Veranstaltung: | 51. Bundesdelegiertenkonferenz Hannover |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Lars Boettger (KV Hamburg-Altona) und 90 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 46%) |
Status: | Eingereicht |
Angelegt: | 10.10.2025, 13:52 |
V-60: Nachhaltige Mobilität stärken – Zersiedelung vermeiden – Pendlerpauschale ersetzen
Antragstext
Eine sozial gerechte und klimafreundliche Verkehrswende ist insgesamt nur mit
einer konsequenten Verknüpfung von Infrastrukturausbau, einem verlässlichen
Mobilitätsangebot, sozial gerechter Förderung und Steuerungsinstrumenten gegen
Zersiedelung zu erreichen.
Die Pendlerpauschale steht dem entgegen und setzt den Anreiz, möglichst
preisgünstig zu wohnen und dabei einiges an Entfernung in Kauf zu nehmen - oft
allein mit dem eigenen Auto zurückgelegt. Diese Entwicklung steht im Widerspruch
zur Reduzierung des Flächenverbrauchs und der Umweltbelastungen. Wohngebiete
müssen daher dichter bebaut und an verlässliche Bahn- und Busverbindungen
gebunden werden.
Statt das Pendeln mit dem Auto zu subventionieren, wollen wir bessere Takte bei
Bus- und Bahn und den Ausbau der Schieneninfrastruktur beschleunigen. Eine
Mobilitätsgarantie muss eine flächendeckende, nachhaltige Nahmobilität
sicherstellen, um den Zwang zum Autofahren auf die Wege zu reduzieren, für die
der öffentliche Verkehr nicht sinnvoll ist. Das 2022 eingeführte
Deutschlandticket hat gezeigt, dass Pendler*innen weniger Strecke mit dem Auto
gefahren sind und näher liegende Haltestellen aufgesucht haben, falls Sie Park &
Ride genutzt haben. Mit einem beitragsfinanzierten ÖPNV könnte diese Entwicklung
noch weiter gefördert werden.
Es gibt weder ökologisch noch sozialpolitisch einen belastbaren Grund, speziell
das Pendeln insbesondere noch mit dem Kfz. zu subventionieren. Pendeln ist
insgesamt sogar kontraproduktiv, denn kurze Wege schaffen eine gesündere
Gesellschaft und bessere Möglichkeiten der sozialen und kulturellen Teilhabe.
Mit der aktuellen Pendlerpauschale werden die falschen Anreize gesetzt und
Zersiedelung gefördert. Es entstand vermeintlich günstiger Wohnraum im Grünen
für diejenigen, die es sich leisten konnten; allerdings an oft unerschlossenen
Orten. Das führt zur Belastung derjenigen, die an Hauptverkehrsstraßen wohnen
müssen und beschleunigt in Städten und Dörfern den „Donut-Effekt“: Die Ränder
entwickeln sich, die Mitte verödet.
Wir sehen Mobilität als Daseinsvorsorge und als Grundlage für den familiären und
gesellschaftlichen Austausch. Ideal ist dazu die Stadt der kurzen Wege. Beim
Konzept der „Stadt der kurzen Wege“ sollen alle üblichen Aktivitäten außerhalb
der Arbeit zu Fuß, mit dem Rad, dem Bus oder der Bahn in kurzer Zeit (5-15min)
erreichbar sein. Aber auch diejenigen, die sich für ein Leben auf dem Land weit
vom Arbeitsplatz entscheiden, brauchen ein attraktives Mobilitätsangebot, das
dem Klima nicht schadet.
1. Mobilitätsgarantie umsetzen
Kommunen, die verbindliche Mobilitätsgarantien einführen und Maßnahmen zur
Begrenzung der Zersiedelung ergreifen, sollen stärker finanziell gezielt
gefördert werden. Eine Mobilitätsgarantie soll sicherstellen, dass alle
Einwohnerinnen und Einwohner jederzeit Zugang zu zuverlässigem, bezahlbarem und
klimafreundlichem ÖPNV (Bus und Bahn) haben, um Mobilitätsarmut zu verhindern
und den Umstieg vom Auto zu erleichtern.
Die Förderung durch Bund und Länder soll sich an klar messbaren
Qualitätsstandards für Mobilitätsgarantien orientieren. Diese sind mindestens
Zuverlässigkeit, Taktfrequenz, Anschluss sicherung und Barrierefreiheit.
