Veranstaltung: | Außerordentliche Bundesdelegiertenkonferenz |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Maria Heubuch (Wangen-Allgäu KV) und 39 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 0%) |
Status: | Eingereicht |
Verfahrensvorschlag: | Abstimmung |
Eingereicht: | 15.12.2017, 15:17 |
V-19: Nein zu Sklaverei, Gammelfleisch und Korruption - Nein zum Mercosur-Abkommen! Für eine faire europäische Handelspolitik mit klarem Bekenntnis zur Nachhaltigkeit
Antragstext
Auf Biegen und Brechen will die EU-Kommission den Mercosur-Handelsdeal mit Brasilien,
Argentinien, Paraguay und Uruguay Südamerikas abschließen. Das Handelsmandat stammt noch aus
dem letzten Jahrtausend, es wurde im Jahr 1999 abgestimmt. Es ist nicht mehr zeitgemäß und
unzureichend demokratisch legitimiert.
Europas Bürger*innen ist bis jetzt kaum bekannt, was dadurch auf ihren Tellern landen soll:
Erst im März 2017 gab es einen Skandal rund um Gammelfleisch-Importe aus Brasilien. Ein
Fleischkonzern gab zu, Inspektoren und hochrangige Politiker jahrelang bestochen zu haben.
Trotzdem will die EU-Kommission nun die Einfuhrkontrollen lockern.
Der Handelsdeal bedroht den Verbraucherschutz in Europa - aber auch Umwelt- und
Sozialstandards in den südamerikanischen Produktionsstätten. Gesetze zum Schutz der
Artenvielfalt, gegen Bodenerosion, gegen Abholzung usw. werden ausgehebelt. Erst im Oktober
2017 hat der brasilianische Staatschef Temer das Antisklavereigesetz gelockert, so dass u.a.
Großgrundbesitzer und Textilfabriken wieder Sklav*innen einsetzen können. Ab sofort muss das
Element der Freiheitsberaubung stets präsent sein, damit Sklaverei konstatiert werden kann.
Damit fallen die meisten Fälle durch das Raster.
Die EU würde durch den Abschluss eines weitreichenden Handelsabkommens im Rahmen eines
Assoziationsabkommens mit dem Mercosur die fragwürdigen Umstände, die zur Präsidentschaft
Temers geführt haben, und seine rückschrittliche Politik legitimieren. Brasilien gibt dafür
allen Wünschen der EU nach. So macht sich die EU mitschuldig an einer Politik der Ausbeutung
von Menschen und Umwelt.
Bei dem Abkommen geht es nicht primär um die Senkung von ohnehin niedrigen Zöllen. In erster
Linie geht es um die Ausschaltung demokratischer Verfahren zugunsten von Konzerninteressen
und die Zementierung von Steuervermeidungspraktiken. Mit dem Abkommen soll ein
Wirtschaftsmodell konsolidiert werden, dass großen Konzernen und der Agroindustrie auf
beiden Seiten kurzfristige Gewinne bringt.
Nein zum Mercosur-Deal, ja zu einer neuen europäischen Handels- und Landwirtschaftspolitik
Wir fordern die zukünftige deutsche Bundesregierung auf, im EU-Rat die weiteren
Verhandlungen durch die EU-Kommission nicht zu unterstützen, sondern eine grundsätzliche
Änderung in der Verhandlungsrichtung zu fordern. Das Verhandlungsmandat muss an die
Gegebenheiten von 2018 angepasst werden. Jede Weiterverhandlung sollte abhängig gemacht
werden von der vorherigen Durchführung und anwendungsorientierten Auswertung einer
unabhängigen Folgenabschätzung unter Maßgabe ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit.
Bündnis 90/Die Grünen wird dem Abkommen in der jetzigen Form nicht zustimmen. Denn allen
Anzeichen nach bedeutet die bisherige Ausrichtung des Abkommens einen enormen Schaden für
Demokratie, Menschenrechte, Umwelt und Verbraucherschutz.
Die Mercosur-Verhandlungen ist ein Symptom einer EU-Handelspolitik, die zu sehr auf den
eigenen kurzfristigen ökonomischen Vorteil bedacht ist, aber Umwelt- und Sozialfragen kaum
berücksichtigt. Dies muss sich ändern. Wir brauchen eine Neuausrichtung der EU-
Handelspolitik, aber auch eine Abkehr von der Exportorientierung in der
Landwirtschaftspolitik.
