele unserer Politik.
Weiterführende Informationen: