Veranstaltung: | 45. Bundesdelegiertenkonferenz Karlsruhe |
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Tagesordnungspunkt: | GSP-G Werte, die uns einen |
Status: | Beschluss (vorläufig) |
Beschluss durch: | Bundesdeligiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 21.11.2020 |
Eingereicht: | 22.11.2020, 15:24 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Grundwerte: Die Werte, die uns einen
Beschlusstext
Grundwerte: Die Werte, die uns einen
(1) Im Mittelpunkt unserer Politik steht der Mensch in seiner Würde und Freiheit. Jeder
Mensch ist einzigartig und frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Die universellen
und unteilbaren Menschenrechte sind Anspruch und Maßstab unserer Politik.
(2) Die Werte, die unsere Politik tragen, sind Ökologie, Gerechtigkeit, Selbstbestimmung,
Demokratie und Frieden. Dieses Fundament bildet für uns die Grundlage für eine solidarische
Gesellschaft, in der sich die Freiheit der und des Einzelnen auch in der Achtung der Anderen
als Gleiche sowie in ihrer Würde und Freiheit entfaltet.
(3) Diese Werte, die auf dem Prinzip der Menschenwürde beruhen, ergänzen sich nicht nur, sie
stehen mitunter auch im Widerstreit. Werteorientierte Politik braucht Beteiligung, also
Gespräch und Streit, Gestaltung und Erneuerung. Nur ein geschlossenes Weltbild kennt keine
Widersprüche. Wissenschaftliche Erkenntnisse geben uns Orientierung und sind Richtschnur
guter Politik. Eine demokratische Gesellschaft realisiert sich weder in Werte- oder
Regellosigkeit noch in starren Dogmen, sondern indem das Verhältnis von Werten und
Perspektiven zueinander immer wieder konkret ausverhandelt wird. Das ist grundlegende
Voraussetzung für die Legitimität von Politik.
(4) Politik gestaltet die Wirklichkeit im Heute für das Morgen und im Bewusstsein für das
Gestern. Ohne Woher kein Wohin. Wir blicken nach vorne im Wissen sowohl um die geglückten
Erfahrungen als auch um die Schuld und das Grauen in unserer Geschichte. Als Europäer*innen
handeln wir im Bewusstsein einer Verantwortung für globale Gerechtigkeit auf Grundlage der
Bürger*innen- und Menschenrechte, wie sie sich in der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte sowie im Grundgesetz und der EU-Grundrechtecharta manifestieren. Die Lehren
aus den Menschheitsverbrechen des Nationalsozialismus sind uns Verpflichtung.
(5) Unsere Politik richtet sich an alle Menschen. Wir verstehen uns als Bündnispartei, die
auf der Grundlage gemeinsamer Überzeugungen offen ist für unterschiedliche Erfahrungen,
Vorstellungen und Ansätze. Sie orientiert sich nicht an der Summe einzelner Interessen oder
einzelner Gruppen, sondern verbindet verschiedene Interessen zu einer gemeinsamen Vision für
eine bessere Zukunft. Das kann anstrengend sein, denn es bedeutet auch Macht- und
Verteilungsfragen zu stellen, gewachsene Strukturen zu verändern, Widerstände zu überwinden
und um Alternativen zu ringen, aber nur so entsteht aus den vielen verschiedenen Erfahrungen
und Ideen Neues.
(6) Jede Zeit hat ihre Aufgabe. Die Aufgabe unserer Zeit ist, eine krisenfeste Gesellschaft
demokratisch und nachhaltig zu gestalten. Dazu sind Wohlstand im Sinne von Klimaneutralität,
Vorsorge und Gerechtigkeit sowie globaler Verantwortung neu zu definieren und die Politik
ist darauf auszurichten. Um Krisen zu meistern, braucht es Zusammenhalt – in einer
Gesellschaft, die allen Bürger*innen die gleichen Rechte und Möglichkeiten gewährt, die
Wohlstand gerecht verteilt, die die Unterschiedlichkeit von Menschen und Regionen als Stärke
und Wert begreift, die die Rechte und Teilhabe von Minderheiten schützt und fördert sowie
Spannungen durch Respekt ausgleicht. Wir streben nach einem solidarischen, gemeinsamen Wir
in einer vielfältigen Gesellschaft.
Ökologie
(7) Die Umwelt zu schützen und zu erhalten, ist Voraussetzung für ein Leben in Würde und
Freiheit. Sauberes Wasser und saubere Luft, Artenvielfalt und fruchtbare Böden sind
notwendige Bedingungen für unsere Entfaltungsfreiheit und Emanzipation. Eine Politik, welche
die natürlichen Lebensgrundlagen schützt, erhält die Möglichkeit zur Selbstbestimmung für
uns und künftige Generationen. Das 21. Jahrhundert ist das Zeitalter des Anthropozän. Darin
ist der Mensch zum entscheidenden Einflussfaktor dafür geworden, wie sich unsere Erde
verändert. Die Natur braucht uns nicht. Wir Menschen brauchen sie als Teil von ihr.
(8) Das Wissen um die planetaren Grenzen ist Leitlinie unserer Politik. Die Menschheit
überschreitet derzeit durch ihr Handeln die ökologischen Belastungsgrenzen in Bereichen wie
Artenvielfalt, Klimaerhitzung oder Meeresversauerung und gefährdet so die Stabilität der
Ökosysteme und die Lebensgrundlagen der Menschen. Es ist unsere Aufgabe, uns durch sozialen,
wirtschaftlichen und technologischen Fortschritt zum Wohle der Menschen so nachhaltig
weiterzuentwickeln, dass wir unsere Lebensgrundlagen bewahren.
(9) Wir haben nur diese eine Erde, in ihrer Schönheit und natürlichen Vielfalt. Menschen
sind nicht die einzigen Lebewesen, die fühlen und empfinden. Daher ist es Pflicht für uns
Menschen, das Wohl von Tieren und die gesamte lebendige Natur um ihrer selbst willen zu
schützen.
(10) Eine intakte Umwelt ist Voraussetzung für Gesundheit. Der Erhalt unserer natürlichen
Lebensgrundlagen und die Maßnahmen zur Eindämmung der Klimakrise verhindern massive
Gesundheitsschäden und schützen im Sinne der Vorsorge die Gesundheit zukünftiger
Generationen.
(11) Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt. Ziel einer nachhaltigen Entwicklung
ist auch die ökologische Gerechtigkeit zwischen den Generationen. Es ist unsere
Verpflichtung, nachfolgenden Generationen faire Handlungsspielräume und
Entscheidungsfreiheiten zu ermöglichen.
(12) Die Klimakrise und Zerstörung unserer Lebensgrundlagen verschärft bestehende
Ungleichheiten und trifft damit insbesondere Frauen. Ökologische Maßnahmen müssen von Frauen
und marginalisierten Gruppen wie zum Beispiel der indigenen Bevölkerung mitgestaltet werden.
Nachhaltigkeit braucht Geschlechtergerechtigkeit und inklusive Beteiligung.
(13) Unter der Zerstörung der Natur leiden diejenigen früher und am stärksten, die dazu am
wenigsten beitragen und ihr am wenigsten entgehen können. Wo reiche Menschen sich noch
teilweise anpassen können, spüren ärmere die Folgen mit brutaler Härte. Umwelt- und
Klimapolitik sind eine Voraussetzung für soziale Gerechtigkeit. Jedoch können ökologische
Maßnahmen in Widerspruch zu sozialen Interessen geraten. Daher muss ökologische Politik
soziale Interessen immer miteinbeziehen.
(14) Wir denken Ökologie global. Ein Leben in Würde und Freiheit bedeutet ein Recht aller
Menschen auf Selbstbestimmung und Teilhabe. Globale Umweltgerechtigkeit nimmt die
historische Verantwortung der Industriestaaten für die Zerstörung der Umwelt in den Blick.
Deshalb sind wir in der Pflicht, die ökologischen und sozialen Kosten unseres Wirtschaftens
zu reduzieren, statt sie in andere Weltregionen zu verlagern, sowie diejenigen zu
unterstützen, die schon heute stark von Umweltzerstörungen betroffen sind und das in Zukunft
noch stärker sein werden.
(15) Eine nachhaltige Wirtschaftsweise schützt nicht nur Lebensgrundlagen, sondern erhöht
auch Wohlstand und Lebensqualität. Das erfordert eine grundlegende Dekarbonisierung unserer
Wirtschaft und unserer Lebensweise, für die in den kommenden Jahrzehnten erhebliche
Investitionen notwendig sind.
(16) Der Weg in eine ökologische Zukunft sichert Demokratie und Selbstbestimmung für heute
und für künftige Generationen. Sonst verlieren wir, was wir mit dem Klima schützen: Freiheit
und Würde. Demokratische Verfahren bringen die Kreativität und den gesellschaftlichen
Zusammenhalt hervor, die es zur Bewältigung der ökologischen Krisen braucht.
Gerechtigkeit
(17) Die Würde und Freiheit des Menschen werden in einer gerechten und solidarischen
Gesellschaft verwirklicht. Solidarität schafft gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Gerechtigkeit heißt für uns gleiche und größtmögliche Freiheit für alle. Sie ist die
Grundlage für ein gutes Leben.
(18) Jede*r Mensch muss vor Armut geschützt sein, denn Armut kann kein akzeptierter Teil
einer gerechten Gesellschaft sein. Doch soziale Gerechtigkeit bedeutet mehr als ein Leben
ohne Armut: Jeder hat das Recht auf materielle Sicherheit und gesellschaftliche, politische
und kulturelle Teilhabe sowie ein Leben ohne Existenzangst. Dafür braucht es einen starken
Sozialstaat, der die Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes, glückliches Leben schafft,
Teilhabe aktiv ermöglicht und dafür sorgt, dass niemand durchs Raster fällt.
(19) Eine gerechte Gesellschaft ermöglicht, gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben
teilzunehmen. Das verlangt starke öffentliche Räume und Institutionen – gute Kitas,
Kindergärten und Schulen, Hochschulen, Schwimmbäder und Sportplätze, Bibliotheken und
Theater, einen gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr, Breitbandanschlüsse für alle,
leistbaren Wohnraum, gute gesundheitliche Versorgung und gleichwertige Lebensverhältnisse in
der Stadt und auf dem Land. In Zeiten der Individualisierung, in der sich viele Menschen
einsam fühlen, sind solche Orte von besonderer Bedeutung.
(20) Die Finanzierung einer starken Daseinsvorsorge ist öffentliche Aufgabe.
(21) Gute, inklusive und diskriminierungsfreie Bildung ist Voraussetzung für Gerechtigkeit.
Wir brauchen ein ganzheitliches und am Menschen orientiertes Bildungssystem, das nicht außer
Acht lässt, dass Menschen nicht über die gleichen Voraussetzungen verfügen. Das Vertrauen,
dass wir die Zukunft für uns und die Generationen nach uns ermöglichen und gestalten können,
ist ein notwendiger Antrieb für gesellschaftlichen Fortschritt.
(22) Eine Gesellschaft ist dann sozial, wenn Wohlstand, Ressourcen und Macht gerecht
verteilt sind. Unregulierter Kapitalismus produziert Ungleichheit und Machtkonzentration. Zu
große Ungleichheit bedroht den Zusammenhalt der Gesellschaft und damit einen Pfeiler der
Demokratie. Aufgabe von Politik ist es, solche Ungleichheit zu vermeiden und durch
Regulierung, Investitionen und Steuern Ungleichheit zu reduzieren und einen Ausgleich zu
schaffen. Große Vermögen und hohe Einkommen bringen soziale Verpflichtungen mit sich.
(23) Alle Menschen sollen unabhängig vom Geschlecht an der Gesellschaft teilhaben können.
Gerechtigkeit bedeutet, dass bezahlte und unbezahlte Arbeit, Einkommen, Zugang zu Bildung,
Eigentum und Zeit zwischen den Geschlechtern gerecht verteilt sind.
(24) Ohne die staatliche Garantie für diskriminierungsfreie und gleiche Rechte, Zugänge und
Teilhabe für alle ist Gerechtigkeit nicht herstellbar. Das heißt auch, dass die Bekämpfung
von Rassismus und allen Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, auch in ihrer
Verschränkung, grundlegende Aufgabe von Staat und Gesellschaft ist. Eine Gesellschaft ist
dann gerecht, wenn auch Menschen mit jedweder Form der Behinderung in allen Bereichen des
gesellschaftlichen Lebens teilhaben können.
(25) Soziales und ökologisches Wirtschaften schafft Innovation und Fortschritt und trägt so
zu einer gerechten Gesellschaft bei. Dafür braucht es gemeinsame Regeln, die fairen
Wettbewerb ermöglichen, die Konzentration von Macht verhindern und Verbraucher*innen-Rechte
schützen. Eine am Gemeinwohl orientierte, sozial-ökologische Marktwirtschaft setzt auf
Sozialpartnerschaft und schafft gute, nachhaltige Arbeit. Sie trägt dazu bei, dass Menschen
sich verwirklichen können, Informationen effektiv genutzt werden, Wohlstand zum Wohle aller
und nicht auf Kosten zukünftiger Generationen entsteht und die Versorgung mit grundlegenden
Gütern gewährleistet ist.
(26) Um globale Gerechtigkeit zu ermöglichen und die Universalität der Menschenrechte zu
verteidigen, muss das Weltwirtschaftssystem ein sozial-ökologisches werden, das nach
demokratischen Regeln organisiert ist und auf der Grundlage von gleichberechtigter
Kooperation und Solidarität und nicht auf Dominanz beruht.
Selbstbestimmung
(27) Menschen begegnen sich als Gleiche – in ihren Rechten und ihrer Würde. Selbst über das
eigene Leben bestimmen zu können, macht die Würde und Freiheit eines Menschen aus. Politik
hat die Aufgabe, die Freiheit und das Recht zur Selbstbestimmung zu schützen. Sie erkennt
Unterschiede an und verhindert undemokratische und damit ungerechtfertigte Herrschaft.
Voraussetzung für Selbstbestimmung, Freiheit und eine freie Entfaltung ist eine
Gesellschaft, in der weder der soziale Status, das Geschlecht oder die Herkunft noch die
Religion oder Weltanschauung oder äußere Merkmale noch rassistische Zuschreibungen, das
Alter oder eine Behinderung noch die sexuelle Orientierung oder die sexuelle Identität einen
Einfluss darauf haben, wer dazugehört und wer nicht. Freiheit muss gesellschaftlich aktiv
ermöglicht werden.
(28) Selbstbestimmtes Leben ist auf soziale, rechtliche, demokratische und ökologische
Voraussetzungen angewiesen, für welche Politik den Rahmen setzen muss. Sonst bleibt es das
Privileg weniger. Freie Entfaltung und aktive Teilhabe brauchen eine gute und barrierefreie
Infrastruktur, finanzielle Absicherung, Sicherheit und Schutz vor Gewalt und Kriminalität.
Informationelle Selbstbestimmung und informationstechnische Sicherheit sind im digitalen
Zeitalter zu garantieren.
(29) Die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen ist Voraussetzung für den
gesellschaftlichen Zusammenhalt und für die individuelle Selbstbestimmung. Eine inklusive
Gesellschaft schafft Strukturen, die allen Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit und
Vielfalt Teilhabe und Partizipation ermöglichen.
(30) Selbstbestimmtes Leben setzt wirtschaftliche Freiheit voraus. Die Freiheit, den Beruf
zu wählen, Verträge zu schließen, als Verbraucher*innen selbstbestimmte Entscheidungen
treffen zu können und ein Gewerbe oder Unternehmen zu gründen, gehört dazu. Alle haben das
Recht, in einer Gewerkschaft für gute Arbeitsbedingungen und Löhne zu kämpfen.
Wirtschaftliche Freiheit gewährleistet Eigentumsfreiheit, die sozial verpflichtet und sie
beinhaltet einen wirkungsvollen Schutz vor Diskriminierung.
(31) Damit sich alle mit ihren Stärken und Schwächen selbstbestimmt entfalten können,
braucht es eine solidarische Gesellschaft. In einer Welt, in der die Anforderungen an jede*n
Einzelne*n steigen, in der alle immer schneller, anpassungsfähiger und immer besser sein
sollen, darf es auch Langsamkeit und Schwäche geben und sollte jede*r vor schädlichem Druck
geschützt werden. Jeder Mensch verdient Wertschätzung und Anerkennung für seine
individuellen Lebensentscheidungen, solange sie nicht zulasten der Rechte Dritter gehen und
nicht gegen die verfassungsgemäße Ordnung verstoßen.
(32) Freiheit bedeutet Verantwortung für sich selbst und für andere. Sie ist ein
individuelles wie auch ein gesellschaftliches Gut. Freiheit fordert zum wechselseitigen
Respekt heraus und verlangt uns allen etwas ab. Freiheit und Selbstbestimmung finden ihre
Grenze dort, wo durch sie anderen Menschen und zukünftigen Generationen diese genommen
werden. Nur demokratische und rechtsstaatliche Verfahren können die Einschränkung von
Freiheit und Selbstbestimmung legitimieren. Neue Technologien müssen Freiheit schützen und
dürfen sie nicht gefährden.
(32 b) Zur Selbstbestimmung gehört die Anerkennung und der Schutz kultureller Vielfalt
einschließlich religiöser Vielfalt sowie der Freiheit, keine Religion zu haben.
(33) Eine gleichberechtigte Gesellschaft ist eine, in der alle Menschen selbstbestimmt über
ihr Leben und ihren Körper entscheiden können. Dieses Recht muss auch für Frauen und Mädchen
gelten und setzt die Emanzipation von Verhältnissen der Unterdrückung und eine gemeinsame
eindeutige Haltung gegen geschlechtsspezifische Gewalt voraus. Wir stehen an der Seite von
Mädchen und Frauen sowie von trans* und inter* Menschen, die global für ihr
Selbstbestimmungsrecht streiten.
(34) Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Sie haben eigene Rechte auf Förderung ihrer
Entwicklung, auf Schutz, Teilhabe, Gehörtwerden und Bildung. Selbstbestimmung ist nur
möglich, wenn allen Kindern und Jugendlichen gleiche Chancen gegeben werden.
Demokratie
(35) Demokratie heißt gleiche politische Freiheit für alle. Die Demokratie lebt von
Voraussetzungen, die sie selbst nicht garantieren kann. Deshalb braucht sie Demokrat*innen.
Demokratie steht nie still. Sie entwickelt sich immer weiter. Demokratie ist die Staatsform,
die zur Selbstkorrektur in der Lage ist.
(36) Demokratie ist mehr als die Herrschaft der Mehrheit, denn sie garantiert den Schutz von
Menschen-, Freiheits- und Minderheitenrechten auf Grundlage eines liberalen Rechtsstaates.
Auch die wehrhafte Demokratie braucht Bürger*innen, die sie aktiv verteidigen und ihr immer
wieder neue Kraft geben. Das ist der beste Schutz gegen die Zerstörung von innen.
(37) In einer Demokratie verhandeln Menschen gemeinschaftlich ihre Zukunft und entscheiden
über die ihr Leben betreffenden Belange gemeinsam. Demokratie ist anstrengend. Sie braucht
respektvollen Streit genauso wie den Kompromiss. Demokratie braucht Freiheit, sie muss
Bürger*innen- und Menschenrechte garantieren und ist sogleich an soziale Voraussetzungen und
Solidarität gebunden.