Die EU muss bei Umwelt- und Sozialstandards mit gutem Beispiel vorangehen und diese auch
über faire Handelsabkommen unterstützen. Bäuerliche Betriebe und die nachhaltige, lokale
Produktion in der EU und in den Partnerländern müssen konsequent gefördert. Wir wollen, dass
sich die EU vehement am Aufbau eines fairen multilateralen Handelssystems beteiligt.
Mehr denn je müssen wir unseren Partner*innen auf Augenhöhe begegnen. Dies darf aber nur
unter Berücksichtigung der Menschen vor Ort und im Sinne des fairen wie auch nachhaltigen
Handels geschehen. Diese Bedingungen erfüllt das Mercosur-Abkommen zum jetzigen Zeitpunkt
nicht – im Gegenteil.
Begründung
Dreckige Geschäfte auf dem Rücken der Schwächsten
Im Dezember 2017 wurden die geheimen Verhandlungsdokumente des Mercosur-Abkommens geleakt. Die Analyse des Texts bestätigt folgende Punkte:
- Schiedsgerichte für Konzerne
Über den Umweg „Niederlassungsfreiheit“ und „Marktzugang“ wird ein einklagbarer Investitionsschutz für Konzerne geschaffen. Umgekehrt können Konzerne aber nicht vor den Schiedsgerichten wegen Menschenrechtsverletzungen oder Umweltsünden verklagt werden.
- Steuerhinterziehung wird legitim
Die Panama Papers haben gezeigt, dass wichtige brasilianische und argentinische Minister ihr Geld in Steuerparadiese deponieren. Das Mercosur-Abkommen legitimiert diese Praxis, da es nichts unternimmt, um Steuerschlupflöcher zu schließen.
- Privatisierung zulasten der Armen
Die EU versucht, die Privatisierung staatseigener Betriebe, z.B. Energieerzeuger, zu erreichen. Damit fiele ein wichtiges Mittel der Armutsbekämpfung weg, die Preise für Strom und Wasser würden steigen. Das würde besonders die arme Bevölkerung schwer treffen.
- Fehlende Nachhaltigkeitsprüfung
Die letzten Abschätzungen zu den Auswirkungen des Abkommens auf Umwelt und Soziales stammen aus den Jahren 2001 und 2009, sind also völlig überholt.
- Ein Fußtritt fürs Klima
Das Pariser Klimaschutzabkommen wird im Text zwar erwähnt, aber durch die EU eingeschränkt: Klimaschutz soll nur dann gelten, „wenn die Nahrungsmittelproduktion dadurch nicht bedroht ist“ - was der Agroindustrie einen breiten Auslegungsspielraum eröffnet. Brasilien und Argentinien wiederum versuchen, Nachhaltigkeitskriterien für Agrotreibstoffe zu schwächen - und die EU hat bisher nicht dagegen protestiert.
- Nachhaltigkeitskapitel ist windelweich
Im Nachhaltigkeitskapitel der geleakten Dokumente sucht man vergeblich nach einer Verankerung des Vorsorgeprinzips. So entsteht ein Einfallstor für Gentechnik, Hormone und andere Umweltgifte. Zudem besteht die Gefahr, das internationale Umweltabkommen dem Freihandel geopfert werden: Denn wenn ein Umweltabkommen nur von einer Seite unterzeichnet wurde, könnte es an Gültigkeit verlieren. Verstöße gegen das Nachhaltigkeitskapitel sind im Gegensatz zu den anderen Kapiteln nicht einklagbar.
- Europa macht sich an moderner Sklaverei mitschuldig
Arbeitsnormen sind Teil des Nachhaltigkeitskapitels und daher nicht einklagbar. Einerseits sollen die landwirtschaftlichen Exporte erhöht werden, andererseits wurde das brasilianische Antisklavereigesetz gelockert: Eine gefährliche Mischung, die aller Voraussicht nach zur Zunahme von moderner Sklaverei führen wird. Blairo Maggi, Brasiliens Landwirtschaftsminister und gleichzeitig einer der größten Sojaproduzenten der Welt, frohlockte, dann man „nun endlich in Ruhe produzieren könne“.
- Alles wird möglich bei Gammelfleisch und Pestiziden
Das geleakte Kapitel zu Umwelt- und Verbraucherschutzstandards ist schwach, neue Fleischskandale sind quasi vorprogrammiert. Auch steht in den Sternen, ob gefährliche Pestizide künftig noch verboten werden können, ohne dass eine Armada von Handelsanwälten zurückschlägt. Wenn es um Gesundheitsfragen geht, sollen Lobbyist*innen in Zukunft ganz offiziell mitentscheiden dürfen.
- Privatisierung des Lebens
In den Kapiteln zu Intellektuellem Eigentum zeichnet sich ab, dass die EU auf die Patentierung von Pflanzenarten drängt. Was hingegen nicht auf der Tagesordnung steht, ist der Technologietransfer und die Freigabe von Patenten im Dienste des Klimaschutzes und der Gesundheitsversorgung.
- Bauernopfer zugunsten der Agroindustrie
Bäuerliche Betriebe in Europa haben schon jetzt mit starkem Preisverfall bei Milch und Fleisch zu kämpfen. Trotzdem möchte die EU-Kommission mehr südamerikanisches Rindfleisch, welches mit gentechnisch verändertem Sojafutter aus ehemaligen Regenwaldgebieten erzeugt wurde, importieren - und hebt sich das Thema als „Joker“ bis ans Ende der Verhandlungen auf.
- Fertigpizza aus Rom in der Schulkantine von Rio
Die EU-Kommission besteht darauf, dass die Vergabe von öffentlichen Aufträgen transatlantisch werden muss. Damit werden die vorbildlichen Programme zur Versorgungvon Schulkantinen mit Lebensmitteln aus regionaler bäuerlicher Landwirtschaft, die von der letzten brasilianischen Regierung eingeführt wurden, hinfällig.
- Der Amazonas wird zur Abholzung freigegeben
Die Mercosur-Länder setzen auf verstärkten Agrarexport. Dafür werden riesige Landstriche plattgewalzt und kleinbäuerliche Gemeinschaften vertrieben. Sie müssen Eukalyptusplantagen oder Sojafeldern weichen - doch oft ist der Boden schon nach wenigen Jahren ausgelaugt, und die Landjäger ziehen weiter.
weitere Antragsteller*innen
- Florian Lessing (Freiburg KV)
- Sabine Witzigmann (Bodenseekreis KV)
- Josef Frey (Lörrach KV)
- Andrea Bogner-Unden (Sigmaringen KV)
- Jochen Detscher (Stuttgart KV)
- Kay Friedrich (Wangen-Allgäu KV)
- Erwin Feucht (Zollernalb KV)
- Wolfgang Moll (Neu-Ulm KV)
- Catherine Kern (Hohenlohe KV)
- Cornelia Furtwängler (Biberach KV)
- Sylvia Kotting-Uhl (Karlsruhe KV)
- Bernd Kern (Hohenlohe KV)
- Josefine Hähl (Hohenlohe KV)
- Sebastian Fietkau (Mannheim KV)
- Silke Holzbog (Ludwigsburg KV)
- Jörg Lange-Eichholz (Biberach KV)
- Susanne Haug (Wangen-Allgäu KV)
- Wilhelm Griese (Hohenlohe KV)
- Beate Müller-Gemmeke (Reutlingen KV)
- Christine Ehm (Waldshut KV)
- Berthold Weiß (Aalen-Ellwangen KV)
- Bernd Murschel (Böblingen KV)
- Andreas Walz (Biberach KV)
- Juliana Wimmer (Berlin-Mitte KV)
- Ernst-Christoph Stolper (Neustadt-Weinstraße KV)
- Jan Michael Bloss (Stuttgart KV)
- Kristin Kosche (Rhein-Lahn KV)
- Gerhard Klünder (Warendorf KV)
- Sibylle C. Centgraf (Berlin-Charlottenburg/Wilmersdorf KV)
- Dorothea Suh (Hamburg-Nord KV)
- Sigrid Pomaska-Brand (Hagen KV)
- Thomas Dyhr (Brandenburg LV)
- Barbara Lochbihler (Ostallgäu KV)
- Ursula Streng (Starnberg KV)
- Barbara Poneleit (Forchheim KV)
- Andreas Müller (Essen KV)
- Erik Sachtleber (Kiel KV)
- Richard Klasen (Ahrweiler KV)
- Friedrich Ostendorff (Unna KV)
Kommentare
Josefine Hähl:
Josefine Hähl:
Josef Hipper:
Michaela Dämmrich:
Michaela Dämmrich KV Stormarn
Hünkar Aras:
Katja Öhlschläger:
Birgit Gerhard-Hentschel: