Veranstaltung: | 51. Bundesdelegiertenkonferenz Hannover |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Anton Hensky (KV Braunschweig) und 63 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 52%) |
Status: | Eingereicht |
Angelegt: | 16.10.2025, 13:37 |
V-66: Rheinmetall gemäß Artikel 15 GG vergesellschaften – Für eine friedensorientierte Verteidigungsindustrie ohne Profitmaximierung
Antragstext
Begründung
Kurzübersicht der Argumentation
Die Vergesellschaftung von Rheinmetall ist aus vier zentralen Gründen geboten:
1.: Verstößt die Profitmaximierung mit Kriegswaffen gegen grundlegende ethische Prinzipien und verstärkt systematische Gewalt gegen Frauen und marginalisierte Gruppen.
2.: Bietet Artikel 15 GG die verfassungsrechtliche Grundlage für die demokratische Kontrolle gesellschaftlich relevanter Produktionsmittel.
3.: Ermöglicht eine öffentlich kontrollierte Verteidigungsindustrie innovative, friedensorientierte Technologien und die Umwidmung von Ressourcen für Care-Arbeit und Friedensförderung.
4.: Kann Deutschland international Zeichen für eine feministische, demokratisch kontrollierte Sicherheitspolitik setzen und seiner historischen Verantwortung gerecht werden.
Ausführliche Begründung
Die Vergesellschaftung der Rheinmetall AG stellt einen notwendigen Schritt zur Verwirklichung einer ethisch verantwortbaren und demokratisch kontrollierten Verteidigungsindustrie dar, die den Grundwerten einer friedensorientierten, feministischen und gerechten Gesellschaft entspricht. Rheinmetall erwirtschaftet jährlich Milliardenprofite durch die Produktion von Waffen, die in internationalen Konflikten eingesetzt werden und systematisch menschliches Leid verursachen. Diese strukturelle Abhängigkeit vom Profit mit dem Tod schafft systemische Anreize zur Aufrechterhaltung von Konflikten und zur kontinuierlichen Eskalation globaler Aufrüstungsspiralen, da Frieden das Geschäftsmodell fundamental gefährden würde.
Die von Rheinmetall und anderen Rüstungskonzernen produzierten Waffen sind nicht geschlechtsneutral – sie verstärken patriarchale Gewaltstrukturen und fördernsystematische sexualisierte Gewalt gegen Frauen, Mädchen und queere Menschen in Kriegsgebieten. Krieg bedeutet immer auch die Kolonisierung von Frauenkörpern, die als militärisches Ziel, als Waffe und als Schlachtfeld missbraucht werden. Die Geschichte der "Trostfrauen" und unzählige andere Beispiele zeigen, wie Militarismus und Patriarchat zwei Seiten derselben Medaille sind: Beide bedeuten Hierarchie, Gewalt, Gehorsam, Autoritarismus und die systematische Abwertung von Frauen und marginalisierten Gruppen. Eine Rüstungsindustrie, die aus diesen Strukturen Profit schlägt, ist mit feministischen und grünen Grundwerten unvereinbar.
Artikel 15 des Grundgesetzes bietet die verfassungsrechtliche Grundlage für die Vergesellschaftung von Produktionsmitteln, wenn dies dem Gemeinwohl dient. Rheinmetall erfüllt alle Kriterien der Sozialisierungsreife: Der Konzern besitzt eine marktbeherrschende Stellung in der deutschen Rüstungslandschaft, seine strategischen Entscheidungen haben weitreichende Auswirkungen auf die nationale Sicherheitspolitik und internationale Stabilität, und seine Produkte berühren elementare gesellschaftliche Interessen an Frieden, Sicherheit und Gerechtigkeit. Die demokratische Kontrolle über diese gesellschaftlich relevanten Produktionsmittel liegt daher im öffentlichen Interesse und entspricht dem Auftrag des Grundgesetzes zur Gestaltung der Wirtschaftsordnung im Dienste der Allgemeinheit.
Eine vergesellschaftete Rheinmetall würde als öffentlich kontrollierte Anstalt des öffentlichen Rechts der parlamentarischen Aufsicht und zivilgesellschaftlichen Transparenz unterliegen, wodurch die Gefahr einer unkontrollierten Einflussnahme auf die Sicherheitspolitik gebannt wird. Statt privatwirtschaftlicher Lobbyinteressen für permanente Aufrüstung träte eine bedarfsorientierte, ausschließlich defensive Ausrichtung der Produktion, die sich an den tatsächlichen Verteidigungsnotwendigkeiten orientiert. Die demokratische Mitbestimmung von Beschäftigten, Zivilgesellschaft, Friedensforschung und feministischen Organisationen in strategischen Entscheidungen würde sicherstellen, dass ethische Überlegungen, Menschenrechtsstandards und Geschlechtergerechtigkeit systematisch in alle Produktionsprozesse einfließen.