(38) Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit sind das Fundament einer demokratischen
Gesellschaft. Der Staat als Inhaber des Gewaltmonopols muss gewährleisten, dass die Menschen
Zugang zu einer unabhängigen Justiz haben, um ihre Rechte gegen andere, aber auch gegen den
Staat selbst ohne Gewalt durchsetzen zu können.
(Neu38b) Der Schutz, die Förderung und die Gewährleistung der Menschenrechte sind zwingende
Voraussetzung für Demokratie.
(39) Wir stehen für eine inklusive, vielfältige Demokratie. In einer diversen Gesellschaft,
in der vielfältige Perspektiven zusammenkommen und sich Gehör verschaffen, sehen wir die
Aufgabe, Unterschiede anzuerkennen, Nachteile auszugleichen, strukturelle Benachteiligungen
zu überwinden und somit Gleichberechtigung zu schaffen. Das ist die Grundlage für die
wechselseitige Anerkennung als Gleiche in einer vielfältigen Gesellschaft. Demokratie
ermöglicht ein gesellschaftliches Wir, das nicht in Partikularinteressen auseinanderfällt.
Sie wird reicher durch den Respekt vor verschiedenen Erfahrungen.
(40) Allen Geschlechtern kommt in der Demokratie gleiche Gestaltungs- und Entscheidungsmacht
zu. Die Partizipation aller Geschlechter, auch, inter-, trans- und non-binären Personen,
setzt Geschlechtergerechtigkeit und durchlässige Strukturen voraus. Um Frauen an allen
demokratischen Prozessen gleichberechtigt zu beteiligen, braucht es Parität.
(41) Demokratie ist eine öffentliche Angelegenheit. Der demokratische Meinungsstreit braucht
eine starke und lebendige Zivilgesellschaft, Engagement und Bürger*innen-Beteiligung, starke
und freie Medien, Kultur, Künste und Wissenschaft, gute Bildungseinrichtungen und starke
öffentliche Begegnungsräume sowie betriebliche Mitbestimmung auf Augenhöhe. Für die offene
Auseinandersetzung nach klaren Regeln braucht Demokratie immer wieder Innovationen und
Parteien, in denen sich Menschen zusammenfinden, um Meinungen zu bündeln und sich mit
Programmen und Haltungen der öffentlichen Debatte und der Entscheidung zu stellen.
(42) Demokratie ist darauf angewiesen, dass sich Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft
einmischen und repräsentiert sehen. Demokratie braucht Zugänge und auch direkte Beteiligung,
um die unterschiedlichen Perspektiven und Positionen in den demokratischen Prozess
einbringen zu können.
(43) Demokratie beruht auf nachvollziehbaren Entscheidungswegen und auf Transparenz über
Einflussnahme – etwa durch Unternehmen, Lobbyismus oder andere Staaten. Ein zu starker
Einfluss bestimmter Gruppen und ökonomischer Interessen untergräbt das Primat der Politik
und muss eingegrenzt werden. Politik entscheidet im Sinne des Gemeinwohls über
wirtschaftliche Rahmenbedingungen, sie findet ausgleichend Wege, alle Stimmen zu hören und
sichert so die
Eigenständigkeit und Glaubwürdigkeit politischen Handelns.
(45) Der Föderalismus in Deutschland ist eine Lehre aus dem düstersten Kapitel unserer
Geschichte und verhindert zentralstaatliche Übergriffe auf die Bürger*innen-Rechte. Er
verpflichtet zur Kooperation. Das Zusammenspiel von Bund, Ländern und Kommunen sichert
demokratische und soziale Stabilität. Es stärkt vielfältige Regionen und sorgt für eine
nahbare, ansprechbare Politik. Im Streben nach gleichwertigen Lebensverhältnissen tragen
Bund und Länder gemeinsame Verantwortung.
(46) Für unser Land ist die europäische Integration konstitutiv – sie zu einer Föderalen
Europäischen Republik weiterzuentwickeln ist Voraussetzung, um globale Fragen ökologisch,
sozial und demokratisch mitgestalten zu können.
(46 b) Demokratie ist weltweit die Bedingung dafür, dass Menschen selbstbestimmt leben
können. Internationale Solidarität von Demokrat*innen gegen autoritäre Herrschaft und jede
Form totaler Unterdrückung stärkt Demokratie global.
Frieden
(47) Gelebte Freiheit und garantierte Würde benötigen Frieden. Das Zusammenleben der
Menschen fußt auf der Fähigkeit, Konflikte gewaltfrei und friedlich zu lösen und die
Menschenrechte aller zu wahren. Wo Gewalt friedliche Politik verneint, können Menschenrechte
und Gewaltfreiheit in Konflikt geraten. Wir setzen auf die Mittel der Politik, die dem Geist
der Kooperation in globaler Verantwortung entsprechen.
(48) Würde, Freiheit und Gleichheit ergeben sich aus der Universalität und Unteilbarkeit der
Menschenrechte. Die verbrieften Menschenrechte sind nicht verhandelbar – weder gegenüber
machtpolitischen oder wirtschaftlichen Interessen noch gegenüber einem kulturellen
Relativismus. Die Würde jedes Menschen ist unantastbar. Dies zu gewährleisten ist
Verpflichtung nationaler und internationaler Politik. Wir tragen als internationale
Gemeinschaft Verantwortung, gegen schwerste Menschenrechtsverletzungen und Völkermord im
Rahmen der Vereinten Nationen vorzugehen.
(49) Gewaltfreiheit ist mehr als die Nichtanwendung physischer Gewalt, Frieden mehr als die
Abwesenheit von Krieg. Der Einsatz für eine Kultur der Gewaltfreiheit umfasst als wichtige
Querschnittaufgabe weit mehr als den Bereich der Außenpolitik. Kooperation, Dialog,
demokratischer Ausgleich von Interessen, Abrüstung und die Stärke des Rechts, genauso
Multilateralismus, internationale Partnerschaft und europäische Einigung sind der Weg, um
globale Herausforderungen, vor denen die Menschheit als Ganzes steht, zu bewältigen. Ziel
bleibt, durch eine Politik für Gewaltfreiheit, mittel- und langfristig die politische
Institution des Krieges zu überwinden.
(50) Frauenrechte sind Menschenrechte. Die Verwirklichung von Frauen- und
Minderheitenrechten, wie zum Beispiel die Rechte von inter- und transgeschlechtlichen
Menschen, der Schutz vor geschlechtsspezifischer, rassistscher und anderer
menschenfeindlicher Gewalt, Verfolgung und Diskriminierung sowie eine aktive Unterstützung
und das Empowerment von Mädchen, Frauen und anderen marginalisierten Gruppen in allen
Bereichen sollen die internationale Politik leiten.
(51) Das vereinigte Europa, als einzigartiges Friedensprojekt entstanden, hat eine
Mitverantwortung für Frieden weltweit. Gegen autoritären Nationalismus ist das Versprechen
Europas auf Frieden, Freiheit, Demokratie, Solidarität, Gerechtigkeit, Stabilität,
ökologische Verantwortung und Menschenwürde wichtiger Anker multilateraler und
menschenrechtsbasierter Politik in der Welt. Es gilt auch in der EU-Außen- und
Nachbarschaftspolitik.
(52) Internationale Solidarität sowie Verantwortung für unser historisches und heutiges
Handeln bestimmen unsere Politik. Unser Ziel ist eine weltweite Ordnung mit internationalen
Institutionen. Sie soll Frieden, Gerechtigkeit und Freiheit sichern, globale Ungleichheit
und Armut verringern, den gleichberechtigten Zugang zu globalen Gemeingütern ermöglichen,
internationalen Austausch und nachhaltige Konnektivität stärken, Demokratie fördern, die
gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Minderheitengruppen garantieren, die verbrieften
Menschenrechte aller Migrant*innen und das Klima schützen sowie die Einhaltung der
planetaren Grenzen ermöglichen, so wie es in den Zielen für nachhaltige Entwicklung der
Vereinten Nationen vereinbart ist.
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