Antrag: | Kapitel 8: International zusammenarbeiten |
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Antragsteller*in: | BAG Globale Entwicklung (dort beschlossen am: 26.09.2020) |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Erledigt durch: GSP.B-01-007 |
Eingereicht: | 08.10.2020, 15:26 |
GSP.I-01-280-2: Kapitel 8: International zusammenarbeiten
Verfahrensvorschlag zu GSP.B-01-007: Antragstext
Von Zeile 10 bis 12 einfügen (GSP.B-01: Kapitel 7: In Bildung investieren):
für gesellschaftliche Weiterentwicklung. Das Bildungssystem muss Kinder, Jugendliche und alle Lernenden befähigen, eine selbstbestimmte und nachhaltige Zukunft zu gestalten, die von Unwägbarkeiten, Klimakrise, digitalem Wandel und sozialen Veränderungen geprägt sein wird. Als Schlüssel für Gestaltungskompetenz soll Bildung für nachhaltige Entwicklung auf allen Bildungsebenen verankert sein.
Kapitel 7: In Bildung investieren
Recht auf Bildung
(304) Bildung ermöglicht es Menschen, ihr Leben eigenverantwortlich und selbstbestimmt zu
gestalten. Bildung befähigt Menschen dazu, ihre Potentiale und Interessen zu entwickeln und
offen für neue Erkenntnisse und Erfahrungen zu bleiben. Das Recht auf Bildung ist ein Recht
auf Selbstbestimmung, Mündigkeit und gesellschaftliche Teilhabe.
(305) Das Bildungssystem fördert Zukunftskompetenzen – Kooperation, Kommunikation,
Kreativität, kritisches Denken. Und es muss Freiheit lassen für neue Ideen und
Lernerfahrungen aller Beteiligten. Ein gleichberechtigter Zugang zu Bildung ist Grundlage
für gesellschaftliche Weiterentwicklung. Das Bildungssystem muss Kinder, Jugendliche und
alle Lernenden befähigen, eine selbstbestimmte und nachhaltige Zukunft zu gestalten, die von Unwägbarkeiten, Klimakrise,
digitalem Wandel und sozialen Veränderungen geprägt sein wird. Als Schlüssel für Gestaltungskompetenz soll Bildung für nachhaltige Entwicklung auf allen Bildungsebenen verankert sein.
(306) Das Bildungssystem soll zu ganzheitlichem Denken, zu nachhaltigem Handeln und zu
verantwortungsvollem Entscheiden befähigen und Menschen die selbstbestimmte Teilhabe an der
Gesellschaft ermöglichen. Es ist damit die Grundlage für eine freie und demokratische
Gesellschaft. Das heißt auch, gesellschaftliche und technologische Entwicklungen einordnen
zu können, um nicht Fake News oder Verschwörungstheorien zu erliegen. Kitas und Schulen
sollen Orte sein, an denen Kinder und Jugendliche Wertschätzung erfahren, demokratisches
Zusammenleben praktisch erleben und mitbestimmen können. Rollenbilder und
Geschlechternormen, rassistische, diskriminierende sowie Dominanzstrukturen müssen in allen
Bildungseinrichtungen reflektiert und daher auch in der Ausbildung pädagogischer Berufe
thematisiert und kritisch hinterfragt werden.
(307) Gute Bildung zeichnet sich dadurch aus, dass sie bestehende Ungleichheiten nicht
zementiert, sondern sie überwinden hilft. Es ist staatliche Aufgabe, ungleiche
Startbedingungen aufgrund von sozialen Benachteiligungen, dem Wohn- und Lebensumfeld, von
Diskriminierung oder Sprachvoraussetzungen auszugleichen. Ziel ist, dass alle jungen
Menschen bestmögliche Bildungsabschlüsse unabhängig vom Bildungsgrad und Einkommen ihrer
Eltern erwerben. Unser Bildungssystem soll an die internationale Spitzengruppe
anschlussfähig werden. Dafür ist wesentlich, sicherzustellen, dass alle Jugendlichen mit
Verlassen der Schule über eine ausreichende Qualifikation in Schlüsselkompetenzen verfügen.
Gleichzeitig soll die Begabungsförderung ausgebaut werden.
(308) Bildung ist die wichtigste Grundlage für gute Entwicklungschancen im Leben und trägt
maßgeblich dazu bei, dass Menschen in der modernen Arbeitswelt ihren Platz finden. Ein
starkes Bildungssystem ist zugleich zentral für die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes.
Kita und Schule
(309) Die Grundlagen für einen guten Bildungsweg werden in der frühen Kindheit gelegt.
Unterschiede bei den sozialen Voraussetzungen werden vor allem durch eine qualitativ
hochwertige frühkindliche Bildung ausgeglichen. Das stellt neue Anforderungen an das
pädagogische Fachpersonal in den Kitas, weswegen es überall im Land gute Personalschlüssel
und verbindliche Qualitätsstandards braucht. Um den unterschiedlichen Bedarfen der Kinder
gerecht zu werden, arbeiten Menschen unterschiedlicher Qualifikationen in Teams. Um der
Individualität von Kindern gerecht zu werden, ist eine gute Personalausstattung bei
angemessener Bezahlung sicherzustellen.
(310) Der Ganztag an Schulen soll nicht nur Wissen vermitteln, sondern soziale Kompetenzen
und das Miteinander fördern sowie eine stärkere Verknüpfung zwischen Lernen, Erfahren und
Erforschen gewährleisten. So können gezielt soziale und kulturelle Benachteiligungen
überwunden werden. Die individuelle Förderung der Kinder je nach Potentialen ist
entscheidend, deshalb sind Klassengrößen auf unter 20 Kinder zu reduzieren oder größere
Gruppen mit zusätzlicher Unterstützung auszustatten. Auf den Ganztag soll es einen
Rechtsanspruch geben.
(311) Bildungspolitik und Sozialpolitik gehören zusammen. Bildungsorte müssen
dementsprechend eingebettet sein in Netzwerke sozialer Unterstützungsleistungen, die das
Leben von Kindern und Jugendlichen ganzheitlich betrachten, passgenaue Hilfen anbieten und
verhindern, dass Einzelne den Anschluss verlieren.
(312) Die Finanzierung des Bildungssystems ist eine zentrale Aufgabe für eine
zukunftsgewandte Gesellschaft und Voraussetzung für Gerechtigkeit. Denn Vermögen und
Bildungszugang hängen immer noch besonders stark zusammen. Bund und Länder sollen deshalb
die höhere Besteuerung von Vermögen bzw. Erbschaften zur besseren Ausstattung eines
Bildungssystems nutzen, das allen Kindern und Jugendlichen die gleichen Chancen bietet.
(313) Die Lernmittel an Schulen sollen für Lernende und Lehrende frei sein, einschließlich
digitaler Endgeräte, benötigter Software und Internetzugang.
(314) Alle Kitas und Schulen in Deutschland sollen sich zu inklusiven Orten
weiterentwickeln. Das muss sich in einer ausreichenden Anzahl an entsprechend ausgebildeten
Mitarbeiter*innen, aber auch in deren Vielfalt widerspiegeln. Inklusive pädagogische
Konzepte müssen es jedem Kind und jedem Jugendlichen unabhängig von intellektuellen, sozial-
emotionalen, physischen oder sonstigen Voraussetzungen ermöglichen, gemeinsam zu lernen, die
eigene Persönlichkeit und eigene Potentiale zu entwickeln und am gesellschaftlichen Leben
teilzuhaben. Schulen müssen ihre Pädagogik an die Schüler*innen anpassen, nicht umgekehrt.
Dazu brauchen sie Zeit, Gestaltungsspielraum, kleinere Klassen, inklusive pädagogische
Konzepte und multiprofessionelle Unterstützung.
(315) Gute Schulen brauchen Freiraum und gut ausgebildete Lehrkräfte, die den Unterricht so
gestalten, dass er den natürlichen Wissensdurst junger Menschen fördert, sowie in Teams
arbeitendes Personal, das eine ganzheitliche Entwicklung stärkt. Offene und durchlässige
Strukturen im Unterricht und in der Schule helfen, Potentiale zu entfalten und
unterschiedliche Stärken zu entwickeln.
(316) Die technische Ausstattung von Kitas und Schulen muss auf dem gleichen Niveau sein wie
in der digitalen Wirklichkeit außerhalb der Bildungsstätten. Das zu gewährleisten ist
dringliche Aufgabe der öffentlichen Hand. Die Digitalisierung ist nichts, wovor man Kinder
schützen muss. Stattdessen sollen sie befähigt werden, die technischen Möglichkeiten
entwicklungsgerecht zu nutzen. Pädagogische Fachkräfte und Lehrer*innen sollen dafür aus-
und fortgebildet werden. Die Digitalisierung verändert die Form des Lernens und ermöglicht
eine neue Dimension für den individualisierten und inklusiven Unterricht. Das muss sich auch
in der Pädagogik widerspiegeln. Neben der digitalen Kompetenz braucht es auch eine Werte-
und Normen-Reflexion der technisch-digitalen Entwicklung. Digitale Kompetenzen sind dabei
eine Querschnittsaufgabe für alle Lernfelder und Unterrichtsfächer.
(317) Das deutsche Bildungssystem braucht eine deutlich bessere Mittelausstattung für mehr
Personal, Infrastruktur und Gebäude. Dabei müssen regionale Unterschiede berücksichtigt
werden. Der Wohnort soll nicht über die Qualität der Förderung entscheiden. Vor allem für
den Kita- und Primarbereich müssen die Ausgaben verdoppelt werden, denn hier werden die
Weichen für den Bildungserfolg gestellt.
(318) Der Föderalismus schützt die Demokratie und sichert regionale Vielfalt. Er darf jedoch
nicht dazu führen, dass eine Verständigung auf bundesweite Bildungsziele und -standards
sowie nötige Investitionen in Digitalisierung, Ganztag oder Inklusion unterbleiben. Das
können die Länder nicht allein leisten, sondern es ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Das
Kooperationsverbot muss zu einem Kooperationsgebot gemacht werden.
Lebensbegleitendes Lernen
(319) Bildung ist ein lebenslanger Prozess. Die staatliche Verantwortung beginnt mit der
Kita und der Schule und erstreckt sich über die berufliche Bildung und die Hochschulbildung
bis hin zum Recht auf Weiterbildung und Erwachsenenbildung. Sie wird umrahmt von einem
lebensbegleitenden Prozess der nonformalen Bildung. Bildung muss stärker als jemals zuvor in
jedem Alter selbstverständlicher Teil des Lebens werden. Weiterbildung ist eine
gesamtgesellschaftliche Aufgabe, damit gesellschaftliche Teilhabe in der Wissensökonomie
gesichert wird.
(320) Kein Bildungsschritt soll ohne Abschluss und Anschluss bleiben. Jeder Mensch soll die
Möglichkeit haben, zu jedem Zeitpunkt in seinem Leben Schul- und Hochschulabschlüsse,
Berufsausbildungen oder Teilqualifizierungen zu erwerben. Der garantierte und
niedrigschwellige Zugang zur Erwachsenenbildung in Form des „zweiten Bildungswegs“ fördert
die soziale Mobilität innerhalb der Gesellschaft und ist unerlässlich für das Ziel gleicher
Bildungs- und Lebenschancen. Direkt nach der Schule muss der Weg für alle Jugendlichen in
eine angemessen bezahlte, anerkannte Berufsausbildung oder in eine Hochschulbildung offen
sein. Außerdem müssen ausländische Bildungsabschlüsse schnell und unbürokratisch anerkannt
werden können.
(321) Alle Menschen, die nicht oder nicht ausreichend lesen und schreiben können, sollen
leichten Zugang zu Bildungsangeboten und speziellen Förderungen haben und diese in Anspruch
nehmen können.
(322) Der Fokus beim digitalen Lernen liegt auf der Medienkompetenz und der digitalen
Mündigkeit. Gezielt sollen auch Erwachsene mit wenig Erfahrung im Umgang mit digitalen
Medien angesprochen werden, damit sie die Möglichkeiten der digitalen Welt selbstbestimmt
und sicher nutzen können.
(323) Lebensbegleitendes Lernen erfordert ein breites Spektrum an privaten, betrieblichen
und auch öffentlich verantworteten Weiterbildungsinstitutionen. Volkshochschulen und
ähnliche Einrichtungen gehören zur Daseinsvorsorge und sollen zu barrierefreien
Knotenpunkten der Erwachsenenbildung werden.
(324) Viele Menschen lernen in unterschiedlichsten Vereinen, Jugendverbänden und
Bildungsstätten sich einzubringen und mitzubestimmen. Auch diese außerschulische und
nonformale Bildung muss ausreichend Raum und finanzielle Möglichkeiten erhalten.
(325) Bildungswege sind heutzutage dauerhaft, berufsbegleitend und mit Wechseln verbunden.
Leistungen wie BAföG müssen dieser Realität angepasst werden. Auf einem Arbeitsmarkt mit
sich schnell wandelnden Anforderungen sind sowohl die Arbeitgeber*innen als auch die
öffentliche Hand gefordert, durch vergütete Aus- und Weiterbildung, Bildungsgeld und
Bildungsurlaub Chancengleichheit herzustellen. Niemandem dürfen aufgrund prekärer
Beschäftigung die Möglichkeiten essenzieller Qualifikation verwehrt sein.
(326) Bildungszugänge sind stark durch die Eigenheiten der Stadtteile oder durch Stadt-Land-
Gegensätze geprägt. Die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zu sichern bedeutet, es auch
Kindern im ländlichen Raum zu ermöglichen, mit akzeptablen Schulwegen eine hochwertige
Bildung zu erreichen. Der Erhalt von kleinen Schulen soll durch Vernetzung ermöglicht
werden. Kreative Konzepte wie mobile Mediatheken, Bibliotheken und Labore schaffen nicht nur
für Erwachsene Bildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten in strukturschwachen Räumen. Diese
müssen ebenso gefördert werden wie der Schüler*innen-Transport. Das gehört zur staatlichen
Daseinsvorsorge.
Antragstext
Von Zeile 279 bis 280 einfügen:
Wertegeleitete Politik hat ihr Handeln konsequent auf friedens-, menschenrechts- und klimapolitisch kontraproduktive Wirkungen zu prüfen und Schädliches zu unterlassen.
(374 neu) Die globale sozial-ökologische Transformation erfordert, dass Menschen über die globale Wirkung ihres eigenen aber auch über die des wirtschaftlichen und staatlichen Handelns informiert sind . Eine gesellschaftliche Transformation braucht starke partizipative Institutionen. Die Bildung für nachhaltige Entwicklung befähigt die Menschen in dieser komplexen globalisierten Welt, sich nachhaltig und zukunftsorientiert am politischen Willensbildungsprozess zu beteiligen. Nachhaltige und globale Bildung muss für alle Menschen zugänglich und breit in unserem formalen und informalen Bildungsprozess verankert sein.
Kapitel 8: International zusammenarbeiten
Frieden und internationale Ordnung
(327) Die großen politischen Herausforderungen unserer Zeit lassen sich nur global lösen.
Nachhaltige Politik bedarf vorausschauenden Handelns in internationaler Kooperation.
(328) Eine an Frieden, Freiheit, Solidarität, Menschenrechten und globaler Gerechtigkeit
orientierte Politik braucht Bündnisse all derer, die an den Wert von Kooperation und die
Stärke des Rechts in den internationalen Beziehungen glauben – gerade weil offene
Gesellschaften immer stärker auch im globalen Systemwettbewerb mit autoritären Staaten und
Diktaturen stehen. Multilaterale Zusammenarbeit in den internationalen Organisationen bleibt
die beste Form, globale Politik zu gestalten.
(329) Es braucht eine internationale Ordnung, die auf der gerechten Verteilung globaler
Ressourcen und auf verbindlichen Regeln fußt, die die Rechte von Einzelnen und von
Kollektiven schützt, Konflikte verhindert oder gewaltfrei und zum Wohle der Allgemeinheit
löst.
(330) Eine friedliche und gerechte Weltordnung erfordert starke Vereinte Nationen mit dem
Ziel einer Weltinnenpolitik. Die Vereinten Nationen sind das zentrale Forum, um
völkerrechtliche Normen zu entwickeln und sich auf weltgemeinschaftliche Ziele zu
verständigen. Sie müssen gestärkt werden.
(331) Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik ist unsere Brücke in die
Zivilgesellschaften der Welt. Das Netzwerk ihrer Akteur*innen schafft sichere
Begegnungsräume für den kulturellen Austausch, Zugang zu Bildung und Wissen und übernimmt
Verantwortung auch aus unserer Geschichte heraus. Sie ist wertegeleitete Außenpolitik auf
individueller Ebene, die Frieden und Entwicklung, internationale Kooperation und Solidarität
in den Mittelpunkt stellt.
(332) Zur Bearbeitung globaler Herausforderungen braucht es die Europäische Union als
Friedensmacht, die sich ihrer Verantwortung in der Welt, besonders im Rahmen der Vereinten
Nationen, bewusst ist und zum Prinzip der internationalen Kooperation steht. Dieser
Verantwortung kann die EU nur gerecht werden, wenn sie nationale Spaltungen überwindet und
gemeinsam handelt. Die Antwort auf die aktuellen globalen Herausforderungen ist eine stetige
Vertiefung und Weiterentwicklung der EU, perspektivisch hin zu einer Föderalen Europäischen
Republik.
Europäische Union
(333) Die Europäische Union ist Anker für Multilateralismus und demokratische Souveränität
in einer globalisierten Welt. Es gilt, das Versprechen der Europäischen Union auf eine
wertebasierte Politik nach innen und außen einzulösen. Bei Krisen gerät das Projekt EU immer
wieder unter Druck, die Nationalstaaten agieren ohne Absprachen und oft unsolidarisch.
Gerade in Krisen aber zeigt sich, dass die EU als Gemeinschaft stärker ist als jedes Land
für sich allein und dass die Europäische Union mehr ist als ein Binnenmarkt. Sie muss als
politisches Projekt weiterentwickelt werden.
(334) Es ist zentrale Verantwortung der EU-Mitgliedstaaten, die Gräben in der Europäischen
Union nicht durch nationale Egoismen zu vergrößern. Es ist ihre Verantwortung, die
Handlungsfähigkeit der EU nach innen und außen zu verbessern.
(335) Die Europäische Grundrechtecharta, freie Binnengrenzen und europäische Freizügigkeit
sind Meilensteine der europäischen Einigung, hinter die wir nicht zurückfallen dürfen.
(336) Auf Grundlage der gemeinsamen Werte braucht es ein gemeinsames strategisches
Bewusstsein der EU, das sich durch die verschiedenen Politikbereiche zieht. Indem die EU
mehr strategische Souveränität aufbaut, kann sie auch global Demokratie schützen und den
Klimaschutz voranbringen sowie in der Wirtschafts- und Finanzpolitik an Menschenrechten und
Gemeinwohl orientierte Standards setzen.
(337) Mit dem größten Binnenmarkt der Welt hat die EU wirtschaftlich einen großen Einfluss.
Daraus erwächst die Verantwortung, diese Stärke für eine an Menschenrechten und Gemeinwohl
orientierte und regulierte Globalisierung einzusetzen, die Krisen verhindert, statt sie zu
verstärken. Wer ökologisch, sozial, transparent und menschenrechtskonform produziert, soll
davon einen Vorteil haben. Wer das Gegenteil tut, soll negative Konsequenzen spüren.
(338) Damit Herausforderungen nicht nur durch die eigene nationalstaatliche Brille
betrachtet werden und um gegenseitiges Verständnis zu stärken, braucht es einen
paneuropäischen Diskurs in einer europäischen Öffentlichkeit sowie eine paneuropäische
Zivilgesellschaft. Dafür sind nichtkommerzielle und europäisch geförderte Kommunikations-
und Begegnungsräume für alle Europäer*innen notwendig – digital, über die klassischen Medien
und im direkten Austausch miteinander –, ebenso wie gemeinsame Organisationsformen wie
europäische Vereine und gemeinnützige Organisationen.
(339) Eine starke Europäische Union gibt es nur mit verstärkter Zusammenarbeit. Denn nicht
alle EU-Staaten wollen immer dasselbe zur selben Zeit. Die fehlende Einigung der EU-Staaten
oder die Blockadehaltung einzelner Staaten dürfen nicht zur Ausrede für kollektives
Nichthandeln werden. Deswegen müssen manche Mitgliedstaaten nächste Schritte eher gehen als
andere und in manchen Dingen gemeinsam vorangehen. Dabei ist immer sicherzustellen, dass das
Projekt der Europäischen Union als Ganzes nicht gefährdet wird und dass alle Mitgliedstaaten
sich jederzeit anschließen können. So kann es in einem Bündnis der europäischen Demokratien
auch gegen die nationalistischen Kräfte und Regierungen in Europa gelingen, das europäische
Einigungswerk fortzusetzen sowie Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zu stärken.
(340) Die EU muss weltpolitikfähig werden. Sie muss im Sinne universeller Werte und daraus
abgeleiteter Interessen die Regeln und Realitäten des internationalen Umfelds mitgestalten.
Eine geeinte Europäische Union kann sich in der globalisierten Welt als Akteurin behaupten
und demokratische und nachhaltig orientierte Gestaltungskraft entfalten. Die Grundlage dafür
bilden die Menschenrechte und die globalen Nachhaltigkeitsziele.
(341) Die EU muss ihre Soft Power nutzen, um die internationale Politik entscheidend
mitzugestalten. Dabei gilt es, nationale Interessen im Lichte des europäischen Gemeinwohls
und der europäischen Handlungsfähigkeit zu definieren und die Leitlinien der Mitgliedstaaten
in einer gemeinsamen außenpolitischen Strategie zu bündeln. Das Prinzip der Einstimmigkeit
soll durch Mehrheitsentscheidungen ersetzt werden, um die gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik der EU (GASP/GSVP) zu stärken und so handlungsfähiger zu werden.
(342) Das Friedensprojekt Europa ist mehr als die EU. Daraus erwachsen Verpflichtungen im
Erweiterungsprozess und in der Nachbarschaftspolitik. Die EU steht in der politischen
Verantwortung, das Vertrauen in das Beitrittsversprechen nicht zu enttäuschen und
gleichzeitig den notwendigen Reformprozess in den Beitrittsländern mitzugestalten.
Partnerschaften, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Solidarität mit den Regionen vor Europas
Haustür tragen zu Stabilität und Sicherheit bei. Die Östliche Partnerschaft der EU ist eine
wichtige Säule, die auf demokratischer Solidarität und der selbstbestimmten Entwicklung der
osteuropäischen Nachbarn basiert. Auch die Kooperationen mit Staaten in Nordafrika und dem
Nahen Osten können Demokratisierung, Durchsetzung von Menschenrechten und wirtschaftliche
Entwicklung stärken. Unter dieser Prämisse sollen sie ausgebaut werden. Die gemeinsamen
europäischen Institutionen wie OSZE oder Europarat sind im Zusammenspiel mit einer starken
Europäischen Union wichtige Plattformen einer multilateralen Weltordnung.
Bündnispolitik
(343) Die Vereinten Nationen bilden den multilateralen Rahmen der internationalen
Zusammenarbeit. Mehr Verantwortung in den Vereinten Nationen erfordert von Deutschland und
der EU, ihr Engagement finanziell, personell und diplomatisch substanziell zu verstärken,
besser zu koordinieren und die internationalen Vereinbarungen auch konsequent und kohärent
in nationale und europäische Politik umzusetzen. Dabei geht es um das Prinzip der Reform
durch Stärkung. Das ist gerade wichtig, wenn nationale Egoismen zunehmen und wichtige
Entscheidungen blockiert werden.
(344) Der Sicherheitsrat und andere Organe der Vereinten Nationen müssen an die Realitäten
des 21. Jahrhunderts angepasst werden. Das betrifft sowohl die strukturelle und finanzielle
Ausstattung von VN-Organisationen als auch eine gerechtere Repräsentation der Regionen und
der Beitragsleister im Sicherheitsrat.
(345) Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) soll als Sonderorganisation der VN und als
wichtigste Organisation im Bereich der globalen Gesundheit gestärkt werden. Ihre Aufgabe
kann sie nur mit einer ausreichenden Ausstattung und einem starken Mandat ausführen. Dafür
sind deutlich höhere Beiträge an die WHO notwendig.
(346) Wenn multilaterale Prozesse in den Vereinten Nationen und der EU dauerhaft blockiert
sind, braucht es im Sinne der Stärkung des internationalen Rechts und der internationalen
Ordnung Vorreiter.
(347) In Zeiten von dysfunktionalen internationalen Institutionen bauen informelle Formate
Brücken. Diese dürfen aber nicht Machtinstrumente gegenüber denen sein, die nicht an ihnen
beteiligt sind. Zum Beispiel spielen die G20 eine wichtige Rolle für die internationale
wirtschaftliche Zusammenarbeit und die Bewältigung globaler Herausforderungen. Sie müssen
für andere Akteure offen sein. Langfristig sollen die Beratungen der G20 in den Sozial- und
Wirtschaftsrat der Vereinten Nationen überführt werden.
(348) Neben der staatlichen Zusammenarbeit sind Bündnisse mit und zwischen Städten und
Regionen, Wirtschaftsakteur*innen sowie Zivilgesellschaften zentral. Nichtstaatliche Akteure
gehören stärker in Aushandlungsprozesse auf bilateraler und multilateraler Ebene einbezogen
und in ihrer Vernetzung untereinander unterstützt. Im Dialog mit der globalen
Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft können neue Wege entwickelt und neue
Bündnispartner*innen gefunden werden, um die sozial-ökologische Modernisierung
voranzutreiben. Auch wenn es noch keine Einigung auf ein internationales Vorgehen gibt, kann
so in zentralen Bereichen wie beim Handel oder in der Flucht- und Migrationspolitik
vorangegangen werden.
(349) Zu einer fairen Globalisierung gehört die Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe
genauso wie die Mitbestimmung und demokratische Organisierung auf kommunaler und regionaler
Ebene.
(350) Die eigene kulturelle, sprachliche und religiöse Identität zu leben, ist für viele
Menschen wesentlich. Statt in regionale Nationalismen, Unabhängigkeitsbestrebungen oder
gewaltsame Konflikte zu verfallen, braucht es eine Politik für nationale Minderheiten, die
deren Rechte auf kulturelle und sprachliche Vielfalt stärkt sowie gleichberechtigte
gesellschaftliche Teilhabe und kulturelle Partizipation sichert und fördert.
Globale Sicherheit
(351) Eine an universeller Würde und Freiheit orientierte Politik denkt Sicherheit nicht von
nationalen Grenzen, sondern von jedem einzelnen Menschen her. Zivile Krisenprävention,
Menschenrechte, die Gleichberechtigung der Geschlechter, die Ermächtigung marginalisierter
Gesellschaftsgruppen, eine gewaltfreie Regelung von Konflikten, Wiederaufbau, Klima- und
Umweltschutz, gerechte Ressourcenverteilung und die Geltung des internationalen Rechts sind
Grundlage einer nachhaltigen Friedens- und Sicherheitspolitik. Dazu gehören auch die
europäische Integration und die Beteiligung an Systemen kollektiver Sicherheit.
(352) Über Frieden und Sicherheit nachzudenken sollte nicht erst beginnen, wenn beides schon
in Gefahr ist. Konsequent auf alle Politikfelder angewandt kann das Prinzip der Vorsorge
viel Leid verhindern.
(353) Zivile Krisenprävention muss noch stärker institutionell verankert werden. Dazu bedarf
es ausreichender Analysekapazitäten, Regionalkompetenz, Wirkungsforschung, eines
intensivierten Wissenstransfers zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik und der
unmittelbaren Verfügbarkeit von Personal und Material. Zivile Krisenprävention und
politische Konfliktlösung haben unbedingt Vorrang vor dem Einsatz militärischer Gewalt. Wo
sich multiple Krisen häufen, kommt es besonders darauf an, bei der Krisenprävention
schneller besser zu werden.
(354) Das allgemeine Gewaltverbot der VN-Charta ist eine große Errungenschaft. VN-geführte
Friedenseinsätze sind ein zentrales Instrument kollektiver Friedenssicherung und als solche
trotz aller Defizite – gerade durch eine größere europäische Beteiligung an
Blauhelmeinsätzen – zu stärken.
(355) Die Europäische Union ist eine Friedensmacht. Das Primat des Zivilen und das breite
Spektrum ziviler Instrumente zeichnen sie aus. Friedensmissionen, zivile Krisenprävention,
Diplomatie, internationale Zusammenarbeit, humanitäre Hilfe und Auswärtige Kultur- und
Bildungspolitik, Mediation, die Bereitstellung von Zivil- und Polizeiexperten,
Rechtsstaatsförderung und gesellschaftliche Verständigungsarbeit sind die Stärken der
Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU. Sie muss institutionell, personell und
finanziell gestärkt und noch enger verzahnt werden.
(356) Maßgabe einer starken Außen- und Sicherheitspolitik sind der Schutz vor Gewalt und die
gleichberechtigte Vertretung von Frauen auf allen Ebenen, bei allen Verhandlungen und in
allen Gremien. Frauen sind fundamental für nachhaltige Versöhnungs- und Friedensprozesse. In
der feministischen Außenpolitik stehen der Schutz und die Rechte aller marginalisierten,
diskriminierten Bevölkerungsgruppen im Zentrum. Sie folgt dem Leitbild der „menschlichen
Sicherheit“.
(357) Die Klimakrise ist ein globales Sicherheitsrisiko. Klimapolitik ist daher ein
zentraler Bestandteil der globalen Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik. Dafür ist
ein internationales Rahmenwerk auf VN- und EU-Ebene zur Vermeidung von Klima- und
Umweltkonflikten erforderlich, um Staaten und Regionen, die besonders von den Folgen der
Klimakrise oder von Rohstoffknappheit, Dürren, Nahrungsknappheit und Überschwemmungen
betroffen sind, zu schützen und zu unterstützen: die Responsibility to Prepare.
(358) Abrüstung, Rüstungskontrolle und die Nichtverbreitung von Waffen sind und bleiben
wesentliche Pfeiler jeder Friedenspolitik. Abrüstung und Rüstungskontrolle bedeuten global
mehr Sicherheit für alle. Es braucht ein strenges Regelwerk zur Abrüstung und zum Verbot von
chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen Massenvernichtungswaffen. Dazu gehört
eine Unterstützung des VN-Atomwaffenverbotsvertrags. Der Anspruch ist nichts Geringeres als
eine atomwaffenfreie Welt.
(359) Exporte von Waffen und Rüstungsgütern an Diktatoren, menschenrechtsverachtende Regime
und in Kriegsgebiete verbieten sich. Es braucht eine gemeinsame restriktive europäische
Rüstungsexportkontrolle mit starken Institutionen und im Einklang mit den EU-Leitlinien für
Rüstungsexporte. EU-Mitgliedstaaten, die gegen verbindliche europäische
Rüstungsexportkriterien verstoßen, müssen mit Sanktionen rechnen. Der Einsatz von
Sicherheitsfirmen in internationalen Konflikten muss streng reguliert und private
Militärfirmen müssen verboten werden.
(360) Autonome tödliche Waffensysteme, die keiner Steuerung mehr durch den Menschen bei
Auswahl und Bekämpfung von Zielen unterliegen, stellen eine unberechenbare Bedrohung dar. Um
diese Entwicklung zu stoppen, braucht es international klare ethische Regeln und Verbote.
Weiterentwickelte, verbindliche Regeln sollen eine Militarisierung des Weltraumes
verhindern.
(361) Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten müssen sich gegen Angriffe auf ihre
kritische Infrastruktur schützen. Um Angriffe über und auf das Internet zu verhindern,
braucht es mehr eigene Anstrengung zur Sicherung der Infrastruktur und ein internationales
Vertragswerk.
(362) Die Anwendung militärischer Kriegsgewalt bringt immer massives Leid mit sich. Wir
wissen aber auch, dass die Unterlassung in einzelnen Fällen zu größerem Leid führen kann.
Handlungsleitend in der internationalen Sicherheitspolitik ist auch das erweiterte VN-
Konzept der Schutzverantwortung (Responsibility to Prevent, Protect, React, Rebuild), das
uns als internationale Gemeinschaft verpflichtet, Menschen vor schwersten
Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen. Zentral für
Frieden, Versöhnung und Gerechtigkeit ist auch der Einsatz gegen die Straflosigkeit solcher
Menschenrechtsverbrechen.
(363) Der Einsatz von militärischer Gewalt ist immer nur äußerstes Mittel. Bewaffnete
Einsätze der Bundeswehr im Ausland sind einzubetten in ein System gegenseitiger kollektiver
Sicherheit und in ein politisches Gesamtkonzept, basierend auf dem Grundgesetz und dem
Völkerrecht. Bei Eingriffen in die Souveränität eines Staates oder dort, wo staatliche
Souveränität fehlt, braucht es ein Mandat der Vereinten Nationen. Wenn das Vetorecht im
Sicherheitsrat missbraucht wird, um schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu decken,
steht die Weltgemeinschaft vor einem Dilemma, weil Nichthandeln genauso Menschenrechte und
Völkerrecht schädigt wie Handeln.
(364) Die Bundeswehr ist eine in internationalen Bündnissen verankerte Parlamentsarmee.
Daraus erwächst eine Fürsorgepflicht des Parlaments gegenüber den Soldat*innen sowie die
Verpflichtung, sie entsprechend ihrem Auftrag und ihren Aufgaben auszustatten. Der Auftrag
und die Aufgaben der Bundeswehr orientieren sich an den realen Herausforderungen für
Sicherheit und Friedenssicherung. Deutschland soll sich auf seine Bündnispartner verlassen
können und genauso sollen sich die Bündnispartner auf Deutschland verlassen. Direkte
Einsätze im Rahmen der VN haben dabei Vorrang vor Einsätzen der EU oder der NATO.
(365) Die Prinzipien der „Inneren Führung“ und der „Staatsbürger*innen in Uniform“ binden
die Soldat*innen an die Gesellschaft und die Werte und Normen des Grundgesetzes. Eine
Bundeswehr, die fest in unserer Gesellschaft verankert ist, muss die Vielfalt der
Gesellschaft abbilden. Das betrifft den Anteil von Menschen unterschiedlicher sozialer
Herkunft, mit und ohne Migrationserfahrung, von People of Color sowie von Frauen, die in der
Bundeswehr beschäftigt sind. Menschenfeindliche Ideologien und rechte Strukturen in der
Bundeswehr müssen konsequent verfolgt und zerschlagen werden. Unsere Geschichte lehrt uns,
wie unersetzlich Demokratiebildung und antifaschistische Grundwerte gerade in einer Armee
sind.
(366) Gemeinsam mit den internationalen Partnern muss die Europäische Union ihrer
Verantwortung für die eigene Sicherheit und Verteidigung gerecht werden. Die gemeinsame
Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU setzt eine gemeinsame EU-Außenpolitik voraus.
Es braucht eine Sicherheitsunion, die parlamentarisch kontrolliert ist. Anstatt immer mehr
Geld in nationale militärische Parallelstrukturen zu leiten, sollte die verstärkte
Zusammenarbeit der Streitkräfte in der EU ausgebaut und militärische Fähigkeiten sollten
gebündelt werden. Dafür braucht es eine geeignete Ausstattung, den Ausbau von EU-Einheiten
sowie eine Stärkung des gemeinsamen europäischen Hauptquartiers.
(367) Die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union muss strategisch,
vorausschauend, umfassend und schnell handlungsfähig sein. Dazu braucht es eine gemeinsame
Analysefähigkeit sowie eine Stärkung des Europäischen Auswärtigen Dienstes. Schritt für
Schritt sollen immer mehr Entscheidungen in diesem Bereich mit qualifizierter Mehrheit
getroffen werden können.
(368) Die NATO ist auf absehbare Zeit ein unverzichtbarer und sicherheitspolitischer
Renationalisierung entgegenwirkender Bestandteil der europäischen Sicherheitsarchitektur
sowie der transatlantischen Beziehungen. Sie leidet unter divergierenden
sicherheitspolitischen Interessen innerhalb der Allianz und einer unklaren strategischen
Perspektive. Es braucht eine strategische Neuausrichtung. Mit einer stärkeren militärischen
Zusammenarbeit und Koordinierung innerhalb der EU und mit den europäischen NATO-Partnern
Großbritannien und Norwegen können europäische strategische Interessen geschlossen und
durchsetzungsstärker vertreten werden.
(369) Frieden in Europa bedeutet mehr als Frieden, Sicherheit und Stabilität in der EU. Wir
teilen die Vision einer gesamteuropäischen Sicherheitsordnung innerhalb des OSZE-Raums. Die
OSZE braucht eine Stärkung, um das Ziel eines Systems kollektiver Sicherheit in ganz Europa
voranzubringen.
Globale Strukturpolitik
(370) In einer verflochtenen Welt verbinden und überkreuzen sich alle Bereiche der Politik.
Globale Strukturpolitik muss sich für die sozial-ökologische Transformation von einer
„Politik nach außen“ lösen und einen abgestimmten, vernetzten Ansatz verfolgen. Das heißt
auch, das Denken in einzelnen Ressorts zu beenden und innere Widersprüche im
Regierungshandeln konsequent auszuräumen. Alle politischen Entscheidungen müssen einem
verpflichtenden Nachhaltigkeitscheck unterzogen werden.
(371) Handlungsrahmen für das Gesamtregierungshandeln sind die Menschenrechte, die
Klimaziele von Paris und die Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen für eine nachhaltige
Entwicklung. Sie sind Voraussetzung dafür, Strukturen global und nachhaltig gestalten zu
können. So konnten Erfolge bei der Bekämpfung von Armut und Hunger sowie beim Zugang zum
Gesundheits- und Bildungssystem erreicht werden. Das Recht auf Entwicklung gilt weltweit. Um
die globalen Nachhaltigkeitsziele einzuhalten und das globale Zusammenleben möglichst
krisenfest zu gestalten, braucht es kohärente Politik in allen Politikfeldern.
(372) Internationale Zusammenarbeit mit Staaten und Zivilgesellschaften in ärmeren Regionen
der Welt ist weder auf Entwicklungszusammenarbeit zu reduzieren noch einseitigen
wirtschafts- oder sicherheitspolitischen Interessen unterzuordnen. Internationale
Zusammenarbeit basiert vielmehr auf rechtebasierter Kooperation, dem Partnerschaftsprinzip
bei globalen Herausforderungen, auf Selbstbestimmung und hat globale Gerechtigkeit und die
Sicherung globaler öffentlicher Güter zum Ziel.
(373) Die Fehler der Ausbeutung von Mensch und Natur müssen überwunden werden durch ein
faires und nachhaltiges Wachstums- und Wohlstandsmodell. Aus den Verbrechen des
Kolonialismus erwächst für Deutschland und Europa eine besondere Verantwortung.
Wertegeleitete Politik hat ihr Handeln konsequent auf friedens-, menschenrechts- und
klimapolitisch kontraproduktive Wirkungen zu prüfen und Schädliches zu unterlassen.
(374 neu) Die globale sozial-ökologische Transformation erfordert, dass Menschen über die globale Wirkung ihres eigenen aber auch über die des wirtschaftlichen und staatlichen Handelns informiert sind . Eine gesellschaftliche Transformation braucht starke partizipative Institutionen. Die Bildung für nachhaltige Entwicklung befähigt die Menschen in dieser komplexen globalisierten Welt, sich nachhaltig und zukunftsorientiert am politischen Willensbildungsprozess zu beteiligen. Nachhaltige und globale Bildung muss für alle Menschen zugänglich und breit in unserem formalen und informalen Bildungsprozess verankert sein.
(374) Es braucht eine starke öffentliche Säule der Entwicklungsfinanzierung. Sie gehört
wirksam ausgeweitet und verbessert. Die globale Transformation bedeutet vor allem in ärmeren
Ländern massive Investitionen. Diese nachhaltig, sozial-ökologisch und auf lokale
Bedürfnisse ausgerichtet bereitzustellen, muss ein zentrales Ziel der globalen
Finanzierungsarchitektur sein. Internationale Zusagen müssen verbindlich eingehalten und die
Förderung der Geschlechtergerechtigkeit muss berücksichtigt werden. In der internationalen
Klimafinanzierung stehen die Industriestaaten gegenüber den ärmeren Ländern bei der
Anpassung und bei der Bewältigung von Schäden und Verlusten in der Verantwortung.
(375) Als weltweit größte Geberin hat die EU ein großes Potential für mehr Kohärenz und
Effizienz in der globalen Strukturpolitik. Ziel ist mittelfristig eine europäische
Vergemeinschaftung der nationalen Entwicklungspolitiken der Mitgliedstaaten. Eine gemeinsame
europäische Entwicklungszusammenarbeit soll zu einem Kern des gemeinsamen europäischen
Handelns werden.
(376) Nachhaltiger Frieden und Demokratie sind auf eine aktive Zivilgesellschaft angewiesen.
Eine lebendige Zivilgesellschaft trägt dazu bei, Korruption und soziale Ungleichheit zu
bekämpfen. Daher gilt es, die Handlungsspielräume einer kritischen Zivilgesellschaft global
zu verteidigen und die Selbstorganisationskräfte der Zivilgesellschaft zu stärken und zu
erweitern.
Handel
(377) Internationaler Handel verbindet Menschen und Staaten, ermöglicht Teilhabe an Gütern
und Dienstleistungen und die Verbreitung von Innovationen. Handel ist kein Selbstzweck,
sondern dient einem gerechten Wohlstand und damit der menschlichen Entfaltung. Er soll fair
gestaltet und demokratisch kontrolliert werden. Er muss zur Umsetzung der VN-
Nachhaltigkeitsziele und des Pariser Klimaabkommens beitragen, anstatt diese zu
konterkarieren.
(378) Eine demokratische Welthandelsordnung unter dem Dach einer reformierten WTO soll für
den regelgebundenen Ausgleich von Interessen stehen. Auch fortschrittliche bilaterale
Abkommen sind wichtige Schritte auf diesem Weg, wenn sie transparent und demokratisch
zustande kommen und sich an globalen Gemeinwohlinteressen ausrichten.
(379) Europäische Handelspolitik ist ein starkes Instrument, um Umwelt-, Tier- und
Klimaschutz, die Einhaltung der Menschenrechte und soziale Standards wie den Schutz von
Arbeitnehmer*innen-Rechten mit Wirtschaftsinteressen in Einklang zu bringen und weltweit
durchzusetzen. Bereiche der Daseinsvorsorge, also öffentliche Güter wie beispielsweise
Bildung, Gesundheit, soziale Sicherheit oder Wasser, sind staatliche Aufgaben und
unterliegen einem öffentlichen Interesse. Sonderrechte und Sonderjustiz für Konzerne sind
auszuschließen.
(380) Es braucht weltweit eine regionale Versorgungssicherheit mit überlebensnotwendigen
Lebens- und Arzneimitteln. Daher dürfen diese nicht allein krisenanfälligen globalen
Lieferketten überlassen werden, sondern müssen auch im europäischen Binnenmarkt produziert
werden können.
(381) Handelsabkommen sind stark, wenn sie regionale Wirtschaftskreisläufe beachten und
Instrumente beinhalten, welche die Einhaltung der Nachhaltigkeitsziele sichern, wie zum
Beispiel Mindeststandards oder Handelsbeschränkungen.
(382) Fairer Handel braucht einen Abbau der Ungleichgewichte im Welthandel und in der
Eurozone. Deutschland hat dabei eine besondere Verantwortung und sollte mit öffentlichen
Investitionen, guten Löhnen oder einer Stärkung der Binnennachfrage seinen
Handelsbilanzüberschuss schrittweise reduzieren.
(383) Ärmere Länder sind im Welthandel mit einer asymmetrischen Zollpolitik zu stärken. Sie
sollen souverän entscheiden, welche Bereiche ihrer Wirtschaft sie öffnen und welche sie
vorerst schützen wollen. Industriestaaten müssen unter Berücksichtigung hoher ökologischer
und sozialer Standards ihre Märkte hingegen für diese Länder öffnen und sollen Exporte nicht
subventionieren, die lokale Märkte zerstören. Denn formal gleiche Rechte bei ungleich
verteilter ökonomischer Macht führen zu ungerechten Ergebnissen.
(384) Herstellung, Produktion und Transport der Waren für den europäischen Markt müssen frei
sein von ausbeuterischer Arbeit, Menschenrechtsverletzungen, Kinderarbeit und
Umweltzerstörung. Dafür soll Fair Trade Standard werden. Das gilt für den gesamten Weg der
Lieferketten und ist über vollständige Transparenz, etwa durch digitale Verfahren, sowie
über gesetzliche Verpflichtungen herzustellen. Dabei kommt der öffentlichen Hand als weitaus
größtem Beschaffer eine besondere Verantwortung zu.
Finanzmärkte und Währungsordnung
(385) Unregulierte globale Finanzmärkte haben zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine schwere
Wirtschaftskrise ausgelöst und weltweit für schwere Verwerfungen gesorgt. Kurzfristige,
spekulative Finanzströme sollen daher reguliert, verteuert und notfalls verboten werden.
Auch mit Steuerumgehung und nicht gesicherten Spekulationen soll künftig kein Geld mehr
verdient werden. Steuersümpfe müssen trockengelegt und internationale Steuerhinterziehung
muss bekämpft werden.
(386) Nachhaltige internationale Direktinvestitionen fördern die weltweite Entwicklung und
gehören zu einer starken europäischen Außenwirtschaftspolitik. Eine gerechte
Weltwährungsordnung ermöglicht allen Ländern – nicht nur den wohlhabenden – eine
langfristige und damit verlässliche Finanzierung von Investitionen. Neben einer Regulierung
von kurzfristigem Kapitalverkehr braucht es dafür die Stabilisierung von Wechselkursen.
(387) Nur globale öffentliche Institutionen können gegen spekulative Attacken auf Staaten
und ihre Währungen absichern. Langfristiges Ziel ist daher eine weltweite Kooperation der
Zentralbanken sowie eine Stärkung und Demokratisierung des Internationalen
Währungsfonds (IWF). So soll Liquidität sichergestellt, dem globalen Finanzmarkt ein
stabiler Rahmen gesetzt und Krisen sollen so verhindert werden. Die Europäische Zentralbank
steht schon jetzt in der Verantwortung, die Auswirkungen ihrer Politik auf weniger und am
wenigsten entwickelte Länder zu berücksichtigen sowie Wechselkurse zu stabilisieren und
abzusichern. So hilft europäische Geldpolitik, spekulative Kapitalflucht aus diesen Ländern
zu vermeiden und deren Entwicklung zu fördern.
(388) Schulden können – wenn das Geld gut investiert wird – Entwicklung fördern und die
notwendige Finanzierung für die sozial-ökologische Transformation bereitstellen.
Überschuldung hingegen schadet insbesondere den Ärmsten der Armen. Aber sie bremst auch die
Verwirklichung der Nachhaltigkeitsziele, gefährdet Gesundheitsversorgung, Bildung und
Infrastruktur in vielen Ländern. Die internationale Gemeinschaft muss regelbasierte
Verfahren ermöglichen, um bei Zahlungsunfähigkeit von Staaten durch Schuldenerlasse,
Zahlungsaufschübe oder einen Schuldenschnitt einen Ausgleich zu finden.
(389) Zu einer weltpolitikfähigen EU gehört eine sichere und starke Währung. Der Euro soll
zu einer globalen Leitwährung werden. Voraussetzung dafür sind eine gemeinsame Fiskalpolitik
der EU sowie die Herausgabe sicherer und liquider gemeinsamer Anleihen, abgesichert mit
eigenen Steuerquellen. Europas strategische Souveränität soll auch durch eigene europäische
Zahlungssysteme und ein digitales Zentralbankgeld sichergestellt werden.
Migration und Flucht
(390) Migration ist etwas zutiefst Menschliches und war stets Triebfeder für Entwicklung und
globale Zusammenarbeit, genauso Quelle von Austausch und Innovation. Migration ist kein
Ausnahmezustand, sondern prägt und verändert seit Jahrhunderten auch unsere Gesellschaft und
unseren Alltag auf allen Ebenen. Unsere Demokratie ist keine, in der Zugehörigkeit auf
Herkunft basiert, sondern eine offene Gesellschaft, in der wir uns gemeinsam darüber
verständigen, wie wir zusammenleben wollen.
(391) Der Globale Pakt für Migration stärkt und sichert die Rechte und die Freiheit von
Menschen, die nicht in ihrem Geburtsland leben, arbeiten oder zur Schule gehen. Er ist
Grundlage für die internationale Verständigung zum rechtebasierten Umgang mit Migration und
soll in diesem Sinne weiterentwickelt werden. Seine Prinzipien müssen national verbindlich
umgesetzt werden.
(392) Migration braucht legale Zugangswege. Deutschland ist ein Einwanderungsland. Deshalb
braucht es ein Einwanderungsgesetz mit fairen und diskriminierungsfreien Kriterien für
legale Einwanderung. Das schließt ein Recht auf Familienleben mit ein sowie dass Menschen
ihren Status wechseln und zwischen ihrem Herkunftsland und dem Wohnort hin- und herreisen
können. Menschen, die hier leben, sollen schnell den Zugang zu staatsbürgerlichen Rechten
bekommen. Dafür braucht es ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht, das mehrere
Staatsbürgerschaften ermöglicht.
(393) Menschen, die aufgrund von politischer Verfolgung, Folter, massiven
Menschenrechtsverletzungen oder Krieg gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen, werden durch
das Asylrecht geschützt. Das international verankerte Recht, in einem anderen Land Schutz zu
suchen, beruht auf den Lehren aus dem Menschheitsverbrechen der Shoah. Die völkerrechtlich
verbindlichen Regeln, insbesondere der Genfer Flüchtlingskonvention, gelten universell und
uneingeschränkt für alle Geflüchteten. Das individuelle Grundrecht auf Asyl ist Grundpfeiler
einer menschenrechtsorientierten Politik und muss unangetastet bleiben. Der Globale Pakt für
Flüchtlinge steht für das Bestreben, Flucht international menschenwürdig zu gestalten und
die Rechte der Betroffenen zu schützen. Entsprechend muss der internationale Umgang mit
Geflüchteten rechtebasiert weiterentwickelt werden.
(394) Egal wo jemand herkommt, egal wo jemand hinwill oder aus welchem Grund ein Mensch in
Seenot ist: Menschen sind aus Lebensgefahr zu retten und an einen sicheren Ort zu bringen.
Dort, wo Menschen in Not sind, haben Staaten die Verantwortung, Rettungen zu koordinieren
und zu organisieren. Dafür braucht es ein gemeinsames EU-Seenotrettungssystem.
Hilfsorganisationen, die Menschen aus Seenot retten, müssen unterstützt und dürfen nicht
kriminalisiert werden.
(395) Die weltweite Zahl von Menschen auf der Flucht steigt auch durch klimabedingte
Katastrophen, die wiederum bestehende Konflikte weiter verschärfen. Ziel muss sein, durch
Klimaanpassung und -schutz zu verhindern, dass Menschen aufgrund der Klimafolgen ihre Heimat
verlassen müssen. Menschen, denen Staatenlosigkeit droht oder die dauerhaft ihre Heimat
verlieren, brauchen Möglichkeiten zur würdevollen Migration. Sie dürfen nicht in eine
Schutzlücke geraten. Perspektivisch brauchen sie einen völkerrechtlichen Schutzstatus.
(396) Menschen brauchen Perspektiven. Duldungen bedeuten einen Zustand in der Schwebe,
fortdauernde Unsicherheit und Perspektivlosigkeit. Ein solcher Ausnahmezustand muss Ausnahme
bleiben. Menschen, die dauerhaft hier leben, brauchen ein Bleiberecht. Abschiebungen in
Kriegs- und Krisengebiete verbieten sich.
(397) Rechtsstaatliche, schnelle und geordnete Verfahren ermöglichen die Wahrnehmung der
menschenrechtlichen und humanitären Verantwortung der EU. Abschottung ist nicht nur inhuman,
sondern führt zu Chaos. Rechtsstaatlich kontrollierte EU-Außengrenzen, eine zuverlässige
Registrierung – perspektivisch über eine eigene europäische Asylbehörde – sowie ein
einheitliches europäisches Asylsystem, das die Verantwortung innerhalb der EU fair verteilt,
sind die Grundlagen einer gemeinsamen EU-Asylpolitik. Grenzen sind nur rechtsstaatlich
geschützt, wenn Menschenrechte an diesen Grenzen geschützt werden.
(398) Nicht jede*r hat das Recht auf Asyl, aber jede*r hat das Recht auf ein
rechtsstaatliches Verfahren mit individueller Prüfung sowie auf eine würdige Unterbringung
und Behandlung. Zugang zu rechtlicher Beratung und Widerspruchsmöglichkeiten sowie zu
ärztlicher Versorgung muss in dieser Zeit gewährleistet sein.
(399) Um eine humanitäre Versorgung von geflüchteten Menschen auch außerhalb der
Europäischen Union zu unterstützen, sind Kooperation und Solidarität mit Nachbarstaaten und
weiteren Aufnahmeländern notwendig. Kooperationen mit Drittstaaten dürfen jedoch nicht zu
Menschenrechtsverletzungen führen oder zum Ziel haben, Schutz in Europa unmöglich zu machen.
Besonderen Schutz brauchen vulnerable Gruppen wie zum Beispiel Frauen, Kinder, LGBTIQ, alte
und kranke Menschen.
(400) Das Bekämpfen von Fluchtursachen heißt, die Gründe für Flucht und nicht die Menschen
auf der Flucht zu bekämpfen. Europäische Politik muss sich danach ausrichten, die
politischen Herausforderungen global zu denken und auch lokal dafür Sorge zu tragen, globale
Gerechtigkeit zu stärken. Europäische Wirtschafts-, Finanz-, Handels-, Agrar- oder
Rüstungsexportpolitik muss konsequent auf ihre sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen
Wirkungen in Drittstaaten überprüft werden und nach dem Pariser Klimaabkommen, den
Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen sowie den Menschenrechten gestaltet sein.
(401) Im Zentrum unserer Asyl- und Migrationspolitik steht der Mensch in seiner Würde und
Freiheit. Unser Ziel ist eine Welt, in der Menschen nicht zur Flucht gezwungen werden.
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Von Zeile 10 bis 12 einfügen (GSP.B-01: Kapitel 7: In Bildung investieren):
für gesellschaftliche Weiterentwicklung. Das Bildungssystem muss Kinder, Jugendliche und alle Lernenden befähigen, eine selbstbestimmte und nachhaltige Zukunft zu gestalten, die von Unwägbarkeiten, Klimakrise, digitalem Wandel und sozialen Veränderungen geprägt sein wird. Als Schlüssel für Gestaltungskompetenz soll Bildung für nachhaltige Entwicklung auf allen Bildungsebenen verankert sein.
Kapitel 7: In Bildung investieren
Recht auf Bildung
(304) Bildung ermöglicht es Menschen, ihr Leben eigenverantwortlich und selbstbestimmt zu
gestalten. Bildung befähigt Menschen dazu, ihre Potentiale und Interessen zu entwickeln und
offen für neue Erkenntnisse und Erfahrungen zu bleiben. Das Recht auf Bildung ist ein Recht
auf Selbstbestimmung, Mündigkeit und gesellschaftliche Teilhabe.
(305) Das Bildungssystem fördert Zukunftskompetenzen – Kooperation, Kommunikation,
Kreativität, kritisches Denken. Und es muss Freiheit lassen für neue Ideen und
Lernerfahrungen aller Beteiligten. Ein gleichberechtigter Zugang zu Bildung ist Grundlage
für gesellschaftliche Weiterentwicklung. Das Bildungssystem muss Kinder, Jugendliche und
alle Lernenden befähigen, eine selbstbestimmte und nachhaltige Zukunft zu gestalten, die von Unwägbarkeiten, Klimakrise,
digitalem Wandel und sozialen Veränderungen geprägt sein wird. Als Schlüssel für Gestaltungskompetenz soll Bildung für nachhaltige Entwicklung auf allen Bildungsebenen verankert sein.
(306) Das Bildungssystem soll zu ganzheitlichem Denken, zu nachhaltigem Handeln und zu
verantwortungsvollem Entscheiden befähigen und Menschen die selbstbestimmte Teilhabe an der
Gesellschaft ermöglichen. Es ist damit die Grundlage für eine freie und demokratische
Gesellschaft. Das heißt auch, gesellschaftliche und technologische Entwicklungen einordnen
zu können, um nicht Fake News oder Verschwörungstheorien zu erliegen. Kitas und Schulen
sollen Orte sein, an denen Kinder und Jugendliche Wertschätzung erfahren, demokratisches
Zusammenleben praktisch erleben und mitbestimmen können. Rollenbilder und
Geschlechternormen, rassistische, diskriminierende sowie Dominanzstrukturen müssen in allen
Bildungseinrichtungen reflektiert und daher auch in der Ausbildung pädagogischer Berufe
thematisiert und kritisch hinterfragt werden.
(307) Gute Bildung zeichnet sich dadurch aus, dass sie bestehende Ungleichheiten nicht
zementiert, sondern sie überwinden hilft. Es ist staatliche Aufgabe, ungleiche
Startbedingungen aufgrund von sozialen Benachteiligungen, dem Wohn- und Lebensumfeld, von
Diskriminierung oder Sprachvoraussetzungen auszugleichen. Ziel ist, dass alle jungen
Menschen bestmögliche Bildungsabschlüsse unabhängig vom Bildungsgrad und Einkommen ihrer
Eltern erwerben. Unser Bildungssystem soll an die internationale Spitzengruppe
anschlussfähig werden. Dafür ist wesentlich, sicherzustellen, dass alle Jugendlichen mit
Verlassen der Schule über eine ausreichende Qualifikation in Schlüsselkompetenzen verfügen.
Gleichzeitig soll die Begabungsförderung ausgebaut werden.
(308) Bildung ist die wichtigste Grundlage für gute Entwicklungschancen im Leben und trägt
maßgeblich dazu bei, dass Menschen in der modernen Arbeitswelt ihren Platz finden. Ein
starkes Bildungssystem ist zugleich zentral für die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes.
Kita und Schule
(309) Die Grundlagen für einen guten Bildungsweg werden in der frühen Kindheit gelegt.
Unterschiede bei den sozialen Voraussetzungen werden vor allem durch eine qualitativ
hochwertige frühkindliche Bildung ausgeglichen. Das stellt neue Anforderungen an das
pädagogische Fachpersonal in den Kitas, weswegen es überall im Land gute Personalschlüssel
und verbindliche Qualitätsstandards braucht. Um den unterschiedlichen Bedarfen der Kinder
gerecht zu werden, arbeiten Menschen unterschiedlicher Qualifikationen in Teams. Um der
Individualität von Kindern gerecht zu werden, ist eine gute Personalausstattung bei
angemessener Bezahlung sicherzustellen.
(310) Der Ganztag an Schulen soll nicht nur Wissen vermitteln, sondern soziale Kompetenzen
und das Miteinander fördern sowie eine stärkere Verknüpfung zwischen Lernen, Erfahren und
Erforschen gewährleisten. So können gezielt soziale und kulturelle Benachteiligungen
überwunden werden. Die individuelle Förderung der Kinder je nach Potentialen ist
entscheidend, deshalb sind Klassengrößen auf unter 20 Kinder zu reduzieren oder größere
Gruppen mit zusätzlicher Unterstützung auszustatten. Auf den Ganztag soll es einen
Rechtsanspruch geben.
(311) Bildungspolitik und Sozialpolitik gehören zusammen. Bildungsorte müssen
dementsprechend eingebettet sein in Netzwerke sozialer Unterstützungsleistungen, die das
Leben von Kindern und Jugendlichen ganzheitlich betrachten, passgenaue Hilfen anbieten und
verhindern, dass Einzelne den Anschluss verlieren.
(312) Die Finanzierung des Bildungssystems ist eine zentrale Aufgabe für eine
zukunftsgewandte Gesellschaft und Voraussetzung für Gerechtigkeit. Denn Vermögen und
Bildungszugang hängen immer noch besonders stark zusammen. Bund und Länder sollen deshalb
die höhere Besteuerung von Vermögen bzw. Erbschaften zur besseren Ausstattung eines
Bildungssystems nutzen, das allen Kindern und Jugendlichen die gleichen Chancen bietet.
(313) Die Lernmittel an Schulen sollen für Lernende und Lehrende frei sein, einschließlich
digitaler Endgeräte, benötigter Software und Internetzugang.
(314) Alle Kitas und Schulen in Deutschland sollen sich zu inklusiven Orten
weiterentwickeln. Das muss sich in einer ausreichenden Anzahl an entsprechend ausgebildeten
Mitarbeiter*innen, aber auch in deren Vielfalt widerspiegeln. Inklusive pädagogische
Konzepte müssen es jedem Kind und jedem Jugendlichen unabhängig von intellektuellen, sozial-
emotionalen, physischen oder sonstigen Voraussetzungen ermöglichen, gemeinsam zu lernen, die
eigene Persönlichkeit und eigene Potentiale zu entwickeln und am gesellschaftlichen Leben
teilzuhaben. Schulen müssen ihre Pädagogik an die Schüler*innen anpassen, nicht umgekehrt.
Dazu brauchen sie Zeit, Gestaltungsspielraum, kleinere Klassen, inklusive pädagogische
Konzepte und multiprofessionelle Unterstützung.
(315) Gute Schulen brauchen Freiraum und gut ausgebildete Lehrkräfte, die den Unterricht so
gestalten, dass er den natürlichen Wissensdurst junger Menschen fördert, sowie in Teams
arbeitendes Personal, das eine ganzheitliche Entwicklung stärkt. Offene und durchlässige
Strukturen im Unterricht und in der Schule helfen, Potentiale zu entfalten und
unterschiedliche Stärken zu entwickeln.
(316) Die technische Ausstattung von Kitas und Schulen muss auf dem gleichen Niveau sein wie
in der digitalen Wirklichkeit außerhalb der Bildungsstätten. Das zu gewährleisten ist
dringliche Aufgabe der öffentlichen Hand. Die Digitalisierung ist nichts, wovor man Kinder
schützen muss. Stattdessen sollen sie befähigt werden, die technischen Möglichkeiten
entwicklungsgerecht zu nutzen. Pädagogische Fachkräfte und Lehrer*innen sollen dafür aus-
und fortgebildet werden. Die Digitalisierung verändert die Form des Lernens und ermöglicht
eine neue Dimension für den individualisierten und inklusiven Unterricht. Das muss sich auch
in der Pädagogik widerspiegeln. Neben der digitalen Kompetenz braucht es auch eine Werte-
und Normen-Reflexion der technisch-digitalen Entwicklung. Digitale Kompetenzen sind dabei
eine Querschnittsaufgabe für alle Lernfelder und Unterrichtsfächer.
(317) Das deutsche Bildungssystem braucht eine deutlich bessere Mittelausstattung für mehr
Personal, Infrastruktur und Gebäude. Dabei müssen regionale Unterschiede berücksichtigt
werden. Der Wohnort soll nicht über die Qualität der Förderung entscheiden. Vor allem für
den Kita- und Primarbereich müssen die Ausgaben verdoppelt werden, denn hier werden die
Weichen für den Bildungserfolg gestellt.
(318) Der Föderalismus schützt die Demokratie und sichert regionale Vielfalt. Er darf jedoch
nicht dazu führen, dass eine Verständigung auf bundesweite Bildungsziele und -standards
sowie nötige Investitionen in Digitalisierung, Ganztag oder Inklusion unterbleiben. Das
können die Länder nicht allein leisten, sondern es ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Das
Kooperationsverbot muss zu einem Kooperationsgebot gemacht werden.
Lebensbegleitendes Lernen
(319) Bildung ist ein lebenslanger Prozess. Die staatliche Verantwortung beginnt mit der
Kita und der Schule und erstreckt sich über die berufliche Bildung und die Hochschulbildung
bis hin zum Recht auf Weiterbildung und Erwachsenenbildung. Sie wird umrahmt von einem
lebensbegleitenden Prozess der nonformalen Bildung. Bildung muss stärker als jemals zuvor in
jedem Alter selbstverständlicher Teil des Lebens werden. Weiterbildung ist eine
gesamtgesellschaftliche Aufgabe, damit gesellschaftliche Teilhabe in der Wissensökonomie
gesichert wird.
(320) Kein Bildungsschritt soll ohne Abschluss und Anschluss bleiben. Jeder Mensch soll die
Möglichkeit haben, zu jedem Zeitpunkt in seinem Leben Schul- und Hochschulabschlüsse,
Berufsausbildungen oder Teilqualifizierungen zu erwerben. Der garantierte und
niedrigschwellige Zugang zur Erwachsenenbildung in Form des „zweiten Bildungswegs“ fördert
die soziale Mobilität innerhalb der Gesellschaft und ist unerlässlich für das Ziel gleicher
Bildungs- und Lebenschancen. Direkt nach der Schule muss der Weg für alle Jugendlichen in
eine angemessen bezahlte, anerkannte Berufsausbildung oder in eine Hochschulbildung offen
sein. Außerdem müssen ausländische Bildungsabschlüsse schnell und unbürokratisch anerkannt
werden können.
(321) Alle Menschen, die nicht oder nicht ausreichend lesen und schreiben können, sollen
leichten Zugang zu Bildungsangeboten und speziellen Förderungen haben und diese in Anspruch
nehmen können.
(322) Der Fokus beim digitalen Lernen liegt auf der Medienkompetenz und der digitalen
Mündigkeit. Gezielt sollen auch Erwachsene mit wenig Erfahrung im Umgang mit digitalen
Medien angesprochen werden, damit sie die Möglichkeiten der digitalen Welt selbstbestimmt
und sicher nutzen können.
(323) Lebensbegleitendes Lernen erfordert ein breites Spektrum an privaten, betrieblichen
und auch öffentlich verantworteten Weiterbildungsinstitutionen. Volkshochschulen und
ähnliche Einrichtungen gehören zur Daseinsvorsorge und sollen zu barrierefreien
Knotenpunkten der Erwachsenenbildung werden.
(324) Viele Menschen lernen in unterschiedlichsten Vereinen, Jugendverbänden und
Bildungsstätten sich einzubringen und mitzubestimmen. Auch diese außerschulische und
nonformale Bildung muss ausreichend Raum und finanzielle Möglichkeiten erhalten.
(325) Bildungswege sind heutzutage dauerhaft, berufsbegleitend und mit Wechseln verbunden.
Leistungen wie BAföG müssen dieser Realität angepasst werden. Auf einem Arbeitsmarkt mit
sich schnell wandelnden Anforderungen sind sowohl die Arbeitgeber*innen als auch die
öffentliche Hand gefordert, durch vergütete Aus- und Weiterbildung, Bildungsgeld und
Bildungsurlaub Chancengleichheit herzustellen. Niemandem dürfen aufgrund prekärer
Beschäftigung die Möglichkeiten essenzieller Qualifikation verwehrt sein.
(326) Bildungszugänge sind stark durch die Eigenheiten der Stadtteile oder durch Stadt-Land-
Gegensätze geprägt. Die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zu sichern bedeutet, es auch
Kindern im ländlichen Raum zu ermöglichen, mit akzeptablen Schulwegen eine hochwertige
Bildung zu erreichen. Der Erhalt von kleinen Schulen soll durch Vernetzung ermöglicht
werden. Kreative Konzepte wie mobile Mediatheken, Bibliotheken und Labore schaffen nicht nur
für Erwachsene Bildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten in strukturschwachen Räumen. Diese
müssen ebenso gefördert werden wie der Schüler*innen-Transport. Das gehört zur staatlichen
Daseinsvorsorge.
Antragstext
Von Zeile 279 bis 280 einfügen:
Wertegeleitete Politik hat ihr Handeln konsequent auf friedens-, menschenrechts- und klimapolitisch kontraproduktive Wirkungen zu prüfen und Schädliches zu unterlassen.
(374 neu) Die globale sozial-ökologische Transformation erfordert, dass Menschen über die globale Wirkung ihres eigenen aber auch über die des wirtschaftlichen und staatlichen Handelns informiert sind . Eine gesellschaftliche Transformation braucht starke partizipative Institutionen. Die Bildung für nachhaltige Entwicklung befähigt die Menschen in dieser komplexen globalisierten Welt, sich nachhaltig und zukunftsorientiert am politischen Willensbildungsprozess zu beteiligen. Nachhaltige und globale Bildung muss für alle Menschen zugänglich und breit in unserem formalen und informalen Bildungsprozess verankert sein.
Kapitel 8: International zusammenarbeiten
Frieden und internationale Ordnung
(327) Die großen politischen Herausforderungen unserer Zeit lassen sich nur global lösen.
Nachhaltige Politik bedarf vorausschauenden Handelns in internationaler Kooperation.
(328) Eine an Frieden, Freiheit, Solidarität, Menschenrechten und globaler Gerechtigkeit
orientierte Politik braucht Bündnisse all derer, die an den Wert von Kooperation und die
Stärke des Rechts in den internationalen Beziehungen glauben – gerade weil offene
Gesellschaften immer stärker auch im globalen Systemwettbewerb mit autoritären Staaten und
Diktaturen stehen. Multilaterale Zusammenarbeit in den internationalen Organisationen bleibt
die beste Form, globale Politik zu gestalten.
(329) Es braucht eine internationale Ordnung, die auf der gerechten Verteilung globaler
Ressourcen und auf verbindlichen Regeln fußt, die die Rechte von Einzelnen und von
Kollektiven schützt, Konflikte verhindert oder gewaltfrei und zum Wohle der Allgemeinheit
löst.
(330) Eine friedliche und gerechte Weltordnung erfordert starke Vereinte Nationen mit dem
Ziel einer Weltinnenpolitik. Die Vereinten Nationen sind das zentrale Forum, um
völkerrechtliche Normen zu entwickeln und sich auf weltgemeinschaftliche Ziele zu
verständigen. Sie müssen gestärkt werden.
(331) Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik ist unsere Brücke in die
Zivilgesellschaften der Welt. Das Netzwerk ihrer Akteur*innen schafft sichere
Begegnungsräume für den kulturellen Austausch, Zugang zu Bildung und Wissen und übernimmt
Verantwortung auch aus unserer Geschichte heraus. Sie ist wertegeleitete Außenpolitik auf
individueller Ebene, die Frieden und Entwicklung, internationale Kooperation und Solidarität
in den Mittelpunkt stellt.
(332) Zur Bearbeitung globaler Herausforderungen braucht es die Europäische Union als
Friedensmacht, die sich ihrer Verantwortung in der Welt, besonders im Rahmen der Vereinten
Nationen, bewusst ist und zum Prinzip der internationalen Kooperation steht. Dieser
Verantwortung kann die EU nur gerecht werden, wenn sie nationale Spaltungen überwindet und
gemeinsam handelt. Die Antwort auf die aktuellen globalen Herausforderungen ist eine stetige
Vertiefung und Weiterentwicklung der EU, perspektivisch hin zu einer Föderalen Europäischen
Republik.
Europäische Union
(333) Die Europäische Union ist Anker für Multilateralismus und demokratische Souveränität
in einer globalisierten Welt. Es gilt, das Versprechen der Europäischen Union auf eine
wertebasierte Politik nach innen und außen einzulösen. Bei Krisen gerät das Projekt EU immer
wieder unter Druck, die Nationalstaaten agieren ohne Absprachen und oft unsolidarisch.
Gerade in Krisen aber zeigt sich, dass die EU als Gemeinschaft stärker ist als jedes Land
für sich allein und dass die Europäische Union mehr ist als ein Binnenmarkt. Sie muss als
politisches Projekt weiterentwickelt werden.
(334) Es ist zentrale Verantwortung der EU-Mitgliedstaaten, die Gräben in der Europäischen
Union nicht durch nationale Egoismen zu vergrößern. Es ist ihre Verantwortung, die
Handlungsfähigkeit der EU nach innen und außen zu verbessern.
(335) Die Europäische Grundrechtecharta, freie Binnengrenzen und europäische Freizügigkeit
sind Meilensteine der europäischen Einigung, hinter die wir nicht zurückfallen dürfen.
(336) Auf Grundlage der gemeinsamen Werte braucht es ein gemeinsames strategisches
Bewusstsein der EU, das sich durch die verschiedenen Politikbereiche zieht. Indem die EU
mehr strategische Souveränität aufbaut, kann sie auch global Demokratie schützen und den
Klimaschutz voranbringen sowie in der Wirtschafts- und Finanzpolitik an Menschenrechten und
Gemeinwohl orientierte Standards setzen.
(337) Mit dem größten Binnenmarkt der Welt hat die EU wirtschaftlich einen großen Einfluss.
Daraus erwächst die Verantwortung, diese Stärke für eine an Menschenrechten und Gemeinwohl
orientierte und regulierte Globalisierung einzusetzen, die Krisen verhindert, statt sie zu
verstärken. Wer ökologisch, sozial, transparent und menschenrechtskonform produziert, soll
davon einen Vorteil haben. Wer das Gegenteil tut, soll negative Konsequenzen spüren.
(338) Damit Herausforderungen nicht nur durch die eigene nationalstaatliche Brille
betrachtet werden und um gegenseitiges Verständnis zu stärken, braucht es einen
paneuropäischen Diskurs in einer europäischen Öffentlichkeit sowie eine paneuropäische
Zivilgesellschaft. Dafür sind nichtkommerzielle und europäisch geförderte Kommunikations-
und Begegnungsräume für alle Europäer*innen notwendig – digital, über die klassischen Medien
und im direkten Austausch miteinander –, ebenso wie gemeinsame Organisationsformen wie
europäische Vereine und gemeinnützige Organisationen.
(339) Eine starke Europäische Union gibt es nur mit verstärkter Zusammenarbeit. Denn nicht
alle EU-Staaten wollen immer dasselbe zur selben Zeit. Die fehlende Einigung der EU-Staaten
oder die Blockadehaltung einzelner Staaten dürfen nicht zur Ausrede für kollektives
Nichthandeln werden. Deswegen müssen manche Mitgliedstaaten nächste Schritte eher gehen als
andere und in manchen Dingen gemeinsam vorangehen. Dabei ist immer sicherzustellen, dass das
Projekt der Europäischen Union als Ganzes nicht gefährdet wird und dass alle Mitgliedstaaten
sich jederzeit anschließen können. So kann es in einem Bündnis der europäischen Demokratien
auch gegen die nationalistischen Kräfte und Regierungen in Europa gelingen, das europäische
Einigungswerk fortzusetzen sowie Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zu stärken.
(340) Die EU muss weltpolitikfähig werden. Sie muss im Sinne universeller Werte und daraus
abgeleiteter Interessen die Regeln und Realitäten des internationalen Umfelds mitgestalten.
Eine geeinte Europäische Union kann sich in der globalisierten Welt als Akteurin behaupten
und demokratische und nachhaltig orientierte Gestaltungskraft entfalten. Die Grundlage dafür
bilden die Menschenrechte und die globalen Nachhaltigkeitsziele.
(341) Die EU muss ihre Soft Power nutzen, um die internationale Politik entscheidend
mitzugestalten. Dabei gilt es, nationale Interessen im Lichte des europäischen Gemeinwohls
und der europäischen Handlungsfähigkeit zu definieren und die Leitlinien der Mitgliedstaaten
in einer gemeinsamen außenpolitischen Strategie zu bündeln. Das Prinzip der Einstimmigkeit
soll durch Mehrheitsentscheidungen ersetzt werden, um die gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik der EU (GASP/GSVP) zu stärken und so handlungsfähiger zu werden.
(342) Das Friedensprojekt Europa ist mehr als die EU. Daraus erwachsen Verpflichtungen im
Erweiterungsprozess und in der Nachbarschaftspolitik. Die EU steht in der politischen
Verantwortung, das Vertrauen in das Beitrittsversprechen nicht zu enttäuschen und
gleichzeitig den notwendigen Reformprozess in den Beitrittsländern mitzugestalten.
Partnerschaften, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Solidarität mit den Regionen vor Europas
Haustür tragen zu Stabilität und Sicherheit bei. Die Östliche Partnerschaft der EU ist eine
wichtige Säule, die auf demokratischer Solidarität und der selbstbestimmten Entwicklung der
osteuropäischen Nachbarn basiert. Auch die Kooperationen mit Staaten in Nordafrika und dem
Nahen Osten können Demokratisierung, Durchsetzung von Menschenrechten und wirtschaftliche
Entwicklung stärken. Unter dieser Prämisse sollen sie ausgebaut werden. Die gemeinsamen
europäischen Institutionen wie OSZE oder Europarat sind im Zusammenspiel mit einer starken
Europäischen Union wichtige Plattformen einer multilateralen Weltordnung.
Bündnispolitik
(343) Die Vereinten Nationen bilden den multilateralen Rahmen der internationalen
Zusammenarbeit. Mehr Verantwortung in den Vereinten Nationen erfordert von Deutschland und
der EU, ihr Engagement finanziell, personell und diplomatisch substanziell zu verstärken,
besser zu koordinieren und die internationalen Vereinbarungen auch konsequent und kohärent
in nationale und europäische Politik umzusetzen. Dabei geht es um das Prinzip der Reform
durch Stärkung. Das ist gerade wichtig, wenn nationale Egoismen zunehmen und wichtige
Entscheidungen blockiert werden.
(344) Der Sicherheitsrat und andere Organe der Vereinten Nationen müssen an die Realitäten
des 21. Jahrhunderts angepasst werden. Das betrifft sowohl die strukturelle und finanzielle
Ausstattung von VN-Organisationen als auch eine gerechtere Repräsentation der Regionen und
der Beitragsleister im Sicherheitsrat.
(345) Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) soll als Sonderorganisation der VN und als
wichtigste Organisation im Bereich der globalen Gesundheit gestärkt werden. Ihre Aufgabe
kann sie nur mit einer ausreichenden Ausstattung und einem starken Mandat ausführen. Dafür
sind deutlich höhere Beiträge an die WHO notwendig.
(346) Wenn multilaterale Prozesse in den Vereinten Nationen und der EU dauerhaft blockiert
sind, braucht es im Sinne der Stärkung des internationalen Rechts und der internationalen
Ordnung Vorreiter.
(347) In Zeiten von dysfunktionalen internationalen Institutionen bauen informelle Formate
Brücken. Diese dürfen aber nicht Machtinstrumente gegenüber denen sein, die nicht an ihnen
beteiligt sind. Zum Beispiel spielen die G20 eine wichtige Rolle für die internationale
wirtschaftliche Zusammenarbeit und die Bewältigung globaler Herausforderungen. Sie müssen
für andere Akteure offen sein. Langfristig sollen die Beratungen der G20 in den Sozial- und
Wirtschaftsrat der Vereinten Nationen überführt werden.
(348) Neben der staatlichen Zusammenarbeit sind Bündnisse mit und zwischen Städten und
Regionen, Wirtschaftsakteur*innen sowie Zivilgesellschaften zentral. Nichtstaatliche Akteure
gehören stärker in Aushandlungsprozesse auf bilateraler und multilateraler Ebene einbezogen
und in ihrer Vernetzung untereinander unterstützt. Im Dialog mit der globalen
Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft können neue Wege entwickelt und neue
Bündnispartner*innen gefunden werden, um die sozial-ökologische Modernisierung
voranzutreiben. Auch wenn es noch keine Einigung auf ein internationales Vorgehen gibt, kann
so in zentralen Bereichen wie beim Handel oder in der Flucht- und Migrationspolitik
vorangegangen werden.
(349) Zu einer fairen Globalisierung gehört die Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe
genauso wie die Mitbestimmung und demokratische Organisierung auf kommunaler und regionaler
Ebene.
(350) Die eigene kulturelle, sprachliche und religiöse Identität zu leben, ist für viele
Menschen wesentlich. Statt in regionale Nationalismen, Unabhängigkeitsbestrebungen oder
gewaltsame Konflikte zu verfallen, braucht es eine Politik für nationale Minderheiten, die
deren Rechte auf kulturelle und sprachliche Vielfalt stärkt sowie gleichberechtigte
gesellschaftliche Teilhabe und kulturelle Partizipation sichert und fördert.
Globale Sicherheit
(351) Eine an universeller Würde und Freiheit orientierte Politik denkt Sicherheit nicht von
nationalen Grenzen, sondern von jedem einzelnen Menschen her. Zivile Krisenprävention,
Menschenrechte, die Gleichberechtigung der Geschlechter, die Ermächtigung marginalisierter
Gesellschaftsgruppen, eine gewaltfreie Regelung von Konflikten, Wiederaufbau, Klima- und
Umweltschutz, gerechte Ressourcenverteilung und die Geltung des internationalen Rechts sind
Grundlage einer nachhaltigen Friedens- und Sicherheitspolitik. Dazu gehören auch die
europäische Integration und die Beteiligung an Systemen kollektiver Sicherheit.
(352) Über Frieden und Sicherheit nachzudenken sollte nicht erst beginnen, wenn beides schon
in Gefahr ist. Konsequent auf alle Politikfelder angewandt kann das Prinzip der Vorsorge
viel Leid verhindern.
(353) Zivile Krisenprävention muss noch stärker institutionell verankert werden. Dazu bedarf
es ausreichender Analysekapazitäten, Regionalkompetenz, Wirkungsforschung, eines
intensivierten Wissenstransfers zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik und der
unmittelbaren Verfügbarkeit von Personal und Material. Zivile Krisenprävention und
politische Konfliktlösung haben unbedingt Vorrang vor dem Einsatz militärischer Gewalt. Wo
sich multiple Krisen häufen, kommt es besonders darauf an, bei der Krisenprävention
schneller besser zu werden.
(354) Das allgemeine Gewaltverbot der VN-Charta ist eine große Errungenschaft. VN-geführte
Friedenseinsätze sind ein zentrales Instrument kollektiver Friedenssicherung und als solche
trotz aller Defizite – gerade durch eine größere europäische Beteiligung an
Blauhelmeinsätzen – zu stärken.
(355) Die Europäische Union ist eine Friedensmacht. Das Primat des Zivilen und das breite
Spektrum ziviler Instrumente zeichnen sie aus. Friedensmissionen, zivile Krisenprävention,
Diplomatie, internationale Zusammenarbeit, humanitäre Hilfe und Auswärtige Kultur- und
Bildungspolitik, Mediation, die Bereitstellung von Zivil- und Polizeiexperten,
Rechtsstaatsförderung und gesellschaftliche Verständigungsarbeit sind die Stärken der
Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU. Sie muss institutionell, personell und
finanziell gestärkt und noch enger verzahnt werden.
(356) Maßgabe einer starken Außen- und Sicherheitspolitik sind der Schutz vor Gewalt und die
gleichberechtigte Vertretung von Frauen auf allen Ebenen, bei allen Verhandlungen und in
allen Gremien. Frauen sind fundamental für nachhaltige Versöhnungs- und Friedensprozesse. In
der feministischen Außenpolitik stehen der Schutz und die Rechte aller marginalisierten,
diskriminierten Bevölkerungsgruppen im Zentrum. Sie folgt dem Leitbild der „menschlichen
Sicherheit“.
(357) Die Klimakrise ist ein globales Sicherheitsrisiko. Klimapolitik ist daher ein
zentraler Bestandteil der globalen Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik. Dafür ist
ein internationales Rahmenwerk auf VN- und EU-Ebene zur Vermeidung von Klima- und
Umweltkonflikten erforderlich, um Staaten und Regionen, die besonders von den Folgen der
Klimakrise oder von Rohstoffknappheit, Dürren, Nahrungsknappheit und Überschwemmungen
betroffen sind, zu schützen und zu unterstützen: die Responsibility to Prepare.
(358) Abrüstung, Rüstungskontrolle und die Nichtverbreitung von Waffen sind und bleiben
wesentliche Pfeiler jeder Friedenspolitik. Abrüstung und Rüstungskontrolle bedeuten global
mehr Sicherheit für alle. Es braucht ein strenges Regelwerk zur Abrüstung und zum Verbot von
chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen Massenvernichtungswaffen. Dazu gehört
eine Unterstützung des VN-Atomwaffenverbotsvertrags. Der Anspruch ist nichts Geringeres als
eine atomwaffenfreie Welt.
(359) Exporte von Waffen und Rüstungsgütern an Diktatoren, menschenrechtsverachtende Regime
und in Kriegsgebiete verbieten sich. Es braucht eine gemeinsame restriktive europäische
Rüstungsexportkontrolle mit starken Institutionen und im Einklang mit den EU-Leitlinien für
Rüstungsexporte. EU-Mitgliedstaaten, die gegen verbindliche europäische
Rüstungsexportkriterien verstoßen, müssen mit Sanktionen rechnen. Der Einsatz von
Sicherheitsfirmen in internationalen Konflikten muss streng reguliert und private
Militärfirmen müssen verboten werden.
(360) Autonome tödliche Waffensysteme, die keiner Steuerung mehr durch den Menschen bei
Auswahl und Bekämpfung von Zielen unterliegen, stellen eine unberechenbare Bedrohung dar. Um
diese Entwicklung zu stoppen, braucht es international klare ethische Regeln und Verbote.
Weiterentwickelte, verbindliche Regeln sollen eine Militarisierung des Weltraumes
verhindern.
(361) Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten müssen sich gegen Angriffe auf ihre
kritische Infrastruktur schützen. Um Angriffe über und auf das Internet zu verhindern,
braucht es mehr eigene Anstrengung zur Sicherung der Infrastruktur und ein internationales
Vertragswerk.
(362) Die Anwendung militärischer Kriegsgewalt bringt immer massives Leid mit sich. Wir
wissen aber auch, dass die Unterlassung in einzelnen Fällen zu größerem Leid führen kann.
Handlungsleitend in der internationalen Sicherheitspolitik ist auch das erweiterte VN-
Konzept der Schutzverantwortung (Responsibility to Prevent, Protect, React, Rebuild), das
uns als internationale Gemeinschaft verpflichtet, Menschen vor schwersten
Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen. Zentral für
Frieden, Versöhnung und Gerechtigkeit ist auch der Einsatz gegen die Straflosigkeit solcher
Menschenrechtsverbrechen.
(363) Der Einsatz von militärischer Gewalt ist immer nur äußerstes Mittel. Bewaffnete
Einsätze der Bundeswehr im Ausland sind einzubetten in ein System gegenseitiger kollektiver
Sicherheit und in ein politisches Gesamtkonzept, basierend auf dem Grundgesetz und dem
Völkerrecht. Bei Eingriffen in die Souveränität eines Staates oder dort, wo staatliche
Souveränität fehlt, braucht es ein Mandat der Vereinten Nationen. Wenn das Vetorecht im
Sicherheitsrat missbraucht wird, um schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu decken,
steht die Weltgemeinschaft vor einem Dilemma, weil Nichthandeln genauso Menschenrechte und
Völkerrecht schädigt wie Handeln.
(364) Die Bundeswehr ist eine in internationalen Bündnissen verankerte Parlamentsarmee.
Daraus erwächst eine Fürsorgepflicht des Parlaments gegenüber den Soldat*innen sowie die
Verpflichtung, sie entsprechend ihrem Auftrag und ihren Aufgaben auszustatten. Der Auftrag
und die Aufgaben der Bundeswehr orientieren sich an den realen Herausforderungen für
Sicherheit und Friedenssicherung. Deutschland soll sich auf seine Bündnispartner verlassen
können und genauso sollen sich die Bündnispartner auf Deutschland verlassen. Direkte
Einsätze im Rahmen der VN haben dabei Vorrang vor Einsätzen der EU oder der NATO.
(365) Die Prinzipien der „Inneren Führung“ und der „Staatsbürger*innen in Uniform“ binden
die Soldat*innen an die Gesellschaft und die Werte und Normen des Grundgesetzes. Eine
Bundeswehr, die fest in unserer Gesellschaft verankert ist, muss die Vielfalt der
Gesellschaft abbilden. Das betrifft den Anteil von Menschen unterschiedlicher sozialer
Herkunft, mit und ohne Migrationserfahrung, von People of Color sowie von Frauen, die in der
Bundeswehr beschäftigt sind. Menschenfeindliche Ideologien und rechte Strukturen in der
Bundeswehr müssen konsequent verfolgt und zerschlagen werden. Unsere Geschichte lehrt uns,
wie unersetzlich Demokratiebildung und antifaschistische Grundwerte gerade in einer Armee
sind.
(366) Gemeinsam mit den internationalen Partnern muss die Europäische Union ihrer
Verantwortung für die eigene Sicherheit und Verteidigung gerecht werden. Die gemeinsame
Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU setzt eine gemeinsame EU-Außenpolitik voraus.
Es braucht eine Sicherheitsunion, die parlamentarisch kontrolliert ist. Anstatt immer mehr
Geld in nationale militärische Parallelstrukturen zu leiten, sollte die verstärkte
Zusammenarbeit der Streitkräfte in der EU ausgebaut und militärische Fähigkeiten sollten
gebündelt werden. Dafür braucht es eine geeignete Ausstattung, den Ausbau von EU-Einheiten
sowie eine Stärkung des gemeinsamen europäischen Hauptquartiers.
(367) Die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union muss strategisch,
vorausschauend, umfassend und schnell handlungsfähig sein. Dazu braucht es eine gemeinsame
Analysefähigkeit sowie eine Stärkung des Europäischen Auswärtigen Dienstes. Schritt für
Schritt sollen immer mehr Entscheidungen in diesem Bereich mit qualifizierter Mehrheit
getroffen werden können.
(368) Die NATO ist auf absehbare Zeit ein unverzichtbarer und sicherheitspolitischer
Renationalisierung entgegenwirkender Bestandteil der europäischen Sicherheitsarchitektur
sowie der transatlantischen Beziehungen. Sie leidet unter divergierenden
sicherheitspolitischen Interessen innerhalb der Allianz und einer unklaren strategischen
Perspektive. Es braucht eine strategische Neuausrichtung. Mit einer stärkeren militärischen
Zusammenarbeit und Koordinierung innerhalb der EU und mit den europäischen NATO-Partnern
Großbritannien und Norwegen können europäische strategische Interessen geschlossen und
durchsetzungsstärker vertreten werden.
(369) Frieden in Europa bedeutet mehr als Frieden, Sicherheit und Stabilität in der EU. Wir
teilen die Vision einer gesamteuropäischen Sicherheitsordnung innerhalb des OSZE-Raums. Die
OSZE braucht eine Stärkung, um das Ziel eines Systems kollektiver Sicherheit in ganz Europa
voranzubringen.
Globale Strukturpolitik
(370) In einer verflochtenen Welt verbinden und überkreuzen sich alle Bereiche der Politik.
Globale Strukturpolitik muss sich für die sozial-ökologische Transformation von einer
„Politik nach außen“ lösen und einen abgestimmten, vernetzten Ansatz verfolgen. Das heißt
auch, das Denken in einzelnen Ressorts zu beenden und innere Widersprüche im
Regierungshandeln konsequent auszuräumen. Alle politischen Entscheidungen müssen einem
verpflichtenden Nachhaltigkeitscheck unterzogen werden.
(371) Handlungsrahmen für das Gesamtregierungshandeln sind die Menschenrechte, die
Klimaziele von Paris und die Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen für eine nachhaltige
Entwicklung. Sie sind Voraussetzung dafür, Strukturen global und nachhaltig gestalten zu
können. So konnten Erfolge bei der Bekämpfung von Armut und Hunger sowie beim Zugang zum
Gesundheits- und Bildungssystem erreicht werden. Das Recht auf Entwicklung gilt weltweit. Um
die globalen Nachhaltigkeitsziele einzuhalten und das globale Zusammenleben möglichst
krisenfest zu gestalten, braucht es kohärente Politik in allen Politikfeldern.
(372) Internationale Zusammenarbeit mit Staaten und Zivilgesellschaften in ärmeren Regionen
der Welt ist weder auf Entwicklungszusammenarbeit zu reduzieren noch einseitigen
wirtschafts- oder sicherheitspolitischen Interessen unterzuordnen. Internationale
Zusammenarbeit basiert vielmehr auf rechtebasierter Kooperation, dem Partnerschaftsprinzip
bei globalen Herausforderungen, auf Selbstbestimmung und hat globale Gerechtigkeit und die
Sicherung globaler öffentlicher Güter zum Ziel.
(373) Die Fehler der Ausbeutung von Mensch und Natur müssen überwunden werden durch ein
faires und nachhaltiges Wachstums- und Wohlstandsmodell. Aus den Verbrechen des
Kolonialismus erwächst für Deutschland und Europa eine besondere Verantwortung.
Wertegeleitete Politik hat ihr Handeln konsequent auf friedens-, menschenrechts- und
klimapolitisch kontraproduktive Wirkungen zu prüfen und Schädliches zu unterlassen.
(374 neu) Die globale sozial-ökologische Transformation erfordert, dass Menschen über die globale Wirkung ihres eigenen aber auch über die des wirtschaftlichen und staatlichen Handelns informiert sind . Eine gesellschaftliche Transformation braucht starke partizipative Institutionen. Die Bildung für nachhaltige Entwicklung befähigt die Menschen in dieser komplexen globalisierten Welt, sich nachhaltig und zukunftsorientiert am politischen Willensbildungsprozess zu beteiligen. Nachhaltige und globale Bildung muss für alle Menschen zugänglich und breit in unserem formalen und informalen Bildungsprozess verankert sein.
(374) Es braucht eine starke öffentliche Säule der Entwicklungsfinanzierung. Sie gehört
wirksam ausgeweitet und verbessert. Die globale Transformation bedeutet vor allem in ärmeren
Ländern massive Investitionen. Diese nachhaltig, sozial-ökologisch und auf lokale
Bedürfnisse ausgerichtet bereitzustellen, muss ein zentrales Ziel der globalen
Finanzierungsarchitektur sein. Internationale Zusagen müssen verbindlich eingehalten und die
Förderung der Geschlechtergerechtigkeit muss berücksichtigt werden. In der internationalen
Klimafinanzierung stehen die Industriestaaten gegenüber den ärmeren Ländern bei der
Anpassung und bei der Bewältigung von Schäden und Verlusten in der Verantwortung.
(375) Als weltweit größte Geberin hat die EU ein großes Potential für mehr Kohärenz und
Effizienz in der globalen Strukturpolitik. Ziel ist mittelfristig eine europäische
Vergemeinschaftung der nationalen Entwicklungspolitiken der Mitgliedstaaten. Eine gemeinsame
europäische Entwicklungszusammenarbeit soll zu einem Kern des gemeinsamen europäischen
Handelns werden.
(376) Nachhaltiger Frieden und Demokratie sind auf eine aktive Zivilgesellschaft angewiesen.
Eine lebendige Zivilgesellschaft trägt dazu bei, Korruption und soziale Ungleichheit zu
bekämpfen. Daher gilt es, die Handlungsspielräume einer kritischen Zivilgesellschaft global
zu verteidigen und die Selbstorganisationskräfte der Zivilgesellschaft zu stärken und zu
erweitern.
Handel
(377) Internationaler Handel verbindet Menschen und Staaten, ermöglicht Teilhabe an Gütern
und Dienstleistungen und die Verbreitung von Innovationen. Handel ist kein Selbstzweck,
sondern dient einem gerechten Wohlstand und damit der menschlichen Entfaltung. Er soll fair
gestaltet und demokratisch kontrolliert werden. Er muss zur Umsetzung der VN-
Nachhaltigkeitsziele und des Pariser Klimaabkommens beitragen, anstatt diese zu
konterkarieren.
(378) Eine demokratische Welthandelsordnung unter dem Dach einer reformierten WTO soll für
den regelgebundenen Ausgleich von Interessen stehen. Auch fortschrittliche bilaterale
Abkommen sind wichtige Schritte auf diesem Weg, wenn sie transparent und demokratisch
zustande kommen und sich an globalen Gemeinwohlinteressen ausrichten.
(379) Europäische Handelspolitik ist ein starkes Instrument, um Umwelt-, Tier- und
Klimaschutz, die Einhaltung der Menschenrechte und soziale Standards wie den Schutz von
Arbeitnehmer*innen-Rechten mit Wirtschaftsinteressen in Einklang zu bringen und weltweit
durchzusetzen. Bereiche der Daseinsvorsorge, also öffentliche Güter wie beispielsweise
Bildung, Gesundheit, soziale Sicherheit oder Wasser, sind staatliche Aufgaben und
unterliegen einem öffentlichen Interesse. Sonderrechte und Sonderjustiz für Konzerne sind
auszuschließen.
(380) Es braucht weltweit eine regionale Versorgungssicherheit mit überlebensnotwendigen
Lebens- und Arzneimitteln. Daher dürfen diese nicht allein krisenanfälligen globalen
Lieferketten überlassen werden, sondern müssen auch im europäischen Binnenmarkt produziert
werden können.
(381) Handelsabkommen sind stark, wenn sie regionale Wirtschaftskreisläufe beachten und
Instrumente beinhalten, welche die Einhaltung der Nachhaltigkeitsziele sichern, wie zum
Beispiel Mindeststandards oder Handelsbeschränkungen.
(382) Fairer Handel braucht einen Abbau der Ungleichgewichte im Welthandel und in der
Eurozone. Deutschland hat dabei eine besondere Verantwortung und sollte mit öffentlichen
Investitionen, guten Löhnen oder einer Stärkung der Binnennachfrage seinen
Handelsbilanzüberschuss schrittweise reduzieren.
(383) Ärmere Länder sind im Welthandel mit einer asymmetrischen Zollpolitik zu stärken. Sie
sollen souverän entscheiden, welche Bereiche ihrer Wirtschaft sie öffnen und welche sie
vorerst schützen wollen. Industriestaaten müssen unter Berücksichtigung hoher ökologischer
und sozialer Standards ihre Märkte hingegen für diese Länder öffnen und sollen Exporte nicht
subventionieren, die lokale Märkte zerstören. Denn formal gleiche Rechte bei ungleich
verteilter ökonomischer Macht führen zu ungerechten Ergebnissen.
(384) Herstellung, Produktion und Transport der Waren für den europäischen Markt müssen frei
sein von ausbeuterischer Arbeit, Menschenrechtsverletzungen, Kinderarbeit und
Umweltzerstörung. Dafür soll Fair Trade Standard werden. Das gilt für den gesamten Weg der
Lieferketten und ist über vollständige Transparenz, etwa durch digitale Verfahren, sowie
über gesetzliche Verpflichtungen herzustellen. Dabei kommt der öffentlichen Hand als weitaus
größtem Beschaffer eine besondere Verantwortung zu.
Finanzmärkte und Währungsordnung
(385) Unregulierte globale Finanzmärkte haben zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine schwere
Wirtschaftskrise ausgelöst und weltweit für schwere Verwerfungen gesorgt. Kurzfristige,
spekulative Finanzströme sollen daher reguliert, verteuert und notfalls verboten werden.
Auch mit Steuerumgehung und nicht gesicherten Spekulationen soll künftig kein Geld mehr
verdient werden. Steuersümpfe müssen trockengelegt und internationale Steuerhinterziehung
muss bekämpft werden.
(386) Nachhaltige internationale Direktinvestitionen fördern die weltweite Entwicklung und
gehören zu einer starken europäischen Außenwirtschaftspolitik. Eine gerechte
Weltwährungsordnung ermöglicht allen Ländern – nicht nur den wohlhabenden – eine
langfristige und damit verlässliche Finanzierung von Investitionen. Neben einer Regulierung
von kurzfristigem Kapitalverkehr braucht es dafür die Stabilisierung von Wechselkursen.
(387) Nur globale öffentliche Institutionen können gegen spekulative Attacken auf Staaten
und ihre Währungen absichern. Langfristiges Ziel ist daher eine weltweite Kooperation der
Zentralbanken sowie eine Stärkung und Demokratisierung des Internationalen
Währungsfonds (IWF). So soll Liquidität sichergestellt, dem globalen Finanzmarkt ein
stabiler Rahmen gesetzt und Krisen sollen so verhindert werden. Die Europäische Zentralbank
steht schon jetzt in der Verantwortung, die Auswirkungen ihrer Politik auf weniger und am
wenigsten entwickelte Länder zu berücksichtigen sowie Wechselkurse zu stabilisieren und
abzusichern. So hilft europäische Geldpolitik, spekulative Kapitalflucht aus diesen Ländern
zu vermeiden und deren Entwicklung zu fördern.
(388) Schulden können – wenn das Geld gut investiert wird – Entwicklung fördern und die
notwendige Finanzierung für die sozial-ökologische Transformation bereitstellen.
Überschuldung hingegen schadet insbesondere den Ärmsten der Armen. Aber sie bremst auch die
Verwirklichung der Nachhaltigkeitsziele, gefährdet Gesundheitsversorgung, Bildung und
Infrastruktur in vielen Ländern. Die internationale Gemeinschaft muss regelbasierte
Verfahren ermöglichen, um bei Zahlungsunfähigkeit von Staaten durch Schuldenerlasse,
Zahlungsaufschübe oder einen Schuldenschnitt einen Ausgleich zu finden.
(389) Zu einer weltpolitikfähigen EU gehört eine sichere und starke Währung. Der Euro soll
zu einer globalen Leitwährung werden. Voraussetzung dafür sind eine gemeinsame Fiskalpolitik
der EU sowie die Herausgabe sicherer und liquider gemeinsamer Anleihen, abgesichert mit
eigenen Steuerquellen. Europas strategische Souveränität soll auch durch eigene europäische
Zahlungssysteme und ein digitales Zentralbankgeld sichergestellt werden.
Migration und Flucht
(390) Migration ist etwas zutiefst Menschliches und war stets Triebfeder für Entwicklung und
globale Zusammenarbeit, genauso Quelle von Austausch und Innovation. Migration ist kein
Ausnahmezustand, sondern prägt und verändert seit Jahrhunderten auch unsere Gesellschaft und
unseren Alltag auf allen Ebenen. Unsere Demokratie ist keine, in der Zugehörigkeit auf
Herkunft basiert, sondern eine offene Gesellschaft, in der wir uns gemeinsam darüber
verständigen, wie wir zusammenleben wollen.
(391) Der Globale Pakt für Migration stärkt und sichert die Rechte und die Freiheit von
Menschen, die nicht in ihrem Geburtsland leben, arbeiten oder zur Schule gehen. Er ist
Grundlage für die internationale Verständigung zum rechtebasierten Umgang mit Migration und
soll in diesem Sinne weiterentwickelt werden. Seine Prinzipien müssen national verbindlich
umgesetzt werden.
(392) Migration braucht legale Zugangswege. Deutschland ist ein Einwanderungsland. Deshalb
braucht es ein Einwanderungsgesetz mit fairen und diskriminierungsfreien Kriterien für
legale Einwanderung. Das schließt ein Recht auf Familienleben mit ein sowie dass Menschen
ihren Status wechseln und zwischen ihrem Herkunftsland und dem Wohnort hin- und herreisen
können. Menschen, die hier leben, sollen schnell den Zugang zu staatsbürgerlichen Rechten
bekommen. Dafür braucht es ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht, das mehrere
Staatsbürgerschaften ermöglicht.
(393) Menschen, die aufgrund von politischer Verfolgung, Folter, massiven
Menschenrechtsverletzungen oder Krieg gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen, werden durch
das Asylrecht geschützt. Das international verankerte Recht, in einem anderen Land Schutz zu
suchen, beruht auf den Lehren aus dem Menschheitsverbrechen der Shoah. Die völkerrechtlich
verbindlichen Regeln, insbesondere der Genfer Flüchtlingskonvention, gelten universell und
uneingeschränkt für alle Geflüchteten. Das individuelle Grundrecht auf Asyl ist Grundpfeiler
einer menschenrechtsorientierten Politik und muss unangetastet bleiben. Der Globale Pakt für
Flüchtlinge steht für das Bestreben, Flucht international menschenwürdig zu gestalten und
die Rechte der Betroffenen zu schützen. Entsprechend muss der internationale Umgang mit
Geflüchteten rechtebasiert weiterentwickelt werden.
(394) Egal wo jemand herkommt, egal wo jemand hinwill oder aus welchem Grund ein Mensch in
Seenot ist: Menschen sind aus Lebensgefahr zu retten und an einen sicheren Ort zu bringen.
Dort, wo Menschen in Not sind, haben Staaten die Verantwortung, Rettungen zu koordinieren
und zu organisieren. Dafür braucht es ein gemeinsames EU-Seenotrettungssystem.
Hilfsorganisationen, die Menschen aus Seenot retten, müssen unterstützt und dürfen nicht
kriminalisiert werden.
(395) Die weltweite Zahl von Menschen auf der Flucht steigt auch durch klimabedingte
Katastrophen, die wiederum bestehende Konflikte weiter verschärfen. Ziel muss sein, durch
Klimaanpassung und -schutz zu verhindern, dass Menschen aufgrund der Klimafolgen ihre Heimat
verlassen müssen. Menschen, denen Staatenlosigkeit droht oder die dauerhaft ihre Heimat
verlieren, brauchen Möglichkeiten zur würdevollen Migration. Sie dürfen nicht in eine
Schutzlücke geraten. Perspektivisch brauchen sie einen völkerrechtlichen Schutzstatus.
(396) Menschen brauchen Perspektiven. Duldungen bedeuten einen Zustand in der Schwebe,
fortdauernde Unsicherheit und Perspektivlosigkeit. Ein solcher Ausnahmezustand muss Ausnahme
bleiben. Menschen, die dauerhaft hier leben, brauchen ein Bleiberecht. Abschiebungen in
Kriegs- und Krisengebiete verbieten sich.
(397) Rechtsstaatliche, schnelle und geordnete Verfahren ermöglichen die Wahrnehmung der
menschenrechtlichen und humanitären Verantwortung der EU. Abschottung ist nicht nur inhuman,
sondern führt zu Chaos. Rechtsstaatlich kontrollierte EU-Außengrenzen, eine zuverlässige
Registrierung – perspektivisch über eine eigene europäische Asylbehörde – sowie ein
einheitliches europäisches Asylsystem, das die Verantwortung innerhalb der EU fair verteilt,
sind die Grundlagen einer gemeinsamen EU-Asylpolitik. Grenzen sind nur rechtsstaatlich
geschützt, wenn Menschenrechte an diesen Grenzen geschützt werden.
(398) Nicht jede*r hat das Recht auf Asyl, aber jede*r hat das Recht auf ein
rechtsstaatliches Verfahren mit individueller Prüfung sowie auf eine würdige Unterbringung
und Behandlung. Zugang zu rechtlicher Beratung und Widerspruchsmöglichkeiten sowie zu
ärztlicher Versorgung muss in dieser Zeit gewährleistet sein.
(399) Um eine humanitäre Versorgung von geflüchteten Menschen auch außerhalb der
Europäischen Union zu unterstützen, sind Kooperation und Solidarität mit Nachbarstaaten und
weiteren Aufnahmeländern notwendig. Kooperationen mit Drittstaaten dürfen jedoch nicht zu
Menschenrechtsverletzungen führen oder zum Ziel haben, Schutz in Europa unmöglich zu machen.
Besonderen Schutz brauchen vulnerable Gruppen wie zum Beispiel Frauen, Kinder, LGBTIQ, alte
und kranke Menschen.
(400) Das Bekämpfen von Fluchtursachen heißt, die Gründe für Flucht und nicht die Menschen
auf der Flucht zu bekämpfen. Europäische Politik muss sich danach ausrichten, die
politischen Herausforderungen global zu denken und auch lokal dafür Sorge zu tragen, globale
Gerechtigkeit zu stärken. Europäische Wirtschafts-, Finanz-, Handels-, Agrar- oder
Rüstungsexportpolitik muss konsequent auf ihre sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen
Wirkungen in Drittstaaten überprüft werden und nach dem Pariser Klimaabkommen, den
Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen sowie den Menschenrechten gestaltet sein.
(401) Im Zentrum unserer Asyl- und Migrationspolitik steht der Mensch in seiner Würde und
Freiheit. Unser Ziel ist eine Welt, in der Menschen nicht zur Flucht gezwungen werden.
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Wertegeleitete Politik hat ihr Handeln konsequent auf friedens-, menschenrechts- und klimapolitisch kontraproduktive Wirkungen zu prüfen und Schädliches zu unterlassen.
(374 neu) Die globale sozial-ökologische Transformation erfordert, dass Menschen über die globale Wirkung ihres eigenen aber auch über die des wirtschaftlichen und staatlichen Handelns informiert sind . Eine gesellschaftliche Transformation braucht starke partizipative Institutionen. Die Bildung für nachhaltige Entwicklung befähigt die Menschen in dieser komplexen globalisierten Welt, sich nachhaltig und zukunftsorientiert am politischen Willensbildungsprozess zu beteiligen. Nachhaltige und globale Bildung muss für alle Menschen zugänglich und breit in unserem formalen und informalen Bildungsprozess verankert sein.
Kapitel 8: International zusammenarbeiten
Frieden und internationale Ordnung
(327) Die großen politischen Herausforderungen unserer Zeit lassen sich nur global lösen.
Nachhaltige Politik bedarf vorausschauenden Handelns in internationaler Kooperation.
(328) Eine an Frieden, Freiheit, Solidarität, Menschenrechten und globaler Gerechtigkeit
orientierte Politik braucht Bündnisse all derer, die an den Wert von Kooperation und die
Stärke des Rechts in den internationalen Beziehungen glauben – gerade weil offene
Gesellschaften immer stärker auch im globalen Systemwettbewerb mit autoritären Staaten und
Diktaturen stehen. Multilaterale Zusammenarbeit in den internationalen Organisationen bleibt
die beste Form, globale Politik zu gestalten.
(329) Es braucht eine internationale Ordnung, die auf der gerechten Verteilung globaler
Ressourcen und auf verbindlichen Regeln fußt, die die Rechte von Einzelnen und von
Kollektiven schützt, Konflikte verhindert oder gewaltfrei und zum Wohle der Allgemeinheit
löst.
(330) Eine friedliche und gerechte Weltordnung erfordert starke Vereinte Nationen mit dem
Ziel einer Weltinnenpolitik. Die Vereinten Nationen sind das zentrale Forum, um
völkerrechtliche Normen zu entwickeln und sich auf weltgemeinschaftliche Ziele zu
verständigen. Sie müssen gestärkt werden.
(331) Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik ist unsere Brücke in die
Zivilgesellschaften der Welt. Das Netzwerk ihrer Akteur*innen schafft sichere
Begegnungsräume für den kulturellen Austausch, Zugang zu Bildung und Wissen und übernimmt
Verantwortung auch aus unserer Geschichte heraus. Sie ist wertegeleitete Außenpolitik auf
individueller Ebene, die Frieden und Entwicklung, internationale Kooperation und Solidarität
in den Mittelpunkt stellt.
(332) Zur Bearbeitung globaler Herausforderungen braucht es die Europäische Union als
Friedensmacht, die sich ihrer Verantwortung in der Welt, besonders im Rahmen der Vereinten
Nationen, bewusst ist und zum Prinzip der internationalen Kooperation steht. Dieser
Verantwortung kann die EU nur gerecht werden, wenn sie nationale Spaltungen überwindet und
gemeinsam handelt. Die Antwort auf die aktuellen globalen Herausforderungen ist eine stetige
Vertiefung und Weiterentwicklung der EU, perspektivisch hin zu einer Föderalen Europäischen
Republik.
Europäische Union
(333) Die Europäische Union ist Anker für Multilateralismus und demokratische Souveränität
in einer globalisierten Welt. Es gilt, das Versprechen der Europäischen Union auf eine
wertebasierte Politik nach innen und außen einzulösen. Bei Krisen gerät das Projekt EU immer
wieder unter Druck, die Nationalstaaten agieren ohne Absprachen und oft unsolidarisch.
Gerade in Krisen aber zeigt sich, dass die EU als Gemeinschaft stärker ist als jedes Land
für sich allein und dass die Europäische Union mehr ist als ein Binnenmarkt. Sie muss als
politisches Projekt weiterentwickelt werden.
(334) Es ist zentrale Verantwortung der EU-Mitgliedstaaten, die Gräben in der Europäischen
Union nicht durch nationale Egoismen zu vergrößern. Es ist ihre Verantwortung, die
Handlungsfähigkeit der EU nach innen und außen zu verbessern.
(335) Die Europäische Grundrechtecharta, freie Binnengrenzen und europäische Freizügigkeit
sind Meilensteine der europäischen Einigung, hinter die wir nicht zurückfallen dürfen.
(336) Auf Grundlage der gemeinsamen Werte braucht es ein gemeinsames strategisches
Bewusstsein der EU, das sich durch die verschiedenen Politikbereiche zieht. Indem die EU
mehr strategische Souveränität aufbaut, kann sie auch global Demokratie schützen und den
Klimaschutz voranbringen sowie in der Wirtschafts- und Finanzpolitik an Menschenrechten und
Gemeinwohl orientierte Standards setzen.
(337) Mit dem größten Binnenmarkt der Welt hat die EU wirtschaftlich einen großen Einfluss.
Daraus erwächst die Verantwortung, diese Stärke für eine an Menschenrechten und Gemeinwohl
orientierte und regulierte Globalisierung einzusetzen, die Krisen verhindert, statt sie zu
verstärken. Wer ökologisch, sozial, transparent und menschenrechtskonform produziert, soll
davon einen Vorteil haben. Wer das Gegenteil tut, soll negative Konsequenzen spüren.
(338) Damit Herausforderungen nicht nur durch die eigene nationalstaatliche Brille
betrachtet werden und um gegenseitiges Verständnis zu stärken, braucht es einen
paneuropäischen Diskurs in einer europäischen Öffentlichkeit sowie eine paneuropäische
Zivilgesellschaft. Dafür sind nichtkommerzielle und europäisch geförderte Kommunikations-
und Begegnungsräume für alle Europäer*innen notwendig – digital, über die klassischen Medien
und im direkten Austausch miteinander –, ebenso wie gemeinsame Organisationsformen wie
europäische Vereine und gemeinnützige Organisationen.
(339) Eine starke Europäische Union gibt es nur mit verstärkter Zusammenarbeit. Denn nicht
alle EU-Staaten wollen immer dasselbe zur selben Zeit. Die fehlende Einigung der EU-Staaten
oder die Blockadehaltung einzelner Staaten dürfen nicht zur Ausrede für kollektives
Nichthandeln werden. Deswegen müssen manche Mitgliedstaaten nächste Schritte eher gehen als
andere und in manchen Dingen gemeinsam vorangehen. Dabei ist immer sicherzustellen, dass das
Projekt der Europäischen Union als Ganzes nicht gefährdet wird und dass alle Mitgliedstaaten
sich jederzeit anschließen können. So kann es in einem Bündnis der europäischen Demokratien
auch gegen die nationalistischen Kräfte und Regierungen in Europa gelingen, das europäische
Einigungswerk fortzusetzen sowie Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zu stärken.
(340) Die EU muss weltpolitikfähig werden. Sie muss im Sinne universeller Werte und daraus
abgeleiteter Interessen die Regeln und Realitäten des internationalen Umfelds mitgestalten.
Eine geeinte Europäische Union kann sich in der globalisierten Welt als Akteurin behaupten
und demokratische und nachhaltig orientierte Gestaltungskraft entfalten. Die Grundlage dafür
bilden die Menschenrechte und die globalen Nachhaltigkeitsziele.
(341) Die EU muss ihre Soft Power nutzen, um die internationale Politik entscheidend
mitzugestalten. Dabei gilt es, nationale Interessen im Lichte des europäischen Gemeinwohls
und der europäischen Handlungsfähigkeit zu definieren und die Leitlinien der Mitgliedstaaten
in einer gemeinsamen außenpolitischen Strategie zu bündeln. Das Prinzip der Einstimmigkeit
soll durch Mehrheitsentscheidungen ersetzt werden, um die gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik der EU (GASP/GSVP) zu stärken und so handlungsfähiger zu werden.
(342) Das Friedensprojekt Europa ist mehr als die EU. Daraus erwachsen Verpflichtungen im
Erweiterungsprozess und in der Nachbarschaftspolitik. Die EU steht in der politischen
Verantwortung, das Vertrauen in das Beitrittsversprechen nicht zu enttäuschen und
gleichzeitig den notwendigen Reformprozess in den Beitrittsländern mitzugestalten.
Partnerschaften, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Solidarität mit den Regionen vor Europas
Haustür tragen zu Stabilität und Sicherheit bei. Die Östliche Partnerschaft der EU ist eine
wichtige Säule, die auf demokratischer Solidarität und der selbstbestimmten Entwicklung der
osteuropäischen Nachbarn basiert. Auch die Kooperationen mit Staaten in Nordafrika und dem
Nahen Osten können Demokratisierung, Durchsetzung von Menschenrechten und wirtschaftliche
Entwicklung stärken. Unter dieser Prämisse sollen sie ausgebaut werden. Die gemeinsamen
europäischen Institutionen wie OSZE oder Europarat sind im Zusammenspiel mit einer starken
Europäischen Union wichtige Plattformen einer multilateralen Weltordnung.
Bündnispolitik
(343) Die Vereinten Nationen bilden den multilateralen Rahmen der internationalen
Zusammenarbeit. Mehr Verantwortung in den Vereinten Nationen erfordert von Deutschland und
der EU, ihr Engagement finanziell, personell und diplomatisch substanziell zu verstärken,
besser zu koordinieren und die internationalen Vereinbarungen auch konsequent und kohärent
in nationale und europäische Politik umzusetzen. Dabei geht es um das Prinzip der Reform
durch Stärkung. Das ist gerade wichtig, wenn nationale Egoismen zunehmen und wichtige
Entscheidungen blockiert werden.
(344) Der Sicherheitsrat und andere Organe der Vereinten Nationen müssen an die Realitäten
des 21. Jahrhunderts angepasst werden. Das betrifft sowohl die strukturelle und finanzielle
Ausstattung von VN-Organisationen als auch eine gerechtere Repräsentation der Regionen und
der Beitragsleister im Sicherheitsrat.
(345) Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) soll als Sonderorganisation der VN und als
wichtigste Organisation im Bereich der globalen Gesundheit gestärkt werden. Ihre Aufgabe
kann sie nur mit einer ausreichenden Ausstattung und einem starken Mandat ausführen. Dafür
sind deutlich höhere Beiträge an die WHO notwendig.
(346) Wenn multilaterale Prozesse in den Vereinten Nationen und der EU dauerhaft blockiert
sind, braucht es im Sinne der Stärkung des internationalen Rechts und der internationalen
Ordnung Vorreiter.
(347) In Zeiten von dysfunktionalen internationalen Institutionen bauen informelle Formate
Brücken. Diese dürfen aber nicht Machtinstrumente gegenüber denen sein, die nicht an ihnen
beteiligt sind. Zum Beispiel spielen die G20 eine wichtige Rolle für die internationale
wirtschaftliche Zusammenarbeit und die Bewältigung globaler Herausforderungen. Sie müssen
für andere Akteure offen sein. Langfristig sollen die Beratungen der G20 in den Sozial- und
Wirtschaftsrat der Vereinten Nationen überführt werden.
(348) Neben der staatlichen Zusammenarbeit sind Bündnisse mit und zwischen Städten und
Regionen, Wirtschaftsakteur*innen sowie Zivilgesellschaften zentral. Nichtstaatliche Akteure
gehören stärker in Aushandlungsprozesse auf bilateraler und multilateraler Ebene einbezogen
und in ihrer Vernetzung untereinander unterstützt. Im Dialog mit der globalen
Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft können neue Wege entwickelt und neue
Bündnispartner*innen gefunden werden, um die sozial-ökologische Modernisierung
voranzutreiben. Auch wenn es noch keine Einigung auf ein internationales Vorgehen gibt, kann
so in zentralen Bereichen wie beim Handel oder in der Flucht- und Migrationspolitik
vorangegangen werden.
(349) Zu einer fairen Globalisierung gehört die Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe
genauso wie die Mitbestimmung und demokratische Organisierung auf kommunaler und regionaler
Ebene.
(350) Die eigene kulturelle, sprachliche und religiöse Identität zu leben, ist für viele
Menschen wesentlich. Statt in regionale Nationalismen, Unabhängigkeitsbestrebungen oder
gewaltsame Konflikte zu verfallen, braucht es eine Politik für nationale Minderheiten, die
deren Rechte auf kulturelle und sprachliche Vielfalt stärkt sowie gleichberechtigte
gesellschaftliche Teilhabe und kulturelle Partizipation sichert und fördert.
Globale Sicherheit
(351) Eine an universeller Würde und Freiheit orientierte Politik denkt Sicherheit nicht von
nationalen Grenzen, sondern von jedem einzelnen Menschen her. Zivile Krisenprävention,
Menschenrechte, die Gleichberechtigung der Geschlechter, die Ermächtigung marginalisierter
Gesellschaftsgruppen, eine gewaltfreie Regelung von Konflikten, Wiederaufbau, Klima- und
Umweltschutz, gerechte Ressourcenverteilung und die Geltung des internationalen Rechts sind
Grundlage einer nachhaltigen Friedens- und Sicherheitspolitik. Dazu gehören auch die
europäische Integration und die Beteiligung an Systemen kollektiver Sicherheit.
(352) Über Frieden und Sicherheit nachzudenken sollte nicht erst beginnen, wenn beides schon
in Gefahr ist. Konsequent auf alle Politikfelder angewandt kann das Prinzip der Vorsorge
viel Leid verhindern.
(353) Zivile Krisenprävention muss noch stärker institutionell verankert werden. Dazu bedarf
es ausreichender Analysekapazitäten, Regionalkompetenz, Wirkungsforschung, eines
intensivierten Wissenstransfers zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik und der
unmittelbaren Verfügbarkeit von Personal und Material. Zivile Krisenprävention und
politische Konfliktlösung haben unbedingt Vorrang vor dem Einsatz militärischer Gewalt. Wo
sich multiple Krisen häufen, kommt es besonders darauf an, bei der Krisenprävention
schneller besser zu werden.
(354) Das allgemeine Gewaltverbot der VN-Charta ist eine große Errungenschaft. VN-geführte
Friedenseinsätze sind ein zentrales Instrument kollektiver Friedenssicherung und als solche
trotz aller Defizite – gerade durch eine größere europäische Beteiligung an
Blauhelmeinsätzen – zu stärken.
(355) Die Europäische Union ist eine Friedensmacht. Das Primat des Zivilen und das breite
Spektrum ziviler Instrumente zeichnen sie aus. Friedensmissionen, zivile Krisenprävention,
Diplomatie, internationale Zusammenarbeit, humanitäre Hilfe und Auswärtige Kultur- und
Bildungspolitik, Mediation, die Bereitstellung von Zivil- und Polizeiexperten,
Rechtsstaatsförderung und gesellschaftliche Verständigungsarbeit sind die Stärken der
Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU. Sie muss institutionell, personell und
finanziell gestärkt und noch enger verzahnt werden.
(356) Maßgabe einer starken Außen- und Sicherheitspolitik sind der Schutz vor Gewalt und die
gleichberechtigte Vertretung von Frauen auf allen Ebenen, bei allen Verhandlungen und in
allen Gremien. Frauen sind fundamental für nachhaltige Versöhnungs- und Friedensprozesse. In
der feministischen Außenpolitik stehen der Schutz und die Rechte aller marginalisierten,
diskriminierten Bevölkerungsgruppen im Zentrum. Sie folgt dem Leitbild der „menschlichen
Sicherheit“.
(357) Die Klimakrise ist ein globales Sicherheitsrisiko. Klimapolitik ist daher ein
zentraler Bestandteil der globalen Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik. Dafür ist
ein internationales Rahmenwerk auf VN- und EU-Ebene zur Vermeidung von Klima- und
Umweltkonflikten erforderlich, um Staaten und Regionen, die besonders von den Folgen der
Klimakrise oder von Rohstoffknappheit, Dürren, Nahrungsknappheit und Überschwemmungen
betroffen sind, zu schützen und zu unterstützen: die Responsibility to Prepare.
(358) Abrüstung, Rüstungskontrolle und die Nichtverbreitung von Waffen sind und bleiben
wesentliche Pfeiler jeder Friedenspolitik. Abrüstung und Rüstungskontrolle bedeuten global
mehr Sicherheit für alle. Es braucht ein strenges Regelwerk zur Abrüstung und zum Verbot von
chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen Massenvernichtungswaffen. Dazu gehört
eine Unterstützung des VN-Atomwaffenverbotsvertrags. Der Anspruch ist nichts Geringeres als
eine atomwaffenfreie Welt.
(359) Exporte von Waffen und Rüstungsgütern an Diktatoren, menschenrechtsverachtende Regime
und in Kriegsgebiete verbieten sich. Es braucht eine gemeinsame restriktive europäische
Rüstungsexportkontrolle mit starken Institutionen und im Einklang mit den EU-Leitlinien für
Rüstungsexporte. EU-Mitgliedstaaten, die gegen verbindliche europäische
Rüstungsexportkriterien verstoßen, müssen mit Sanktionen rechnen. Der Einsatz von
Sicherheitsfirmen in internationalen Konflikten muss streng reguliert und private
Militärfirmen müssen verboten werden.
(360) Autonome tödliche Waffensysteme, die keiner Steuerung mehr durch den Menschen bei
Auswahl und Bekämpfung von Zielen unterliegen, stellen eine unberechenbare Bedrohung dar. Um
diese Entwicklung zu stoppen, braucht es international klare ethische Regeln und Verbote.
Weiterentwickelte, verbindliche Regeln sollen eine Militarisierung des Weltraumes
verhindern.
(361) Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten müssen sich gegen Angriffe auf ihre
kritische Infrastruktur schützen. Um Angriffe über und auf das Internet zu verhindern,
braucht es mehr eigene Anstrengung zur Sicherung der Infrastruktur und ein internationales
Vertragswerk.
(362) Die Anwendung militärischer Kriegsgewalt bringt immer massives Leid mit sich. Wir
wissen aber auch, dass die Unterlassung in einzelnen Fällen zu größerem Leid führen kann.
Handlungsleitend in der internationalen Sicherheitspolitik ist auch das erweiterte VN-
Konzept der Schutzverantwortung (Responsibility to Prevent, Protect, React, Rebuild), das
uns als internationale Gemeinschaft verpflichtet, Menschen vor schwersten
Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen. Zentral für
Frieden, Versöhnung und Gerechtigkeit ist auch der Einsatz gegen die Straflosigkeit solcher
Menschenrechtsverbrechen.
(363) Der Einsatz von militärischer Gewalt ist immer nur äußerstes Mittel. Bewaffnete
Einsätze der Bundeswehr im Ausland sind einzubetten in ein System gegenseitiger kollektiver
Sicherheit und in ein politisches Gesamtkonzept, basierend auf dem Grundgesetz und dem
Völkerrecht. Bei Eingriffen in die Souveränität eines Staates oder dort, wo staatliche
Souveränität fehlt, braucht es ein Mandat der Vereinten Nationen. Wenn das Vetorecht im
Sicherheitsrat missbraucht wird, um schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu decken,
steht die Weltgemeinschaft vor einem Dilemma, weil Nichthandeln genauso Menschenrechte und
Völkerrecht schädigt wie Handeln.
(364) Die Bundeswehr ist eine in internationalen Bündnissen verankerte Parlamentsarmee.
Daraus erwächst eine Fürsorgepflicht des Parlaments gegenüber den Soldat*innen sowie die
Verpflichtung, sie entsprechend ihrem Auftrag und ihren Aufgaben auszustatten. Der Auftrag
und die Aufgaben der Bundeswehr orientieren sich an den realen Herausforderungen für
Sicherheit und Friedenssicherung. Deutschland soll sich auf seine Bündnispartner verlassen
können und genauso sollen sich die Bündnispartner auf Deutschland verlassen. Direkte
Einsätze im Rahmen der VN haben dabei Vorrang vor Einsätzen der EU oder der NATO.
(365) Die Prinzipien der „Inneren Führung“ und der „Staatsbürger*innen in Uniform“ binden
die Soldat*innen an die Gesellschaft und die Werte und Normen des Grundgesetzes. Eine
Bundeswehr, die fest in unserer Gesellschaft verankert ist, muss die Vielfalt der
Gesellschaft abbilden. Das betrifft den Anteil von Menschen unterschiedlicher sozialer
Herkunft, mit und ohne Migrationserfahrung, von People of Color sowie von Frauen, die in der
Bundeswehr beschäftigt sind. Menschenfeindliche Ideologien und rechte Strukturen in der
Bundeswehr müssen konsequent verfolgt und zerschlagen werden. Unsere Geschichte lehrt uns,
wie unersetzlich Demokratiebildung und antifaschistische Grundwerte gerade in einer Armee
sind.
(366) Gemeinsam mit den internationalen Partnern muss die Europäische Union ihrer
Verantwortung für die eigene Sicherheit und Verteidigung gerecht werden. Die gemeinsame
Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU setzt eine gemeinsame EU-Außenpolitik voraus.
Es braucht eine Sicherheitsunion, die parlamentarisch kontrolliert ist. Anstatt immer mehr
Geld in nationale militärische Parallelstrukturen zu leiten, sollte die verstärkte
Zusammenarbeit der Streitkräfte in der EU ausgebaut und militärische Fähigkeiten sollten
gebündelt werden. Dafür braucht es eine geeignete Ausstattung, den Ausbau von EU-Einheiten
sowie eine Stärkung des gemeinsamen europäischen Hauptquartiers.
(367) Die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union muss strategisch,
vorausschauend, umfassend und schnell handlungsfähig sein. Dazu braucht es eine gemeinsame
Analysefähigkeit sowie eine Stärkung des Europäischen Auswärtigen Dienstes. Schritt für
Schritt sollen immer mehr Entscheidungen in diesem Bereich mit qualifizierter Mehrheit
getroffen werden können.
(368) Die NATO ist auf absehbare Zeit ein unverzichtbarer und sicherheitspolitischer
Renationalisierung entgegenwirkender Bestandteil der europäischen Sicherheitsarchitektur
sowie der transatlantischen Beziehungen. Sie leidet unter divergierenden
sicherheitspolitischen Interessen innerhalb der Allianz und einer unklaren strategischen
Perspektive. Es braucht eine strategische Neuausrichtung. Mit einer stärkeren militärischen
Zusammenarbeit und Koordinierung innerhalb der EU und mit den europäischen NATO-Partnern
Großbritannien und Norwegen können europäische strategische Interessen geschlossen und
durchsetzungsstärker vertreten werden.
(369) Frieden in Europa bedeutet mehr als Frieden, Sicherheit und Stabilität in der EU. Wir
teilen die Vision einer gesamteuropäischen Sicherheitsordnung innerhalb des OSZE-Raums. Die
OSZE braucht eine Stärkung, um das Ziel eines Systems kollektiver Sicherheit in ganz Europa
voranzubringen.
Globale Strukturpolitik
(370) In einer verflochtenen Welt verbinden und überkreuzen sich alle Bereiche der Politik.
Globale Strukturpolitik muss sich für die sozial-ökologische Transformation von einer
„Politik nach außen“ lösen und einen abgestimmten, vernetzten Ansatz verfolgen. Das heißt
auch, das Denken in einzelnen Ressorts zu beenden und innere Widersprüche im
Regierungshandeln konsequent auszuräumen. Alle politischen Entscheidungen müssen einem
verpflichtenden Nachhaltigkeitscheck unterzogen werden.
(371) Handlungsrahmen für das Gesamtregierungshandeln sind die Menschenrechte, die
Klimaziele von Paris und die Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen für eine nachhaltige
Entwicklung. Sie sind Voraussetzung dafür, Strukturen global und nachhaltig gestalten zu
können. So konnten Erfolge bei der Bekämpfung von Armut und Hunger sowie beim Zugang zum
Gesundheits- und Bildungssystem erreicht werden. Das Recht auf Entwicklung gilt weltweit. Um
die globalen Nachhaltigkeitsziele einzuhalten und das globale Zusammenleben möglichst
krisenfest zu gestalten, braucht es kohärente Politik in allen Politikfeldern.
(372) Internationale Zusammenarbeit mit Staaten und Zivilgesellschaften in ärmeren Regionen
der Welt ist weder auf Entwicklungszusammenarbeit zu reduzieren noch einseitigen
wirtschafts- oder sicherheitspolitischen Interessen unterzuordnen. Internationale
Zusammenarbeit basiert vielmehr auf rechtebasierter Kooperation, dem Partnerschaftsprinzip
bei globalen Herausforderungen, auf Selbstbestimmung und hat globale Gerechtigkeit und die
Sicherung globaler öffentlicher Güter zum Ziel.
(373) Die Fehler der Ausbeutung von Mensch und Natur müssen überwunden werden durch ein
faires und nachhaltiges Wachstums- und Wohlstandsmodell. Aus den Verbrechen des
Kolonialismus erwächst für Deutschland und Europa eine besondere Verantwortung.
Wertegeleitete Politik hat ihr Handeln konsequent auf friedens-, menschenrechts- und
klimapolitisch kontraproduktive Wirkungen zu prüfen und Schädliches zu unterlassen.
(374 neu) Die globale sozial-ökologische Transformation erfordert, dass Menschen über die globale Wirkung ihres eigenen aber auch über die des wirtschaftlichen und staatlichen Handelns informiert sind . Eine gesellschaftliche Transformation braucht starke partizipative Institutionen. Die Bildung für nachhaltige Entwicklung befähigt die Menschen in dieser komplexen globalisierten Welt, sich nachhaltig und zukunftsorientiert am politischen Willensbildungsprozess zu beteiligen. Nachhaltige und globale Bildung muss für alle Menschen zugänglich und breit in unserem formalen und informalen Bildungsprozess verankert sein.
(374) Es braucht eine starke öffentliche Säule der Entwicklungsfinanzierung. Sie gehört
wirksam ausgeweitet und verbessert. Die globale Transformation bedeutet vor allem in ärmeren
Ländern massive Investitionen. Diese nachhaltig, sozial-ökologisch und auf lokale
Bedürfnisse ausgerichtet bereitzustellen, muss ein zentrales Ziel der globalen
Finanzierungsarchitektur sein. Internationale Zusagen müssen verbindlich eingehalten und die
Förderung der Geschlechtergerechtigkeit muss berücksichtigt werden. In der internationalen
Klimafinanzierung stehen die Industriestaaten gegenüber den ärmeren Ländern bei der
Anpassung und bei der Bewältigung von Schäden und Verlusten in der Verantwortung.
(375) Als weltweit größte Geberin hat die EU ein großes Potential für mehr Kohärenz und
Effizienz in der globalen Strukturpolitik. Ziel ist mittelfristig eine europäische
Vergemeinschaftung der nationalen Entwicklungspolitiken der Mitgliedstaaten. Eine gemeinsame
europäische Entwicklungszusammenarbeit soll zu einem Kern des gemeinsamen europäischen
Handelns werden.
(376) Nachhaltiger Frieden und Demokratie sind auf eine aktive Zivilgesellschaft angewiesen.
Eine lebendige Zivilgesellschaft trägt dazu bei, Korruption und soziale Ungleichheit zu
bekämpfen. Daher gilt es, die Handlungsspielräume einer kritischen Zivilgesellschaft global
zu verteidigen und die Selbstorganisationskräfte der Zivilgesellschaft zu stärken und zu
erweitern.
Handel
(377) Internationaler Handel verbindet Menschen und Staaten, ermöglicht Teilhabe an Gütern
und Dienstleistungen und die Verbreitung von Innovationen. Handel ist kein Selbstzweck,
sondern dient einem gerechten Wohlstand und damit der menschlichen Entfaltung. Er soll fair
gestaltet und demokratisch kontrolliert werden. Er muss zur Umsetzung der VN-
Nachhaltigkeitsziele und des Pariser Klimaabkommens beitragen, anstatt diese zu
konterkarieren.
(378) Eine demokratische Welthandelsordnung unter dem Dach einer reformierten WTO soll für
den regelgebundenen Ausgleich von Interessen stehen. Auch fortschrittliche bilaterale
Abkommen sind wichtige Schritte auf diesem Weg, wenn sie transparent und demokratisch
zustande kommen und sich an globalen Gemeinwohlinteressen ausrichten.
(379) Europäische Handelspolitik ist ein starkes Instrument, um Umwelt-, Tier- und
Klimaschutz, die Einhaltung der Menschenrechte und soziale Standards wie den Schutz von
Arbeitnehmer*innen-Rechten mit Wirtschaftsinteressen in Einklang zu bringen und weltweit
durchzusetzen. Bereiche der Daseinsvorsorge, also öffentliche Güter wie beispielsweise
Bildung, Gesundheit, soziale Sicherheit oder Wasser, sind staatliche Aufgaben und
unterliegen einem öffentlichen Interesse. Sonderrechte und Sonderjustiz für Konzerne sind
auszuschließen.
(380) Es braucht weltweit eine regionale Versorgungssicherheit mit überlebensnotwendigen
Lebens- und Arzneimitteln. Daher dürfen diese nicht allein krisenanfälligen globalen
Lieferketten überlassen werden, sondern müssen auch im europäischen Binnenmarkt produziert
werden können.
(381) Handelsabkommen sind stark, wenn sie regionale Wirtschaftskreisläufe beachten und
Instrumente beinhalten, welche die Einhaltung der Nachhaltigkeitsziele sichern, wie zum
Beispiel Mindeststandards oder Handelsbeschränkungen.
(382) Fairer Handel braucht einen Abbau der Ungleichgewichte im Welthandel und in der
Eurozone. Deutschland hat dabei eine besondere Verantwortung und sollte mit öffentlichen
Investitionen, guten Löhnen oder einer Stärkung der Binnennachfrage seinen
Handelsbilanzüberschuss schrittweise reduzieren.
(383) Ärmere Länder sind im Welthandel mit einer asymmetrischen Zollpolitik zu stärken. Sie
sollen souverän entscheiden, welche Bereiche ihrer Wirtschaft sie öffnen und welche sie
vorerst schützen wollen. Industriestaaten müssen unter Berücksichtigung hoher ökologischer
und sozialer Standards ihre Märkte hingegen für diese Länder öffnen und sollen Exporte nicht
subventionieren, die lokale Märkte zerstören. Denn formal gleiche Rechte bei ungleich
verteilter ökonomischer Macht führen zu ungerechten Ergebnissen.
(384) Herstellung, Produktion und Transport der Waren für den europäischen Markt müssen frei
sein von ausbeuterischer Arbeit, Menschenrechtsverletzungen, Kinderarbeit und
Umweltzerstörung. Dafür soll Fair Trade Standard werden. Das gilt für den gesamten Weg der
Lieferketten und ist über vollständige Transparenz, etwa durch digitale Verfahren, sowie
über gesetzliche Verpflichtungen herzustellen. Dabei kommt der öffentlichen Hand als weitaus
größtem Beschaffer eine besondere Verantwortung zu.
Finanzmärkte und Währungsordnung
(385) Unregulierte globale Finanzmärkte haben zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine schwere
Wirtschaftskrise ausgelöst und weltweit für schwere Verwerfungen gesorgt. Kurzfristige,
spekulative Finanzströme sollen daher reguliert, verteuert und notfalls verboten werden.
Auch mit Steuerumgehung und nicht gesicherten Spekulationen soll künftig kein Geld mehr
verdient werden. Steuersümpfe müssen trockengelegt und internationale Steuerhinterziehung
muss bekämpft werden.
(386) Nachhaltige internationale Direktinvestitionen fördern die weltweite Entwicklung und
gehören zu einer starken europäischen Außenwirtschaftspolitik. Eine gerechte
Weltwährungsordnung ermöglicht allen Ländern – nicht nur den wohlhabenden – eine
langfristige und damit verlässliche Finanzierung von Investitionen. Neben einer Regulierung
von kurzfristigem Kapitalverkehr braucht es dafür die Stabilisierung von Wechselkursen.
(387) Nur globale öffentliche Institutionen können gegen spekulative Attacken auf Staaten
und ihre Währungen absichern. Langfristiges Ziel ist daher eine weltweite Kooperation der
Zentralbanken sowie eine Stärkung und Demokratisierung des Internationalen
Währungsfonds (IWF). So soll Liquidität sichergestellt, dem globalen Finanzmarkt ein
stabiler Rahmen gesetzt und Krisen sollen so verhindert werden. Die Europäische Zentralbank
steht schon jetzt in der Verantwortung, die Auswirkungen ihrer Politik auf weniger und am
wenigsten entwickelte Länder zu berücksichtigen sowie Wechselkurse zu stabilisieren und
abzusichern. So hilft europäische Geldpolitik, spekulative Kapitalflucht aus diesen Ländern
zu vermeiden und deren Entwicklung zu fördern.
(388) Schulden können – wenn das Geld gut investiert wird – Entwicklung fördern und die
notwendige Finanzierung für die sozial-ökologische Transformation bereitstellen.
Überschuldung hingegen schadet insbesondere den Ärmsten der Armen. Aber sie bremst auch die
Verwirklichung der Nachhaltigkeitsziele, gefährdet Gesundheitsversorgung, Bildung und
Infrastruktur in vielen Ländern. Die internationale Gemeinschaft muss regelbasierte
Verfahren ermöglichen, um bei Zahlungsunfähigkeit von Staaten durch Schuldenerlasse,
Zahlungsaufschübe oder einen Schuldenschnitt einen Ausgleich zu finden.
(389) Zu einer weltpolitikfähigen EU gehört eine sichere und starke Währung. Der Euro soll
zu einer globalen Leitwährung werden. Voraussetzung dafür sind eine gemeinsame Fiskalpolitik
der EU sowie die Herausgabe sicherer und liquider gemeinsamer Anleihen, abgesichert mit
eigenen Steuerquellen. Europas strategische Souveränität soll auch durch eigene europäische
Zahlungssysteme und ein digitales Zentralbankgeld sichergestellt werden.
Migration und Flucht
(390) Migration ist etwas zutiefst Menschliches und war stets Triebfeder für Entwicklung und
globale Zusammenarbeit, genauso Quelle von Austausch und Innovation. Migration ist kein
Ausnahmezustand, sondern prägt und verändert seit Jahrhunderten auch unsere Gesellschaft und
unseren Alltag auf allen Ebenen. Unsere Demokratie ist keine, in der Zugehörigkeit auf
Herkunft basiert, sondern eine offene Gesellschaft, in der wir uns gemeinsam darüber
verständigen, wie wir zusammenleben wollen.
(391) Der Globale Pakt für Migration stärkt und sichert die Rechte und die Freiheit von
Menschen, die nicht in ihrem Geburtsland leben, arbeiten oder zur Schule gehen. Er ist
Grundlage für die internationale Verständigung zum rechtebasierten Umgang mit Migration und
soll in diesem Sinne weiterentwickelt werden. Seine Prinzipien müssen national verbindlich
umgesetzt werden.
(392) Migration braucht legale Zugangswege. Deutschland ist ein Einwanderungsland. Deshalb
braucht es ein Einwanderungsgesetz mit fairen und diskriminierungsfreien Kriterien für
legale Einwanderung. Das schließt ein Recht auf Familienleben mit ein sowie dass Menschen
ihren Status wechseln und zwischen ihrem Herkunftsland und dem Wohnort hin- und herreisen
können. Menschen, die hier leben, sollen schnell den Zugang zu staatsbürgerlichen Rechten
bekommen. Dafür braucht es ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht, das mehrere
Staatsbürgerschaften ermöglicht.
(393) Menschen, die aufgrund von politischer Verfolgung, Folter, massiven
Menschenrechtsverletzungen oder Krieg gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen, werden durch
das Asylrecht geschützt. Das international verankerte Recht, in einem anderen Land Schutz zu
suchen, beruht auf den Lehren aus dem Menschheitsverbrechen der Shoah. Die völkerrechtlich
verbindlichen Regeln, insbesondere der Genfer Flüchtlingskonvention, gelten universell und
uneingeschränkt für alle Geflüchteten. Das individuelle Grundrecht auf Asyl ist Grundpfeiler
einer menschenrechtsorientierten Politik und muss unangetastet bleiben. Der Globale Pakt für
Flüchtlinge steht für das Bestreben, Flucht international menschenwürdig zu gestalten und
die Rechte der Betroffenen zu schützen. Entsprechend muss der internationale Umgang mit
Geflüchteten rechtebasiert weiterentwickelt werden.
(394) Egal wo jemand herkommt, egal wo jemand hinwill oder aus welchem Grund ein Mensch in
Seenot ist: Menschen sind aus Lebensgefahr zu retten und an einen sicheren Ort zu bringen.
Dort, wo Menschen in Not sind, haben Staaten die Verantwortung, Rettungen zu koordinieren
und zu organisieren. Dafür braucht es ein gemeinsames EU-Seenotrettungssystem.
Hilfsorganisationen, die Menschen aus Seenot retten, müssen unterstützt und dürfen nicht
kriminalisiert werden.
(395) Die weltweite Zahl von Menschen auf der Flucht steigt auch durch klimabedingte
Katastrophen, die wiederum bestehende Konflikte weiter verschärfen. Ziel muss sein, durch
Klimaanpassung und -schutz zu verhindern, dass Menschen aufgrund der Klimafolgen ihre Heimat
verlassen müssen. Menschen, denen Staatenlosigkeit droht oder die dauerhaft ihre Heimat
verlieren, brauchen Möglichkeiten zur würdevollen Migration. Sie dürfen nicht in eine
Schutzlücke geraten. Perspektivisch brauchen sie einen völkerrechtlichen Schutzstatus.
(396) Menschen brauchen Perspektiven. Duldungen bedeuten einen Zustand in der Schwebe,
fortdauernde Unsicherheit und Perspektivlosigkeit. Ein solcher Ausnahmezustand muss Ausnahme
bleiben. Menschen, die dauerhaft hier leben, brauchen ein Bleiberecht. Abschiebungen in
Kriegs- und Krisengebiete verbieten sich.
(397) Rechtsstaatliche, schnelle und geordnete Verfahren ermöglichen die Wahrnehmung der
menschenrechtlichen und humanitären Verantwortung der EU. Abschottung ist nicht nur inhuman,
sondern führt zu Chaos. Rechtsstaatlich kontrollierte EU-Außengrenzen, eine zuverlässige
Registrierung – perspektivisch über eine eigene europäische Asylbehörde – sowie ein
einheitliches europäisches Asylsystem, das die Verantwortung innerhalb der EU fair verteilt,
sind die Grundlagen einer gemeinsamen EU-Asylpolitik. Grenzen sind nur rechtsstaatlich
geschützt, wenn Menschenrechte an diesen Grenzen geschützt werden.
(398) Nicht jede*r hat das Recht auf Asyl, aber jede*r hat das Recht auf ein
rechtsstaatliches Verfahren mit individueller Prüfung sowie auf eine würdige Unterbringung
und Behandlung. Zugang zu rechtlicher Beratung und Widerspruchsmöglichkeiten sowie zu
ärztlicher Versorgung muss in dieser Zeit gewährleistet sein.
(399) Um eine humanitäre Versorgung von geflüchteten Menschen auch außerhalb der
Europäischen Union zu unterstützen, sind Kooperation und Solidarität mit Nachbarstaaten und
weiteren Aufnahmeländern notwendig. Kooperationen mit Drittstaaten dürfen jedoch nicht zu
Menschenrechtsverletzungen führen oder zum Ziel haben, Schutz in Europa unmöglich zu machen.
Besonderen Schutz brauchen vulnerable Gruppen wie zum Beispiel Frauen, Kinder, LGBTIQ, alte
und kranke Menschen.
(400) Das Bekämpfen von Fluchtursachen heißt, die Gründe für Flucht und nicht die Menschen
auf der Flucht zu bekämpfen. Europäische Politik muss sich danach ausrichten, die
politischen Herausforderungen global zu denken und auch lokal dafür Sorge zu tragen, globale
Gerechtigkeit zu stärken. Europäische Wirtschafts-, Finanz-, Handels-, Agrar- oder
Rüstungsexportpolitik muss konsequent auf ihre sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen
Wirkungen in Drittstaaten überprüft werden und nach dem Pariser Klimaabkommen, den
Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen sowie den Menschenrechten gestaltet sein.
(401) Im Zentrum unserer Asyl- und Migrationspolitik steht der Mensch in seiner Würde und
Freiheit. Unser Ziel ist eine Welt, in der Menschen nicht zur Flucht gezwungen werden.
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