Veranstaltung: | Außerordentliche Bundesdelegiertenkonferenz |
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Tagesordnungspunkt: | Beschlüsse (vorläufig) |
Antragsteller*in: | Bundesdelegiertenkonferenz (dort beschlossen am: 27.01.2018) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 31.01.2018, 15:22 |
Antragshistorie: | Version 1 |
V-18 Beschluss: Für einen neuen europäischen Aufbruch
Antragstext
Die Europäische Union ist auf Ruinen zweier verheerender Weltkriege von Menschen aufgebaut
worden, die sich noch Jahre zuvor auf dem Schlachtfeld begegnet waren. Ohne Visionen, Ideen
und praktischen Mut wäre dieses Wunder europäischer Einigung niemals möglich gewesen.
Das ist nun sechzig Jahre her. Wir haben weiterhin den festen Willen, einen immer engeren
Zusammenschluss Europas zu schaffen (ever closer Union). Visionen, Ideen, Mut und Weitsicht
braucht es jetzt wieder. Wir brauchen einen neuen Aufbruch. Präsident Macron und Präsident
Juncker haben mit ihren Vorschlägen ein Fenster geöffnet. Ob diese Initiativen Ausgangspunkt
für eine institutionelle und politische Erneuerung der EU werden hängt nicht zuletzt von
Deutschlands Antwort ab. Jetzt muss gehandelt werden. Wir wollen als Bündnis 90/Die Grünen
dazu beitragen, dass Deutschland bei der notwendigen Demokratisierung und Reform der
Eurozone und der Reform europäischer Institutionen eine aktive und partnerschaftliche und
keine blockierende Rolle einnimmt.
Es wäre für Bündnis 90/Die Grünen inakzeptabel, wenn das Fenster der günstigen Gelegenheit
für einen Aufbruch in Europa, das derzeit noch offen steht, sich schließen würde, bevor
Berlin aussage- und handlungsfähig ist. Deshalb wollen wir, dass der Bundestag Initiativen
ergreift, um die ausgestreckte Hand von Präsident Macron und die Impulse aus Europäischem
Parlament und Europäischer Kommission willkommen zu heißen und mit eigenen Beiträgen
partnerschaftlich weiterzuentwickeln.
Für uns ist 2018 das Jahr der europäischen Erneuerung
Als Grüne sind wir geleitet von einer europäischen Vision, die auf vier Zielen fußt. Wir
wollen ein Europa, das die Vielfalt schätzt. Ein Europa, das seine Bürgerinnen und Bürger
schützt. Ein Europa, das Selbstbestimmung stärkt. Ein Europa, das die globale ökologische
Transformation anpackt, das Frieden achtet und Menschenrechte in der Welt stärkt .
Vielfalt schätzen, das thematisiert kulturelle Diversität, die Genderfragen, die Rechte von
Minderheiten, den Umgang mit Flüchtlingen, die zu uns kommen, das Prinzip der Subsidiarität
und eine Kultur des Respekts. Die Bürger zu schützen, durch Solidarität, das meint das
Ernstnehmen und den Ausbau der sozialen Säule der EU, das meint Sicherheit nach innen und
nach außen, es meint das Zurückschneiden übermächtiger Lobbyinteressen; es meint auch Daten-
und Verbraucherschutz, fairen Außenhandel und verantwortliche Klimapolitik.
Steuergerechtigkeit ist ein wichtiger Baustein dieser Transformation. Entsolidarisierung zu
Lasten des Gemeinwohls bekämpfen wir. Die Stärkung von Selbstbestimmung will mehr
Demokratie, die Gewährleistung des Rechtsstaates, die Sicherung der Menschen- und
Bürgerrechte, gerade auch in Zeiten der digitalen Revolution. Selbstbestimmung stärken
heißt, den autoritär-nationalistisch-populistischen Bewegungen konsequent entgegentreten. Es
heißt auch, nicht zuzulassen, dass immer mehr Menschen sich in der Demokratie nicht mehr
beheimatet finden, weil sie nicht sehen, dass sie selbst etwas bewegen können oder
wenigstens repräsentiert werden, weil sie glauben, dass sie im Prozess von Globalisierung,
Digitalisierung und Europäisierung abgehängt sind. Die ökologische Transformation, der
"Green New Deal", thematisiert nicht nur Klimapolitik, Energiepolitik, Landwirtschaft oder
Verkehr. Sie adressiert auch die Frage der sozialen Gerechtigkeit, eines fairen Übergangs
und die Frage der ökonomischen Perspektiven, einschließlich des Kampfes für Markt- statt
Machtwirtschaft. Und sie thematisiert unsere internationale Verantwortung bei der
ökologischen Transformation. Es heißt, internationale Institutionen zu stärken, etwa die
UNO. Kein Land ist allein in der Lage, internationalen Herausforderungen erfolgreich zu
begegnen. Es heißt, endlich eine restriktive Rüstungsexportpolitik zu betreiben und durch
eine gerechtere Gestaltung der Globalisierung allen Staaten Wohlstand zu ermöglichen. Die EU
muss verstärkt auf zivile Krisenprävention, Abrüstung und Multilateralismus setzen.
Alle diese Fragen diskutieren und verfechten Bündnis 90/Die Grünen seit langem. Wir wollen
sie bewusst europäisch ansprechen. Deshalb werden der Bundesvorstand und die Landesvorstände
von Bündnis 90/Die Grünen aufgefordert, im ersten Halbjahr 2018 bundesweit und
kampagnenmäßig „europäische Dialoge“ über die Gestaltung der Zukunft der EU zu organisieren.
Diese Bemühungen haben das Ziel, die europäische Politik demokratischer und die deutsche
Politik europäischer zu machen. Dazu soll gezielt die Zusammenarbeit mit
zivilgesellschaftlichen Gruppen, mit Verbänden oder auch mit anderen Parteien gesucht
werden. Ziel ist es, die Ergebnisse der europäischen Dialoge in die parlamentarische Arbeit
und das Europawahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen sowie das Wahlmanifest der Europäischen
Grünen Partei einzuspeisen. Die Abgeordneten auf Landes-, Bundes- und Europaebene werden
gebeten, sich aktiv in diese Dialoge einzubringen. Nach Möglichkeit wollen wir europäische
Partner in unsere Diskussionen einbeziehen, ob es Vertreter*innen anderer grüner Parteien
sind oder Vertreter*innen von Partnerstädten und Partnerhochschulen oder von
Partnerunternehmen in anderen Ländern. Wir wollen rechtzeitig vor dem Europawahlkampf auch
diskutieren, wie wir den so führen können, dass dabei für die Bürgerinnen und Bürger neues
Engagement, neues Vertrauen und mehr demokratische Selbstbestimmung möglich werden.
Ziel ist es, in diesen Diskussionen mit den Bürgerinnen und Bürgern Prioritäten zu
erarbeiten. Ideal wäre es, wenn wir am Schluss zu einem 10-Punkte-Programm kämen, wie wir es
in der Bundestagswahl hatten.
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