Veranstaltung: | 50. Bundesdelegiertenkonferenz Wiesbaden |
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Tagesordnungspunkt: | D Dringlichkeitsanträge |
Antragsteller*in: | Radosawa Stomporowski (KV Bonn) und 257 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 33%) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 27.10.2024, 15:07 |
D-01: Dringlichkeitsantrag: Unsere Freiheit und die der Ukraine bewahren. Europäische Sicherheitsordnung schützen.
Antragstext
Seit der russischen Vollinvasion stehen wir vor einer historischen Zäsur der
europäischen Sicherheitsordnung sowie an einem globalen neuralgischen Punkt der
Völkerrechtsgeschichte, an dem unsere Haltung und unser Handeln darüber
entscheiden werden, ob unsere regelbasierte Ordnung ihre gegenwärtige Krise
übersteht oder nicht. Gerade unsere grüne Kernprogrammatik – zivile
Konfliktbewältigung im Sinne eines breiten und vernetzten Sicherheitsbegriffes
und dekolonialer Ansätze – erfordert dringend an diesem neuralgischen Punkt
beherztes Handeln. Zu all diesen Entwicklungen bedarf es dringend einer
parteiinternen Debatte und Positionierung.
Durch den Einsatz nordkoreanischer Truppen in der Ukraine ist eine neue
Situation im Kriegsgeschehen entstanden. Für seine aktive Kriegsbeteiligung hat
es im Gegenzug vermutlich erhebliche Unterstützung in Form von Energie, Devisen
oder sogar Technologien für Raketen- und Atomwaffenprogramme von Russland
zugesichert bekommen. Ein solches Szenario könnte eine Eskalation auf der
koreanischen Halbinsel provozieren und stellt eine massive Bedrohung nicht nur
für die Ukraine, sondern auch für die europäische sowie asiatische
Sicherheitsarchitektur dar. Die militärische Allianz zwischen Russland und
Nordkorea ist ein klares Zeichen dafür, dass Moskau auf eine internationale
Eskalationsstrategie setzt.
Die Situation der Ukraine ist entscheidend für die Zukunft der europäischen
Sicherheitsordnung. Für einen stabilen und nachhaltigen Frieden sind
Sicherheitsgarantien für die Ukraine essenziell. Diesbezüglich hat der
ukrainische Präsident auf dem EU-Gipfel und dem parallel stattfindenden NATO-
Treffen in Brüssel seinen sogenannten "Sieges-Plan" vorgestellt. Dabei hat er
angedeutet, dass eine nukleare Bewaffnung der Ukraine die einzige Alternative zu
einer NATO-Mitgliedschaft sei. Die Tatsache, dass die Ukraine in Erwägung zieht,
ihre Sicherheit nur durch den Besitz von Atomwaffen garantieren zu können -
sollte sie nicht NATO-Mitglied und entsprechende Sicherheitsgarantien erhalten -
, verdeutlicht, wie sehr die Prinzipien der nuklearen Nichtverbreitung durch
unsere zögerliche Haltung untergraben werden. Statt eine friedensfördernde
Wirkung zu haben, führt das Setzen auf vermeintliche „rote Linien“ des Kremls zu
einer weiteren Verschärfung der globalen Sicherheitslage. Ohne verlässliche
Sicherheitsgarantien durch die NATO wird es zunehmend schwieriger, eine nukleare
Aufrüstung der Ukraine glaubhaft zu verhindern.
Russland betrachtet die Bundesrepublik Deutschland und den Westen schon seit
längerer Zeit als Kriegsgegner und führt bereits seit geraumer Zeit einen
hybriden Krieg gegen den Westen. Deutschland ist dabei eines seiner Hauptziele.
Dies wurde in der jüngsten öffentlichen Anhörung des Parlamentarischen
Kontrollgremiums (PKGr) deutlich, bei der systematische russische
Desinformations- und Propagandakampagnen, durchgeführt durch Geheimdienste und
sogenannte "Trollfabriken", im Zentrum standen. Diese Angriffe zielen darauf ab,
unsere Demokratie zu destabilisieren und das Vertrauen in unsere Institutionen
zu untergraben. Dabei beschränken sich die russischen Aktivitäten nicht nur auf
digitale Angriffe: Cyberangriffe, Sabotageakte, Spionage und sogar Auftragsmorde
sind dabei nicht nur gelegentliche Bestandteile, sondern Hauptmerkmal der
russischen Außenpolitik geworden.Ein aktuell alarmierendes Beispiel ist die
Einmischung in das Referendum in der Republik Moldau, wo Moskau orchestrierte
Maßnahmen ergriffen hat, um freie und faire Wahlen zu behindern und eine pro-
westliche Ausrichtung zu verhindern.
Parallel dazu baut Russland seine konventionellen Streitkräfte massiv aus und
strukturiert diese neu. Es ist absehbar, dass Russland spätestens gegen Ende
dieses Jahrzehnts personell und materiell in der Lage sein wird, einen Angriff
gegen die NATO zu starten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Putin die „roten
Linien“ austesten und den Krieg weiter eskalieren wird. Seine strategischen
Ziele gehen längst über die Ukraine hinaus – er strebt eine Konfrontation mit
dem Westen an, um eine neue Weltordnung nach seinen Vorstellungen zu etablieren.
Putin versteht den Krieg in der Ukraine als einen globalen Kampf gegen den
Westen und die regelbasierte internationale Ordnung. Sein Ziel ist die innere
Zersetzung der Rechtsstaatlichkeit und unserer liberalen Demokratien. Die EU und
die NATO müssen zukünftig nicht nur mit möglichen russischen Angriffen rechnen,
sondern mit einer breiteren Allianz gegen den Westen, zu der auch Nordkorea
zählt. Nicht unsere entschlossene Unterstützung befördert eine Eskalation,
sondern unsere Zögerlichkeit. Eine entschiedene militärische Unterstützung der
Ukraine ist die einzige Möglichkeit, ernsthafte diplomatischen Lösungen und
echte Friedensverhandlungen voranzutreiben. Wir als Bündnis ´90/Die GRÜNEN
können und müssen eine starke Stimme der Unterstützung in diesem Zusammenhang
sein und uns in unseren bevorstehenden programmatischen Debatten und Wahlkämpfen
auch dezidiert positionieren.
Begründung der Dringlichkeit
Nach Antragsschluss zur BDK am 4. Oktober haben sich etwa seit Mitte Oktober mehrere entscheidende Entwicklungen im Zusammenhang mit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zugetragen: Nordkorea beteiligt sich laut südkoreanischer und ukrainischer Geheimdienste auch mit eigenen Truppen an Kampfhandlungen, der ukrainische Präsident Selenskyj hat seinen Friedens- und Siegesplan vorgestellt, und die Gefahr der zunehmenden Verbreitung von Atomwaffen wächst. Zudem wurde im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) des Bundestages eindringlich vor Russlands systematische Desinformationskampagnen in Deutschland gewarnt.
1. Bei einer direkten militärischen Beteiligung Nordkoreas an Russlands Angriffskrieg verschärft sich die internationale Lage erheblich, da sie eine gefährliche Ausweitung des Konflikts darstellt und sowohl Europa als auch Asien betrifft. Wir müssen die Risiken einer Eskalation bei dieser Allianz, die das geopolitische Gleichgewicht destabilisieren und neue Krisenherde schaffen kann, beobachten und Gegenmaßnahmen entwickeln.
2. Der von Präsident Selenskyj vorgestellte Friedens- und Siegesplan stellt eine entscheidende Möglichkeit dar, um den Krieg mit einer klaren Zielsetzung zu beenden. Wir müssen verdeutlichen, dass fehlende Sicherheitsgarantien des Westens in Bezug auf eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine hingegen fatale Folgen haben können, wie eine nukleare Aufrüstung der Ukraine sowie ein mögliches Unterlaufen des Atomwaffensperrvertrags.
3. Das Ausmaß der russischen Desinformationskampagne und ihr systematisches Vorgehen sind durch die Informationsdienste im PKGr vorgestellt worden. Dieses explizite Mittel der russischen Außenpolitik ist eine Bedrohung für die westlichen Demokratien, wobei die Bundesrepublik Deutschland im Zentrum der Angriffe steht. Ohne Gegenmaßnahmen könnten diese hybriden Angriffe tiefgreifende Auswirkungen auf die politische Stabilität Deutschlands und anderer westlicher Länder haben.
Diese Entwicklungen bergen das Potenzial, nicht nur die Ukraine, sondern die gesamte globale Sicherheitsordnung zu bedrohen. Eine umfassende Beschäftigung innerhalb der Grünen sowie auch der Gesellschaft ist deshalb entscheidend, um entsprechende Maßnahmen zur Sicherung der globalen Friedensordnung und zur Stärkung der Resilienz gegenüber hybriden Bedrohungen sowie zur Verteidigung demokratischer Werte zu ergreifen.
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Gemeinsame Antragstellerinnen:
Ursula Stark Urrestazu und Sava Stomporowski, beide KV Bonn
Begründung
mündlich
weitere Antragsteller*innen
Änderungsanträge
- D-01-081 (Philipp Schmagold (KV Plön), Eingereicht)