Kommunen mit verbindlichen Flächenmanagementstrategien zur
Zersiedelungsbegrenzung sollen höhere Förderquoten oder zusätzliche finanzielle
Boni erhalten. Ebenso sind Pilotprojekte für innovative Konzepte von vernetzter,
bahnorientierter Quartiersentwicklung mit intelligentem Flächen- und
Verkehrsmanagement und interkommunale Kooperationen bevorzugt zu unterstützen.
Es muss garantiert sein, dass auch im ländlichen Raum ein verlässlicher
öffentlicher Taktverkehr angeboten wird, z.B. tagsüber alle 30 Minuten in alle
Dörfer ab 1000 Einwohner*innen. Das können bei zunächst geringer Nachfrage auch
On-Demand-Dienste sein. Die Schweiz könnte hier Vorbild sein.
2. Schieneninfrastruktur und Bahnhofsumfeld ausbauen
Wir wollen die Instandsetzung und den Ausbau der Schieneninfrastruktur
beschleunigen, insbesondere die Reaktivierung brachliegender Strecken und den
Ausbau schienengebundener Mobilitätsachsen als Kern der umweltfreundlichen
Verkehrs- und Siedlungsentwicklung. Dies stärkt die Attraktivität des
Bahnverkehrs und schafft die Grundlage für bahnhofsnahe städtebauliche
Verdichtung, als dreifache Innenverdichtung: Dichtere Bebauung, mehr und bessere
innerstädtische Grünanlagen und nachhaltige Mobilität.
3. Kurze oder klimaverträgliche Wege ermöglichen
Förderprogramme und rechtliche Rahmenbedingungen sind so gestalten, dass die
Siedlungsentwicklung eng an die Verfügbarkeit schienengebundener
Verkehrsangebote gebunden ist:
• Urbane Gebiete und verdichtete, nachhaltige Wohngebiete sollen bevorzugt in
Bahnhofsnähe entwickelt werden.
• Gleichzeitig sind klare Flächenverbrauchsgrenzen und kommunale
Steuerungsinstrumente zur Vermeidung von Zersiedelung zu etablieren.
• Bundesmittel sollen an verbindliche Verdichtungs- und Mobilitätsziele sowie an
den Ausbau von Park-and-Ride und multimodaler Infrastruktur geknüpft werden.
4. Finanziell umsteuern
Durch die Pendlerpauschale entgehen dem Bund und den Kommunen jährlich etliche
Milliarden €. Allein die geplante Erhöhung auf 38ct. für die ersten 20km sollen
fast 5Mrd. an Steuern kosten. Die Länder fordern bereits Kompensation vom Bund.
Leicht verständlich ist die Berechnung zudem auch nicht. Diese Mittel wollen wir
lieber dazu nutzen, auch den Pendler*innen ein besseres Mobilitätsangebot zu
machen und die Steuererklärung in dem Bereich unnötig zu machen:
- Ab 2030 soll die aktuell geltende Pendlerpauschale mit den ergänzenden
Pauschalen stufenweise bis spätestens 2035 entfallen. Dadurch wird eine
sozialverträgliche Anpassung ermöglicht, die den Menschen genügend Zeit zu
Veränderungen bietet. Statt der Pendlerpauschale soll der ÖPNV ausgebaut und
finanziell noch attraktiver werden.
- Programmlage von Bündnis90 / DIE GRÜNEN ist die Beitragsfinanzierung des ÖPNV.
Sie ist noch niedrigschwelliger, günstiger und einfacher als das
Deutschlandticket: Länder, Kommunen und Verbünde werden dabei unterstützt,
fahrscheinlosen Nahverkehr anzubieten. 9€ solidarische Beitragsfinanzierung
bspw. für alle die Einkommen haben, wäre ein attraktives, günstiges und einfach
zu verstehendes Modell.
Begründung
Dieser Antrag wurde in einem Übergreifenden AK der BAGen Planen Bauen Wohnen und Mobilität & Verkehr entwickelt.
Das Beispiel der 9€ Beitragsfinanzierung von 46 Mio Einkommensteuerpflichtigen ergeben knapp 5 Mrd €. Die Erhöung der Pendlerpauschale ab 2026 sind auch 5 Mrd. macht schon mal 10 Mrd. € für den ÖPNV. Der Rest der Pendlerpauschale müssten nochmal locker 20 Mrd. sein. Da schwanken die Angaben, was da tatsächlich an Steuerlast rauskommt.
Quellen: