| Veranstaltung: | 51. Bundesdelegiertenkonferenz Hannover |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
| Antragsteller*in: | Sabine Hawlitzki (KV Berlin-Pankow) und 86 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 60%) |
| Status: | Eingereicht |
| Angelegt: | 08.10.2025, 09:52 |
V-12: Selbstbestimmtheit, Teilhabe und Sicherheit im Alter – auch für Frauen und als solche gelesene Personen
Antragstext
Grüne Politik steht für Vielfalt, Gerechtigkeit und Inklusion. Dazu gehört, auch
ältere Frauen (und als solche gelesene Personen – diese sind im Folgenden immer
mit gemeint!) sichtbar zu machen, ihre Lebenslagen ernst zu nehmen und
strukturelle Hürden konsequent abzubauen.
Deshalb treten wir ein gegen Diskriminierung und Ageismus, die besonders ältere
Frauen betreffen.
Wir fordern:
- Ältere Frauen sollen in Medien, Wissenschaft und Kultur besser sichtbar
sein
- Die ökonomische Selbstbestimmtheit von älteren Frauen muss besser
gewährleistet werden, zum Beispiel durch höhere Anrechnung der Sorge-
Arbeit bei der Rente. Vor allem aber muss eine bessere Vereinbarkeit von
Erwerbs- und Familienarbeit und eine gerechtere Verteilung der Sorge-
Arbeit zwischen den Geschlechtern das Ziel sein.
- Die Gesundheitsversorgung muss die spezifischen physiologischen
Bedürfnissen älterer Frauen berücksichtigen, sie muss altersgerechter und
geschlechtssensibler werden. Dazu müssen ältere Frauen als
Probandinnengruppe häufiger in das Forschungssetting einbezogen werden und
die Ergebnisse solcher Studien müssen in der Lehre berücksichtigt werden.
- Schutz vor Gewalt darf im Alter nicht enden.
- Bei digitaler Bildung müssen ältere Frauen gezielt unterstützt werden,
digitale Dienstleistungen und Plattformen müssen barrierefrei und
diskriminierungsfrei gestaltet werden.
- Ältere Frauen müssen dabei unterstützt werden, sich in politische
Beteiligungsprozesse und Beratungsgremien einzubringen. Dazu braucht es
Ermutigungen ebenso wie Aufwandsentschädigungen.
Wenn es um ältere Frauen geht, haben wir es mit intersektionaler Diskriminierung
zu tun. Die immer noch vorherrschende strukturelle Benachteiligung verstärkt
sich im Alter.
Zu 1) In den Medien, der Wissenschaft und Kultur werden Frauen vorzugsweise
dargestellt, wenn sie noch jung sind. Bei den älteren Menschen sind es vor allem
Männer, die mit einer erfolgreichen Karriere präsent sind.
Zu 2) Im Vergleich zum Gender-Pay-Gap fällt der Pension-Pay-Gap noch
dramatischer aus (27,1 %). Die Gründe sind vielfältig und lassen sich zum Teil
nur langfristig abbauen. Aber gerade darum müssen wir sie schnellstmöglich
angehen: Bessere Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Familienarbeit, Änderungen
im Renten- und Steuersystem. Das wird Generationen zugutekommen, die jetzt noch
jung sind und in späteren Jahren in Rente gehen.
Zu 3) Die medizinische Forschung orientierte sich lange Zeit fast ausschließlich
am männlichen Körper als Standardmodell. Die unterschiedlichen Reaktionen von
Männern und Frauen auf Medikamente und Therapien erfordern eine gezielte
Untersuchung der Reaktion auch von älteren und hochaltrigen Frauen. Eine
medizinische Forschung, die von Homogenität ausgeht, berücksichtigt die
Lebensrealität und die körperliche Reaktion älterer Frauen zu wenig. Wir fordern
daher eine Korrektur, die altersgerecht und geschlechtssensibel sein muss.
Zu 4) Gewalt in Partnerschaften gibt es auch im Alter, hinzu kommen gewalttätige
Übergriffe gegenüber Pflegebedürftigen.
Zu 5) Traditionell ist Bildung in Deutschland auf schulische und berufliche
Bildung konzentriert. Die digitale Entwicklung schreitet in eiligen Schritten
voran. Ältere Menschen werden abgehängt, wenn ihnen kein altersgerechter Zugang
zur digitalen Entwicklung angeboten wird. Davon sind insbesondere ältere Frauen
betroffen, denn digitale Teilhabe kostet auch Geld.
Zu 6) Viele ältere Frauen kümmern sich um die Sorge-Arbeit in ihrer Familie, sie
engagieren sich ehrenamtlich in der Nachbarschaftshilfe, im Umweltschutz, helfen
Geflüchteten und geben Schüler*innen Nachhilfe. In politischen
Beteiligungsprozessen und Beratungsgremien muss ihre Stimme lauter zu hören
sein. Da Ehrenamt immer auch mit einem gewissen Aufwand verbunden ist, braucht
es angemessene Aufwandsentschädigungen.
Das Recht auf Selbstbestimmtheit, Teilhabe und Sicherheit gilt für jedes Alter
und Geschlecht. Die Erfahrungen, Stimmen und Beiträge älterer Frauen sind
unverzichtbar für eine gerechte und vielfältige Gesellschaft.
Begründung
Frauen sind im Verlauf ihres Lebens immer wieder von Diskriminierungen betroffen: durch patriarchale Strukturen, Sexismus und ungleiche Chancenverteilungen.
Mit zunehmendem Alter tritt eine weitere Form der Benachteiligung hinzu: Ageismus. Altersdiskriminierung trifft alle, aber ältere Frauen besonders, weil sich Geschlechterungleichheiten kumulieren. Altersarmut, Ausblendung in Politik, Medien und Arbeitswelt, fehlende Teilhabe in digitalen Räumen sowie stereotype Rollenbilder schränken ihre Selbstbestimmung ein.
Der 9. Altersbericht der Bundesregierung stellte fest: Es gibt vielfältige Lebenslagen auch im Alter, aber einseitige Altersbilder sind verbreitet.
Altersdiskriminierung wird von einem Drittel der Älteren erlebt.
Die Erwerbsbiografien von Frauen waren bisher und werden auch noch eine Zeit lang anders verlaufen als die von Männern. Da unser Rentensystem zurzeit diejenigen belohnt, die eine durchgehende Erwerbsbiografie mit mindestens durchschnittlichem Einkommen hatten, droht vielen Frauen Altersarmut. Gender-Pay-Gap 2024: unbereinigt 18%, bereinigt 9%; Pension-Pay-Gap 2024: 27,1 %, ohne Hinterbliebenen-Rente sogar 39,4 %.
Die BAGSO (Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen) fordert in ihrer Erklärung zum Seniorentag 2025, die Kompetenzen und Ressourcen der Älteren für die Lösung der anstehenden Aufgaben mehr in den Blick zu nehmen, ein differenziertes, zeitgemäßes Bild vom Alter zu fördern sowie Ausgrenzung und Diskriminierung entgegenzuwirken.
Ohne das Engagement der Frauen, auch der älteren, in Beruf, Familie, Ehrenamt und Politik würde unsere Gesellschaft nicht funktionieren. Dennoch werden sie und ihre Perspektiven oft übersehen. Es ist an der Zeit, Strukturen zu schaffen, die Selbstbestimmtheit und Teilhabe ermöglichen, anstatt sie zu verhindern.
Siehe auch:
