| Veranstaltung: | 51. Bundesdelegiertenkonferenz Hannover |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | VR Im V-Ranking priorisierte V-Anträge |
| Status: | Beschluss (vorläufig) |
| Beschluss durch: | Bundesdelegiertenkonferenz |
| Beschlossen am: | 30.11.2025 |
| Antragshistorie: | Version 2 |
Digitale Souveränität stärken: Unsere Unabhängigkeit, Freiheit und Demokratie schützen!
Beschlusstext
Europa und Deutschland befinden sich in einer Zeit tiefgreifender geopolitischer
und technologischer Umbrüche. Digitale Technologien sind längst zu einem
zentralen Machtfaktor in der globalen Ordnung geworden. Wer sie kontrolliert,
bestimmt zunehmend auch über wirtschaftliche Stärke, politische
Handlungsfähigkeit und gesellschaftliche Resilienz. Während autoritäre Staaten
technologische Kontrolle gezielt ausbauen, geraten Demokratien unter Druck, ihre
digitale Unabhängigkeit zu sichern. US-Präsident Donald Trump versucht
europäische Digitalgesetze als Hebel in den Zoll- und Handelsverhandlungen zu
nutzen, um mühsam erkämpfte europäische Standards gezielt zu schwächen und den
Einfluss US-amerikanischer Konzerne zu sichern. Auch China drängt mit staatlich
gestützten Tech-Konzernen auf europäische Märkte. Große Abhängigkeiten von
einzelnen Anbietern bleiben ein großes Problem, wenn es darum geht,
Eigenständigkeit zu wahren. Europas und Deutschlands Antwort auf diese
Herausforderungen kann nur darin bestehen, diese Abhängigkeiten zu erkennen, sie
zu reduzieren, offene, transparente und sichere Infrastrukturen zu fördern,
eigene technologische Fähigkeiten auszubauen und eine größere digitale
Souveränität als Leitlinie einer wertebasierten Außen-, Wirtschafts- und
Digitalpolitik zu begreifen. Selbstbestimmt agiert nur, wer darüber entscheiden
kann, wie digitale Infrastrukturen, Online-Plattformen und Daten
ineinandergreifen und nach welchen Regeln sie funktionieren. Dafür braucht es
Wahlfreiheit über digitale Dienste, die interoperabel ausgestaltet und modular
kombinierbar sind.
Auch und gerade im Bereich der inneren Sicherheit zeigt sich ein
besorgniserregender Trend: Noch immer sind – trotz jahrelanger Diskussionen und
Warnungen - sehr relevante Teile unserer digitalen Infrastrukturen im
Sicherheitsbereich, auf Servern und in Cloud-Lösungen, bei denen der Zugriff
durch entsprechende rechtliche Regelungen nicht ausgeschlossen ist. Statt diese
Abhängigkeiten und Risiken schnellstmöglich zu reduzieren und für angemessene
Schutzstandards zu sorgen, versuchen Teile der aktuellen Bundesregierung
weitere, extrem risikoreiche Abhängigkeiten und Gefahren zu schaffen. Gerade hat
die Bundeswehr einen neuen Vertrag mit Google über die Nutzung der Cloud
geschlossen. Die schwarz-rote Bundesregierung prüft derzeit den Einsatz der
Analysesoftware des US-Unternehmens Palantir auch in Bundesbehörden, obwohl der
Deutsche Bundestag dies ablehnt und die Innenministerkonferenz vor neuen
Abhängigkeiten und Gefahren warnt.
Bereits in der vergangenen Wahlperiode haben wir Grünen uns dafür eingesetzt,
grundrechtskonforme automatisierten Analysetools für die Polizei entwickeln zu
lassen und dabei auf europäische Anbieter zurückzugreifen. Ihr Einsatz benötigt
eine klare Rechtsgrundlage und effektive demokratische Kontrolle. Palantir wird
diesem Anspruch nicht im Ansatz gerecht. Deshalb lehnen wir den Einsatz solcher
Analysesoftware der Firma Palantir grundsätzlich ab. Wir wollen KI-gestützte
Analyseinstrumente nur dann nutzbar machen, wenn sie rechtsstaatlich klar
begrenzt, datenschutzkonform gestaltet und jederzeit nachvollziehbar sind – mit
transparenter Prüfung, Zweckbindung und voller Datenhoheit der Behörden.
Für digitale Souveränität müssen wir eigene europäische Lösungen aufbauen,
leistungsfähige Konsortien fördern und als Staat verlässlich als Ankerkunde
auftreten. Dass wir strategisch den Anschluss auch auf unserem eigenen Markt
verpassen, zeigt die Entscheidung Europas größten Softwarekonzerns SAP mit dem
KI-Anbieter OpenAI zu kooperieren, um künftig Verwaltungen, Schulen und
Universitäten sowie andere öffentliche Einrichtungen in Deutschland mit
Anwendungen der Künstlichen Intelligenz zu versorgen. Solche Kooperationen
verschärfen nicht nur weiter Abhängigkeiten, sondern bedeuten auch die
Verlagerung eines nicht unerheblichen Teils der Wertschöpfung sowie des
Cashflows und verschaffen den US-Giganten möglicherweise einen unentgeltlichen
Zugang zu weiteren wertvollen Datensätzen. Statt sich weiter von den großen
Foundationmodellen abhängig zu machen, sollte auch der zielgenaue Einsatz
kleinerer Modelle erwogen werden.
Die digitale Abhängigkeit von außereuropäischen Anbietern ist längst
systemrelevant. Ob Cloud-Dienste, Betriebssysteme, KI-Anwendungen oder
sicherheitskritische Hardware, zentrale technologische Infrastrukturen stammen
überwiegend aus den USA oder China. Sowohl Wirtschaft, Verwaltung und
Bürger*innen haben nur noch begrenzte Wahlfreiheit über Hardware, Software und
Plattformen; oftmals geben marktdominante Akteure vor, wie wir digital agieren
können, und wie unsere Daten verarbeitet werden.
Die Umsetzung der Europäischen Digitalgesetze wie DSA, KI-VO, DSGVO, Data Act
und DMA muss nun zügig und einheitlich erfolgen. Dazu braucht es eine zügige und
konsequente Umsetzung mit einer schlanken und klaren Aufsichtsstruktur. Durch
die Bündelung zentraler Zuständigkeiten in einer gut ausgestatteten
Digitalagentur als „One-Stop-Agency“ für Bürger*innen, Wirtschaft und Verwaltung
kann die Durchsetzung des europäischen Regelungsrahmens effizient und
transparent gewährleistet werden und so fairen Wettbewerb, den Schutz der
Verbraucher*innen und Grundrechte sicherstellen. Deutschland und Europa müssen
deshalb strategisch umsteuern und eigene technologische Kapazitäten aufbauen.
Ein wichtiger Schritt sind Investitionen in freie, offene und vertrauenswürdige
Technologien, vor allem durch die öffentliche Hand als Kundin. Sie ist dem
Gemeinwohl, der Verhältnismäßigkeit ihrer Ausgaben, dem verantwortlichen Umgang
mit Ressourcen und einer langfristigen Servicesicherheit verpflichtet. Mit
sogenannter Free and Open Source Software wird Wechselfähigkeit, Nähe zum
Anbieter zwecks Weiterentwicklung und Wartung im Ernstfall leicht möglich sein.
Mit der Aufnahme der IT-Sicherheit in das 500 Mrd. Euro-Sondervermögen haben wir
die Grundlage geschaffen, um Abhängigkeiten deutlich zu reduzieren und zukünftig
verstärkt auf Eigenentwicklungen zurückgreifen zu können. Mit der Sovereign Tech
Agency und dem Zentrum für Digitale Souveränität wurden in der vergangenen
Wahlperiode wichtige Grundlagen geschaffen. Nun braucht es langfristige Förder-,
Beschaffungs- und Investitionsstrategien, die Open Source, europäische Anbieter
und faire Wettbewerbsbedingungen auf digitalen Märkten gezielt stärkt.
Gerade der digitalaffine deutsche Mittelstand kann von offenen, interoperablen
und souveränen Technologien profitieren: Sie senken Abhängigkeiten von globalen
Konzernen, ermöglichen eigene Software- und Servicelösungen und schaffen neue
Märkte für nachhaltige und sichere IT-Produkte "Made in Germany".
Unsere digitale Infrastruktur muss so gestaltet sein, dass sie vor
Machtmissbrauch geschützt ist. Digitalisierung muss unserer Demokratie und
Menschenrechten dienen und nicht eine Gefahr für sie sein. Beste Daten- und
Grundrechtsschutz-Standards, Verschlüsselung und Dezentralität sind kein
Selbstzweck, sondern Schutz vor Überwachung, Diskriminierung und
Machtkonzentration. Dafür setzen wir uns im Sinne einer aktiven Digitalen
Außenpolitik, zum Beispiel im Rahmen von UN-Prozessen, Standardisierungsgremien
und multilateralen Foren, ein. Diese Standards sind zugleich Motor für
vertrauensbasierte und transparent Innovation und somit ein Wettbewerbsvorteil
auf dem Markt für Verbraucher*innen und Unternehmen, die Klarheit über ihre
Rechte und ihre Daten wollen. Eine digitale Infrastruktur, die auf Offenheit
sowie Kontrolle durch Parlamente und Öffentlichkeit setzt, ist die beste
Versicherung gegen antidemokratische Versuchungen. Digitalisierung muss
demokratisch kontrolliert, resistent gegenüber autoritärem Zugriff und
faschismussicher sein!
Als Grüne machen wir seit langem auf den Mehrwert von besten IT-
Sicherheitsstandards und Openness-Modellen, die Verbraucher*innen-Recht stärken
und zentral für Vertrauen in digitale Anwendungen sind, aufmerksam. Schleswig-
Holstein hat sich unter grüner Regierungsbeteiligung dafür entschieden,
Souveränität mit Open Source zu realisieren und versteht die Schaffung von
digitaler Souveränität durch Open Source Lösungen auch als Industriepolitik für
die Digitalwirtschaft. Das Land fördert heimische IT-Unternehmen, stärkt damit
den Standort für Fachkräfte und setzt darauf, dass entsprechende Lösungen,
beispielsweise durch den Wegfall von teils horrenden Lizenzkosten längerfristig
sogar günstiger als die Lösungen proprietärer Anbieter sind. Von solchen Best-
Practice-Beispielen können sowohl Bund als auch andere Länder lernen. Deshalb
sollte ein strukturierter Austausch über erfolgreiche Modelle digitaler
Souveränität etabliert werden, auch gemeinsam mit europäischen Staaten, die auf
diesem Weg bereits weiter sind.
Europa und Deutschland brauchen jetzt eine strategische Neuausrichtung ihrer
Digitalpolitik. Statt jedes Jahr hunderte Millionen Euro in Lizenzgebühren an
US-Konzerne zu zahlen, müssen öffentliche Mittel gezielt in deutsche und
europäische Alternativen fließen. Langjährige Lizenzbindungen und geschlossene
Systeme haben zu digitalen Pfadabhängigkeiten geführt, die neue Abhängigkeiten
fortschreiben. Wer technologische Souveränität will, muss diese Lock-in-Effekte
gezielt aufbrechen und den Umstieg auf offene Standards gezielt politisch
forcieren. Nur durch Investitionen in offene, sichere und transparente
Technologien kann Europa seine digitale Handlungsfähigkeit sichern. Auf
europäischer Ebene ist eine wichtige Perspektive die EuroStack-Initiative, mit
der europäische Akteur*innen gemeinsam an einer souveränen digitalen
Infrastruktur arbeiten. Ziel ist es, offene und interoperable Technologien zu
entwickeln, die zentrale staatliche und wirtschaftliche Anwendungen unabhängig
von außereuropäischen Plattformen ermöglichen. Deutschland sollte die Initiative
aktiv unterstützen und sich dafür einsetzen, dass sie zu einem strategischen
Kernprojekt europäischer Digitalpolitik ausgebaut wird.
Digitale Souveränität ist mehr als Technologiepolitik. Sie ist eine Investition
in die Menschen, die Europas digitale Zukunft gestalten. Wenn wir Innovation mit
Gemeinwohl, Transparenz und Nachhaltigkeit verbinden, schaffen wir nicht nur
neue Arbeitsplätze, sondern auch Vertrauen in den digitalen Wandel. Wir wollen
Talente fördern, die digitale Freiheit, Verantwortung und Demokratie zusammen
denken. Dafür braucht es eine gezielte europäische Förderstrategie für Open-
Source-Unternehmen, Start-ups und kleine sowie mittlere Betriebe, die faire
Rahmenbedingungen und Planungssicherheit schafft. Durch Investitionen in
Ausbildung, Fachkräfteentwicklung und Forschung können wir Talente in Europa
halten und neue Fachkräfte gewinnen, die unsere Werte und unseren
Gestaltungsanspruch teilen.
Wir Grüne wollen ein digitales Ökosystem, das demokratisch, nachhaltig und offen
gestaltet ist, die Resilienz unserer Gesellschaft stärktund digitale Teilhabe
unabhängig vom Einkommen und sozialem Status ermöglicht. Im Mittelpunkt stehen
sechsHandlungsfelder, in denen politisches Handeln jetzt besonders gefragt ist.
1. Europäische digitale Infrastruktur ausbauen
Deutschland muss die bereits ressortübergreifend vereinbarten Absprachen zur
Stärkung der digitalen Souveränität Deutschlands und Europas, etwa in der
Nationalen Sicherheitsstrategie, endlich mit politischem Leben füllen und
konsequent umsetzen. Europäische Initiativen wie die EuroStack-Initiative sollen
aktiv vorangetrieben und eine souveräne, offene und interoperable Cloud- und
Dateninfrastruktur in Europa gestärkt werden. Dazu braucht es klare
Souveränitätsmaßstäbe in der Beschaffung, insbesondere bei Clouddiensten. Ein
Baustein dabei sind gemeinwohlorientierte, offen zugängliche europäische
Datenräume für Forschung und KI. Projekte, welche die europäischen
Rechenkapazitäten stärken oder eigene LLMs sowie industrielle Foundation-Modelle
entwickeln, gilt es besonders zu unterstützen. Ziel ist der Aufbau einer starken
europäischen Cloud-, KI- und Halbleiterindustrie, die den europäischen
Datenschutz- und Sicherheitsstandards entspricht und rechtswidrige
Datenabflüsse, insbesondere ins Ausland effektiv zu unterbinden. So können wir
auch für Länder außerhalb Europas eine attraktive Kooperationsmöglichkeit
eröffnen. Ansätze aus Deutschland wie der „DeutschlandStack“ müssen europäisch
kompatibel ausgestaltet werden.
2. Open Source zum Standard machen
Deutschland muss das Vergaberecht modernisieren! Bei öffentlichen IT-
Beschaffungen müssen offene Standards, offene Schnittstellen und Open-Source-
Lösungen Vorrang vor proprietärer Software haben. Bei neu entwickelter Software
der öffentlichen Verwaltung soll "Public Money, Public Code" als Leitbild
dienen. Souveränität muss in Vergabeverfahren der öffentlichen Hand stärker
gewichtet werden. Folgekosten, die sich beim Einsatz von proprietären Lösungen
durch den Lock-In-Effekt und mangelnde Wechseloptionen ergeben, müssen in die
Wirtschaftlichkeitsbetrachtung aufgenommen werden. Bis 2029 muss ein Open-
Source-Anteil von mindestens 70 % bei Vergaben erreicht werden. Hierbei gilt es,
diesen Anteil genauer messbar zu machen: Wo proprietäre Lösungen vor allem
Lizenzkosten verursachen, gelten für Open-Source-Kosten andere Strukturen. Ziel
ist es Lösungen zu priorisieren, die zugleich Leistungsfähigkeit und Offenheit
ermöglichen.
3. Digitale Souveränität in der Bildung und Wissenschaft stärken
Digitale Souveränität muss auch in Schulen und Hochschulen gewährleistet sein.
Heute basieren zentrale Lern-, Kommunikations- und Forschungssysteme oft auf
proprietären Plattformen außereuropäischer Konzerne – mit Risiken für
Datenschutz, pädagogische und wissenschaftliche Unabhängigkeit sowie
langfristige Sicherheit. Wir wollen deshalb, dass Bildungseinrichtungen
schrittweise auf europäische, gemeinwohlorientierte und offene Technologien
umsteigen, damit Forschung und Lehre nicht von geschlossenen KI- oder Cloud-
Systemen abhängig ist. „Public Money, Public Code“ soll auch für öffentlich
finanzierte Bildungs- und Forschungssoftware gelten. Digitale Kompetenz,
Plattformkritik und ein grundlegendes Verständnis von KI gehören verbindlich in
Curricula, damit kommende Generationen souverän und selbstbestimmt mit
Technologie umgehen können.
4. Kritische digitale Infrastrukturen schützen und europäisch absichern
Wir müssen die digitalen Infrastrukturen unseres Landes insgesamt besser
schützen. Anhaltende Fälle von Spionage, Sabotage und Cyberangriffen zeigen
deutlich, wie gefährdet insbesondere die kritische Infrastruktur Deutschlands
ist.Gerade hier gefährden auch Abhängigkeiten von außereuropäischen Anbietern
die Sicherheit und Handlungsfähigkeit unseres Staates. Die EU verpflichtet mit
der NIS-II- und der CER-Richtlinie zu einem umfassenden Schutz dieser zentralen
Systeme. Wir fordern eine kohärente Umsetzung beider Vorgaben in einem
Dachgesetz sowie den klaren Ausschluss unsicherer Komponenten in sensiblen
Bereichen. Auch unser Finanzsystem muss vor neuen digitalen Abhängigkeiten
geschützt werden; wir wollen seine Stabilität sichern, den Zugriff von Big Tech
auf unsere Daten und Stablecoins begrenzen und zugleich europäische Innovationen
stärken.
5. Europäische Innovationskraft stärken
Gezielte Investitionen in Forschung, Start-ups und mittelständische IT-
Unternehmen und bessere Bedingungen für Gründungen fördern den Aufbau
unabhängiger Schlüsseltechnologien. Um fairen Wettbewerb zu gewährleisten,
braucht es zudem eine europäische Digitalkonzernsteuer, die große Plattformen
angemessen am europäischen Gemeinwohl beteiligt. Open Source, faire
Wettbewerbsbedingungen und europäische Zusammenarbeit sind die Grundlage für
technologische Souveränität. Insbesondere der innovationsstarke Mittelstand
profitiert, wenn offene Standards und europäische Technologien
Planungssicherheit bieten. So entstehen neue Geschäftsmodelle,
Wertschöpfungsketten und Exportchancen für Unternehmen, die auf Sicherheit,
Nachhaltigkeit und digitale Eigenständigkeit setzen. Der Staat kann dabei als
verlässlicher Ankerkunde auftreten, um europäischen Anbietern Planungssicherheit
zu geben und selbst mit gutem Beispiel für souveräne und nachhaltige Beschaffung
voranzugehen. Dafür braucht es praxistaugliche Beschaffungsinstrumente wie
Direktvergaben bis 50.000€ sowie eine Innovationsklausel für Direktvergaben an
Start-Ups. Zudem muss der europäische Rechtsrahmen klarer und leichter
navigierbar werden. Eine gebündelte One-Stop-Agency für die nationale Umsetzung
europäischer Digitalgesetze sowie eine bessere Harmonisierung schaffen
verlässliche Bedingungen für die Digitalwirtschaft, wie es mit dem digitalen
Omnibus in Europa angegangen wurde. Unternehmensgründungen sollten europaweit
einfacher werden. Eine europäische Rechtsform wie eine "EU Inc." und das Ziel,
Start-Up Gründungen innerhalb 24 Stunden zu ermöglichen, stärken europäische
Innovationstreiber.
6. Nachhaltigkeit als Leitprinzip der Digitalisierung
Digitale Souveränität kann nur gelingen, wenn sie ökologisch und sozial
verantwortungsvoll gestaltet ist. Digitale Anwendungen können sehr energie- und
ressourcenintensiv sein, bieten zugleich aber auch enorme Chancen für
Klimaschutz, Ressourceneffizeinz und nachhaltiges Wirtschaften. Insbesondere KI
gestützte Analysen, Modelle und Anwendungen können Klimaschutzmaßnahmen
gezielter und Ressourceneinsatz effizienter gestalten. Diese Potenziale müssen
erschlossen werden. Nur eine nachhaltige Digitalisierung ist eine souveräne
Digitalisierung. Wenn Europa auf Green IT und Kreislaufwirtschaft setzt,
verbindet es technologische Unabhängigkeit mit Klimaschutz und Verantwortung für
eine lebenswerte digitale Zukunft.
7. Demokratie und Gemeinwohl digital absichern
Daten- und Grundrechtsschutz, Verschlüsselung und Transparenz müssen
Grundprinzipien staatlicher IT sein. Digitale Souveränität ist nur dann
glaubwürdig, wenn sie nicht nur in Sonntagsreden beschworen, sondern auch mit
konkretem politischem Leben gefüllt wird. Sie mussDemokratie, Grund- und
Menschenrechte sowie dem Gemeinwohl nutzen. Sie bedeutet nicht Abschottung,
sondernin einer zunehmend komplexen Welt, die Fähigkeit, technologische
Entscheidungen zukünftig unabhängig und wertebasiert zu treffen. Dazu gehört
auch, dass wir die Europäischen Gesetze in diesem Bereich effektiver machen und
durch transparente Aufsicht - etwa eine öffentliche Compliance-Datenbank für
Gatekeeper - stärken, statt sie als Spielball geopolitischer Interessen des
Weißen Hauses oder als Zugeständnis an undifferenzierte Deregulierungswünsche
nach dem Motto "anything goes" zu schwächen oder gar abzuschaffen. Um die
Marktmacht großer Tech-Konzerne wirksam zu begrenzen, müssen Aufsichtsbehörden
zudem ausreichend ausgestattet sein, damit sie fairen Wettbewerb durchsetzen
können. Der Digitale Gesetzesrahmen der EU muss konsequent, schlank und mit
klaren Zuständigkeiten umgesetzt werden. Die zuständigen Behörden und Agenturen
müssen die Umsetzung der europäischen Vorgaben aktiv begleiten und gegenüber den
Unternehmen transparent erklären. So entsteht ein klarer Rechtsrahmen, der
Menschenrechte im Digitalen Raum garantiert und zugleich Investitionssicherheit
sowie Freiräume für Innovation bietet.
8. Vielfalt statt Plattformdominanz - Kultur- und Medienvielfalt sichern
Kreativ- und Medienschaffende sind zunehmend von wenigen globalen Plattformen
abhängig, deren intransparente, marktprägende Algorithmen Sichtbarkeit und
Einkommen bestimmen. Diese Machtkonzentration gefährdet Vielfalt, faire
Vergütung und eine unabhängige Medien- und Kulturlandschaft. Wir setzen uns für
algorithmische Transparenz, faire Vergütungsmodelle und nutzerzentrierte
Ausschüttungen ein, die besonders kleinere und unabhängige Akteur*innen stärken.
Marktbeherrschende Strukturen im digitalen Werbemarkt müssen aufgebrochen
werden, damit Einnahmen wieder bei den Inhaltproduzent*innen ankommen.
Plattformdominanz entzieht Medienhäusern wesentliche Erlöse und bedroht die
demokratische Öffentlichkeit; KI-Empfehlungssysteme verstärken dies. Die EU muss
auf Basis des DMA und des Wettbewerbsrechts faire Bedingungen schaffen und
Medieninhalte wieder sichtbar machen. Zur Sicherung kultureller und medialer
Vielfalt fördern wir offene und unabhängige Alternativen. Europaweit entstehen
Plattformen, die ohne Datenprofile, intransparente Algorithmen oder
Konzernkontrolle auskommen. Sie sind ein wichtiger Baustein für offene digitale
Öffentlichkeiten. Wir wollen ihre Entwicklung politisch stärken und sie selbst
nutzen, um Räume für vielfältige Inhalte, demokratischen Austausch und
kulturelle Teilhabe zu schaffen.
Europas digitale Zukunft gehört uns allen und entsteht im Schulterschluss mit
anderen Demokratien, die für offene Standards, souveräne Technologien und eine
freie digitale Ordnung eintreten. Europa muss jetzt eine Führungsrolle
übernehmen - gemeinsam können wir die freie Welt sichern und Demokratie und
Freiheit gegenüber autoritären Tech-Modellen verteidigen. Wir haben die Chance,
ein digitales Europa zu schaffen, das Freiheit, Innovation und Gerechtigkeit
miteinander verbindet. Diese Chance dürfen wir nicht den Techkonzernen
überlassen. Europas digitale Zukunft gehört uns allen!
