Veranstaltung: | 51. Bundesdelegiertenkonferenz Hannover |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Daniel Kurz (KV Bamberg-Stadt) und 93 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 41%) |
Status: | Eingereicht |
Angelegt: | 16.10.2025, 12:42 |
V-63: Social Media Rahmenstrategie
Antragstext
Social-Media-Plattformen sind für viele Menschen zu einer zentralen Quelle für
Information und Meinungsbildung geworden. Derzeit werden sie jedoch stark von
der extremen Rechten dominiert. Dem wollen viele Grüne Mitglieder
entgegenwirken.
Dafür brauchen wir Strukturen und Abläufe, die effektiv und effizient Reichweite
für grüne Themen generieren, ohne Einzelne übermäßig zu belasten.
Deshalb fordern wir den Bundesvorstand auf, zügig eine umfassende professionelle
Analyse der aktuellen Lage sowie eine Rahmenstrategie zur Behebung der
Schwachstellen zu entwickeln. Auf Grundlage dieser Strategie sollen Finanzmittel
priorisiert bereitgestellt werden, um geeignete Strukturen, Prozesse und
Personal aufzubauen. Die Strategie muss langfristig ausgelegt sein und durch ein
entsprechendes Finanzierungskonzept sichergestellt werden.
Ein arbeitsfähiger Rahmen sollte bis Herbst 2026 vorliegen, um für den
Bundestagswahlkampf zur Verfügung zu stehen und im Grundsatz mit den
Landesverbänden abgestimmt sein. Dabei sollen folgende Kernziele umgesetzt
werden:
3. Corporate Community Management stärken
Professionelles Corporate Community Management soll den digitalen Dialog mit der
Parteibasis stärken, Mitglieder begleiten und vor digitaler Gewalt schützen.
Dafür braucht es klare Zuständigkeiten, Schulungen für ehrenamtliche
Moderator*innen, Moderationshilfen sowie eine bundesweite Feedback- und
Beteiligungskultur. Diese Ehrenamtskoordination auf Social Media erfordert
speziell geschultes Personal.
Begründung
Ausgangslage: Der digitale Diskurs kippt
Soziale Medien sind zu einem zentralen Ort politischer Meinungsbildung geworden. Aktuell dominieren dort jedoch rechte Narrative – befeuert durch emotionale Polarisierung, algorithmische Verstärkung und gezielte Einflussnahme, insbesondere durch ausländische Akteure wie Russland. Die AfD nutzt Social Media seit Langem strategisch und professionell, um Stimmung gegen demokratische Kräfte zu machen. Auch andere Parteien und Medien greifen grüne Positionen verzerrt auf und verstärken diese Dynamiken.
Unsere Herausforderung - und unser Potenzial
Trotz dieser schwierigen Ausgangslage haben wir als Partei große Chancen: Im vergangenen Jahr konnten wir sehr viele neue Mitglieder gewinnen – viele mit dem klaren Wunsch, dem Rechtsruck auch online entgegenzutreten. Dieses Engagement bleibt jedoch oft ungenutzt, weil es an klaren Strukturen, Ressourcen und einer gemeinsamen Strategie fehlt.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben in den letzten Jahren wichtige Initiativen gestartet, um in Social Media mehr auzufallen Doch die aktuellen Daten zeigen: Die bisherigen Maßnahmen reichen nicht aus, um die vereinbarten Ziele zu erreichen. So liegen wir beim Verhältnis “Kosten für Wahlwerbung vs. Stimmenzuwachs” deutlich hinter anderen Parteien zurück. Unser Antrag setzt genau hier an: Er soll die aktivierten Maßnahmen verstärken, beschleunigen und evidenzbasiert nachschärfen.
Warum wir jetzt handeln müssen
Die zunehmende digitale Polarisierung gefährdet nicht nur unsere Sichtbarkeit, sondern auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wenn wir unsere Mitglieder nicht gezielt befähigen und einbinden, verlieren wir wertvolle Mitstreiter*innen. Es braucht jetzt eine entschlossene Investition in strategische Kommunikation, um Mobilisierung statt Resignation zu ermöglichen.
Was wir brauchen: Struktur, Strategie, Schulung
Wir haben die Chance, die Reichweite unserer offiziellen Kanäle und die unserer Mitglieder deutlich zu steigern. Gute politische Arbeit zu leisten reicht nicht, wir müssen sie auch entsprechend gut kommunizieren – das haben die letzten Jahre klar gezeigt. Allgemein gilt: Gute Inhalte allein reichen nicht – sie müssen auch Reichweite erzielen. Dafür benötigen wir:
- Effiziente Strukturen, die Doppelarbeit vermeiden und den Austausch verbessern.
- Professionelle Kommunikationsstrategien, die psychologische Erkenntnisse einbeziehen.
- Breit verfügbares Wissen über Social Media, Algorithmen und Datenschutz.
- Schnelle interne Kommunikation, um auf Entwicklungen reagieren zu können.
- Einheitliche Kommunikationsstruktur, diese sollte durch ein gut durchdachtes, zentrales IT-Konzept begleitet werden.
Community stärken – nicht nur informieren
Ein zentrales Element ist der Aufbau eines aktiven, gut betreuten Community Managements. Unsere Mitglieder sind nicht nur Multiplikator*innen, sondern auch Moderator*innen, Feedbackgeber*innen und kreative Köpfe. Sie brauchen klare Ansprechpersonen, Schulungen, Schutz vor digitaler Gewalt und Räume für Austausch und Mitgestaltung. Auf diese Weise können sie auch in ihrem jeweils eigenen sozialen Netzwerk wirken, das sich weit außerhalb der Partei erstreckt.
Die Kernziele im Detail
Im Folgenden beleuchten wir die einzelnen Kernziele noch einmal genauer und bringen bereits bestehende Ideenvorschläge ein. Diese sind entsprechend nicht Teil des Beschlusses, sondern dienen lediglich als Anregungen für die Entwicklung der Lösungsstrategie – manches davon existiert sicher bereits, wird aber ggf. nicht effektiv eingesetzt.
1. Social-Media-Arbeit erleichtern
Problem: Das Erstellen hochwertiger Social-Media-Inhalte erfordert viel Zeit und Wissen oder den Willen dies zu
erlangen = „Mut zum Probieren“. Besonders in kleineren Kreisverbänden fehlt oft die Kapazität, dies zu leisten. Zugleich werden die Ergebnisse der investierten Zeit nicht effizient für andere in der Partei zugänglich gemacht.
Zielstellung: Die Erstellung von Beiträgen auf allen Verbandsebenen muss vereinfacht werden. Der Austausch und die Verwendung von Material, Hintergrundinfos und fertigen Beiträgen müssen effizienter erfolgen. Informationen zu Framing und Wording müssen stets hochaktuell zur Verfügung stehen.
Umsetzungsideen:
- Effiziente Kommunikationskanäle für Informations- und Materialaustausch etablieren, z. B. über geeignete Chatgruppen mit ausreichender Personalausstattung.
- Crowdsourcing innerhalb der Partei fördern: Einbindung der Basis als Creator\*innen, Moderator\*innen oder Testgruppen für Feedback-Schleifen.
- Existierende Tools und Plattformen wie das Wissenswerk und den Sharepic-Generator besser nutzen und weiter verbessern, neue Tools sowie Content-Datenbanken und eigene datenschutzkonforme KI-Plattformen erstellen.
2. Reichweite erhöhen und Mitglieder aktivieren
Problem: Grüne Inhalte werden zu wenig wahrgenommen und geteilt. Die Unterstützung durch Mitglieder und die Verbreitung auf mehreren Plattformen funktionieren unzureichend.
Zielstellung: Mehr Mitglieder sollen durch geeignete Maßnahmen aktiviert werden, um grüne Inhalte in den sozialen Medien zu teilen und so deren Reichweite zu steigern. Auch reichweitenstarke Accounts außerhalb der "grünen Bubble" müssen gezielt einbezogen und effizienter verbreitet werden.
Umsetzungsideen:
- Zusammenarbeit mit grün-nahen, reichweitenstarken Accounts fördern. Diese Accounts haben eine hohe Glaubwürdigkeit und können andere Zielgruppen außerhalb der "grünen Bubble" ansprechen und grüne Themen positiv besetzen.
- Kampagne zur Aktivierung der eigenen Mitglieder und Community – über interne Kanäle, Off- und Online-Events, gezielte Werbekampagne auf Social Media selbst.
- Aktivierung von neuen Mitgliedern: Bei Parteieintritt sollte auch die Einbringung in Social Media aktiv gefürdert werden.
- Community-basierte Ansätze wie das Konzept der Netzfeuerwehr ausbauen und mit deutlich mehr Ressourcen ausstatten.
- Kampagne „Patenschaft“ einführen, bei der Mitglieder langfristig und zielgerichtet aktuell strategisch besonders relevante grüne Accounts unterstützen.
3. Corporate Community Management stärken
Problem: Der Austausch mit und innerhalb der digitalen Parteigemeinschaft ist ausbaufähig. Viele Mitglieder engagieren sich in sozialen Netzwerken, fühlen sich jedoch bei der Moderation, im Umgang mit Anfeindungen oder bei der Pflege von Online-Communities allein gelassen. Es fehlt an klaren Informationen, Unterstützung und professionellen Standards für Community Management innerhalb der Partei.
Zielstellung: Durch den Aufbau von Strukturen für ein professionelles Corporate Community Management kann der Dialog mit der digitalen Parteibasis gefördert werden, Mitglieder begleitet und vor digitaler Gewalt geschützt werden. Dazu gehören klare Zuständigkeiten (etwa klar benannte Ansprechpersonen), Schulungen für ehrenamtliche Moderator*innen, Hilfestellungen für Moderation von Diskussionen sowie der Aufbau einer aktiven Feedback- und Beteiligungskultur, die auch zu Vernetzung der diversen privaten Accounts führt, auf denen unsere Mitglieder auf diversen Plattformen aktiv sind. Eine gute Beschreibung dieses „Corporate Community Managements“ für die Belange unserer in unterschiedlichen Verbänden organisierten Partei liefert der Begriff „Ehrenamtskoordination für Social Media“. Es geht um die Koordination unserer ehrenamtlich auf Social Media aktiver Mitglieder und ihrer Anstrengungen, um ihnen Ressourcen wie Zeit und Wissen (zurück) zu geben, sie zu beteiligen und den Effekt ihrer Arbeit zu erhöhen.
Umsetzungsideen:
- Aufbau eines zentralen Community-Teams mit Ansprechpersonen auf Bundes- und Landesebene zur Unterstützung von Mitgliedern bei der Moderation und Pflege von Online-Communities.
- Entwicklung und Bereitstellung von Schulungsangeboten für ehrenamtliche Moderator*innen zu Community-Management, Konfliktlösung und digitalem Selbstschutz.
- Einrichtung von Austauschformaten (z. B. regelmäßige Online-Treffen, Foren) für aktive Community-Mitglieder zur Vernetzung, Weiterbildung und kollegialen Beratung.
4. Politische Kommunikation strategisch flankieren
Problem: Die Kommunikation politischer Positionierungen und Entscheidungen ist in der Umsetzung oft zu langsam und zu zentralisiert. Viele Mitglieder können nicht aktiv kommunizieren, da klare Richtlinien fehlen, um eigenständig und zugleich im Einklang mit der angestrebten Kommunikationslinie oder kongruent zu aktuellen politischen Entscheidungen zu handeln.
Zielstellung: Parallel zur politischen Themensetzung und akuten politischen Entscheidungen müssen stets Social-Media-Strategien entwickelt und kontinuierlich angepasst werden. Leitlinien (Playbook) zur Social-Media-Kommunikation müssen professionell kommunikationspsychologisch abgestimmt sein. Sie sollten durchdachte Rahmenerzählungen (Framings) und Formulierungen (Wordings) umfassen und der gesamten Partei zugänglich gemacht werden.
Umsetzungsideen:
- Grundsätzliche Framings und Wordings auf einer Klausurtagung erarbeiten, unter Einbezug von Kommunikationspsycholog\*innen und Social-Media-Expert\*innen.
- Eine Taskforce gründen, die tagesaktuell auf politische Entscheidungen reagieren kann und ihr Agieren unverzüglich in die Breite der Partei streut.
5. Aktivitäten politischer Gegner*innen antizipieren
Problem: Reaktionen auf Angriffe oder gegnerische Themensetzungen erfolgen zu spät. Informationen werden zu langsam verbreitet oder von den Mitgliedern aufgenommen.
Zielstellung: Gegnerische Themen und Aktionen frühzeitig erkennen, um schneller reagieren oder sogar proaktiv handeln zu können. Social-Media-Monitoring, insbesondere rechter Strukturen, muss verbessert und beschleunigt werden. Die Ergebnisse müssen hochaktuell genutzt und intern verbreitet werden.