Die Transformation von einer profit- zu einer bedarfsorientierten Verteidigungsindustrie eröffnet erhebliche Innovationspotenziale für friedensorientierte Technologien und Conversion-Prozesse. Staatliche und öffentliche Forschungseinrichtungen haben historisch bewiesen, dass sie zu technologischen Durchbrüchen und Spitzenleistungen fähig sind – vom Internet über GPS bis hin zu erneuerbaren Energien entstanden viele wegweisende Innovationen in öffentlichen Institutionen. Eine demokratisch kontrollierte Verteidigungsindustrie kann diese Innovationskraft für eine nachhaltige, ethisch vertretbare und feministische Sicherheitspolitik nutzbar machen, die auf Deeskalation, internationale Kooperation und den Schutz vulnerabler Gruppen setzt, statt auf Waffenexporte und militärische Dominanz.
Die wirtschaftlichen Dimensionen einer Vergesellschaftung sind nicht als Belastung, sondern als Investition in eine friedliche und gerechte Zukunft zu verstehen. Die gesellschaftlichen Kosten einer privatwirtschaftlichen Rüstungsindustrie – von der Finanzierung internationaler Konflikte über Fluchtbewegungen bis hin zur Destabilisierung ganzer Regionen und der systematischen Gewalt gegen Frauen und marginalisierte Gruppen – übersteigen die Kosten einer Vergesellschaftung um ein Vielfaches. Besonders problematisch ist die kontinuierliche Umverteilung von Care-Arbeit zu Rüstung: Während die Rüstungsausgaben steigen, fehlt das Geld für Pflege, Gewaltschutz, Inklusion, Kunst und Kultur. Eine vergesellschaftete Rheinmetall würde ihre Gewinne der Allgemeinheit zuführen und könnte systematisch Care-Arbeit, internationale Friedensförderung und Conversion-Programme finanzieren, statt private Aktionäre zu bereichern.
Für die Beschäftigten bei Rheinmetall bedeutet die Vergesellschaftung keine Gefährdung, sondern eine Aufwertung und Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit. Statt für private Profite und die Verstärkung patriarchaler Gewaltstrukturen zu produzieren, können sie ihr Fachwissen und ihre Expertise für gesellschaftlich sinnvolle, ethisch vertretbare und feministische Zwecke einsetzen. Conversion-Programme würden systematisch Arbeitsplätze in der zivilen Produktion, im Care-Bereich und in der Friedensarbeit schaffen und den Übergang zu einer friedensorientierten, geschlechtergerechten Industriestruktur ermöglichen. Die demokratische Mitbestimmung würde den Beschäftigten zudem größeren Einfluss auf die Gestaltung ihrer Arbeitsplätze und die strategische Ausrichtung des Unternehmens geben.
Die Geschichte lehrt uns eindringlich, wohin die Verstrickung privatwirtschaftlicher Konzerne mit militärischen und politischen Machtinteressen führen kann. Das Beispiel der IG Farben im Nationalsozialismus zeigt die katastrophalen Folgen einer unkontrollierten Symbiose zwischen Rüstungsindustrie und Staatsgewalt. Eine demokratisch kontrollierte, transparente und zivilgesellschaftlich überwachte Verteidigungsindustrie kann solche Entwicklungen strukturell verhindern und stellt sicher, dass militärische Produktionskapazitäten ausschließlich im Dienste legitimer, ethisch vertretbarer Verteidigungszwecke stehen, die keine systematische Gewalt gegen Frauen und marginalisierte Gruppen ermöglichen oder verstärken.
Deutschland hätte mit der Vergesellschaftung von Rheinmetall die historische Chance, international Zeichen für eine neue Form der Verteidigungsindustrie zu setzen. Als Vorreiter einer friedensorientierten, demokratisch kontrollierten und feministischen Rüstungsproduktion könnte Deutschland neue Standards etablieren und einen wichtigen Beitrag zur globalen Abrüstung, Friedensförderung und Geschlechtergerechtigkeit leisten. Dies entspricht nicht nur den grünen Grundwerten von Frieden, Demokratie, Gerechtigkeit, Feminismus und Nachhaltigkeit, sondern auch der besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für eine friedliche, gerechte internationale Ordnung, die Frauen, queere Menschen und marginalisierte Gruppen schützt statt sie systematisch zu gefährden.
Die Vergesellschaftung von Rheinmetall ist somit mehr als eine wirtschaftspolitische Maßnahme – sie ist ein notwendiger Schritt zur Verwirklichung einer Gesellschaft, die den Menschen und nicht dem Profit dient, die Frieden und Geschlechtergerechtigkeit statt Krieg und patriarchaler Gewalt fördert, und die demokratische und feministische Werte über privatwirtschaftliche Interessen stellt. Wahre Sicherheit entsteht nicht durch Waffen und Militarismus, sondern durch die Überwindung patriarchaler Strukturen, durch Care-Arbeit, soziale Gerechtigkeit und internationale Solidarität.
Die Delegierten werden aufgefordert, diesem Antrag zuzustimmen und damit ein starkes Signal für eine friedensorientierte, demokratisch kontrollierte und feministische Verteidigungsindustrie zu setzen, die den Menschen und nicht dem Profit dient.