Umsetzungsideen:
- Intelligente Softwaretools zum Netzmonitoring und Social Listening einsetzen.
- Inhalte rechter Telegram-Gruppen auslesen und analysieren.
- Taskforce einrichten, die Risikoanalysen erstellt und Gegenmaßnahmen vorbereitet.
6. Interne Kommunikation beschleunigen
Problem: Interne Informationen erreichen die Basis zu langsam. Kommunikationslinien müssen schneller erarbeitet und verbreitet werden.
Zielstellung: Zusätzlich zu 1., 3. und 4. muss auf aktuelle Entwicklungen schnell reagiert werden können. Dazu müssen Informationen von den informierten Kreisen in die Breite gegeben werden. Es muss effiziente Kommunikation zwischen Parteispitze und Basis hierzu aufgebaut werden.
Umsetzungsideen:
Effektive Nutzung von Tools wie Signal, E-Mails und der Chatbegrünung zur schnellen Verbreitung von Informationen.
- Taskforce für die Koordination der internen Kommunikation.
- Teams zum Aufsetzen und und Betreuen von grünen Accounts auf Wunsch bzw. nach Bedarf, auch hinsichtlich Corporate Design.
7. Wissen und Kompetenzen stärken
Problem: Wir befinden uns in einer herausfordernden Situation. Grüne Positionen werden häufig v. a. als belastend wahrgenommen und die Mechanismen überzeugender Kommunikation bisher zu wenig genutzt. Es mangelt an breitem Wissen über Social-Media-Algorithmen und Kommunikationspsychologie.
Zielstellung: Wirksamkeit durch evidenzbasierte Professionalität. Fundiertes Wissen über Social Media und psychologische Kommunikationsmechanismen aufbauen, um Reichweite und Überzeugungskraft zu steigern. Bedenken zur Privatsphäre und persönlichen Sicherheit müssen adressiert werden.
Umsetzungsideen:
- Regelmäßige Schulungen und Webinare zu Algorithmen und Kommunikationstechniken anbieten, Erkenntnisse leicht zugänglich bereitstellen.
- Hochqualitative, niedrigschwellige technische Anleitungen bereitstellen.
- Webinare und Handlungsempfehlungen zur Aufklärung über Datenschutz in Social Media, Informationen zu z. B. Einsatz von anonymen Zweit-Accounts, Zweit-Handys für TikTok u. Ä.
- Leitfäden und Webinare zum Schutz vor Hass und Hetze, Anzeigemöglichkeiten, Einbindung vorhandener Institutionen (z. B. Hateaid) und Hilfsangebote
- Externe Expert\*innen und reichweitenstarke grüne Akteur\*innen für die Webinare zu erfolgreicher Social-Media-Arbeit einbinden.
- Wissensmanagement und Herunterbrechen der Angebote für den hektischen Alltag: Wer sich zwischen Kita und voller Berufstätigkeit für die eherenamtliche Arbeit in der Partei fortbilden will, hat oft weder Zeit noch Kraft, eine unübersichtliche Wolke zu durchsuchen oder ein Webinar zwei Stunden am Stück zu besuchen.
8. Wertebasierte Leitlinien für digitale Kommunikation entwickeln
Problem: Technische und gesellschaftliche Entwicklungen bringen immer wieder neue Herausforderungen für die Demokratie und unsere Partei mit sich. Beispiele: Nutzung von TikTok, personifizierte Werbung, Automatisierung (bis hin zu Bots) oder der Einsatz von Werkzeugen mit KI.
Zielstellung: Wir benötigen explizite Diskussionsforen, Zuständigkeiten und Entscheidungsgremien, um Leitlinien für die wertkonforme und dabei zugleich effektive Nutzung von Social Media zu beschließen. Während die Grüne Digitalpolitik die richtigen Ansätze verfolgt, um mit diesen Herausforderungen langfristig umzugehen, müssen wir als Partei einen konkreten Umgang damit in der aktuellen Situation finden.
Umsetzungsideen:
- Diskussionsforen und eine Klausurtagung einrichten, um erste Leitlinien zu entwickeln.
- Klare Zuständigkeiten festlegen, um Entscheidungen schnell und zielgerichtet zu treffen.