Veranstaltung: | 51. Bundesdelegiertenkonferenz Hannover |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | KV Berlin-Tempelhof/Schöneberg (dort beschlossen am: 05.07.2025) |
Status: | Eingereicht |
Angelegt: | 01.10.2025, 19:56 |
V-02: Keine Erstattung homöopathischer Leistungen durch gesetzliche Krankenkassen – für eine evidenzbasierte Gesundheitspolitik!
Antragstext
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen sich für eine konsequent evidenzbasierte
Ausrichtung der gesetzlichen Krankenversicherung ein. Leistungen der
Solidargemeinschaft sollen sich am nachweisbaren medizinischen Nutzen
orientieren und dazu beitragen, die Gesundheitsversorgung gerecht, effizient und
zukunftsfest zu gestalten.
- Die gesetzlichen Krankenkassen sollen homöopathische Behandlungen und
Präparate künftig nicht mehr erstatten. Die Solidargemeinschaft soll nicht
für Therapien aufkommen, deren Wirksamkeit über den Placeboeffekt hinaus
wissenschaftlich nicht belegt ist. Die durch Kostenerstattung suggerierte
Wirksamkeit von homöopathischen Mitteln und Irreführung von Patient:innen
muss beendet werden.
- Die freiwerdenden Ressourcen gezielt in folgende Bereiche zu investieren:
- Wissenschaftsbasierte Gesundheitsförderung, die nachweislich zur
Verbesserung der Gesundheit der Gesellschaft beiträgt - Bedarfsorientierte und evidenzgeleitete Versorgungssteuerung, um
Über-, Unter- und Fehlversorgung zu vermeiden - Stärkung der Gesundheitsberufe, die angesichts von Fachkräftemangel
und wachsender Aufgaben erheblich unter Druck stehen - Förderung von Präventionsansätzen, die den Zusammenhang zwischen
Umwelt, Klima und Gesundheit berücksichtigen und gezielt
entsprechende Schutzmaßnahmen ermöglichen
- Wissenschaftsbasierte Gesundheitsförderung, die nachweislich zur
Unser Ziel ist es, die Mittel der gesetzlichen Krankenversicherung so
einzusetzen, dass sie den größtmöglichen gesundheitlichen Nutzen für alle
Versicherten bringen. Gleichzeitig respektieren wir die Patient*innenautonomie:
Wer alternative Methoden wie Homöopathie nutzen möchte, kann dies weiterhin
privat tun. Die Mittel der GKVen jedoch müssen evidenzbasiert und solidarisch
verwendet werden.
Begründung
Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) beruht auf dem Prinzip der Solidarität. Damit alle Versicherten bestmöglich versorgt werden können, ist es notwendig, die knappen Mittel dort einzusetzen, wo sie den größten gesundheitlichen Nutzen entfalten. Voraussetzung dafür ist eine klare Orientierung an wissenschaftlichen Erkenntnissen. Leistungen der GKV sollten deshalb grundsätzlich evidenzbasiert sein. Therapien, deren Wirksamkeit nicht belegt ist, dürfen nicht mit öffentlichen Mitteln finanziert werden.
Für homöopathische Behandlungen und Präparate konnte bislang keine belastbare Evidenz für eine über den Placeboeffekt hinausgehende Wirksamkeit nachgewiesen werden.
Zahlreiche nationale und internationale wissenschaftliche Studien und Übersichtsarbeiten belegen dies. Auch Fachgremien wie das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), der gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), die Bundesärztekammer sowie der europäische Wissenschaftsrat EASAC kommen zu dem Schluss, dass Homöopathie keine spezifische therapeutische Wirksamkeit besitzt. Dennoch übernehmen Krankenkassen im Rahmen von Zusatzleistungen teilweise noch die Kosten für homöopathische Behandlungen. Dies ist nicht mehr zeitgemäß und widerspricht dem Ziel einer auf nachweisbare Wirksamkeit gestützten Versorgung. Viele Länder (z. B. Großbritannien, Australien, Frankreich) haben die Erstattung homöopathischer Mittel bereits eingeschränkt, beendet oder planen dies, mit Verweis auf mangelnde Evidenz.
Die oft geäußerte Argumentation, die Kosten homöopathischer Leistungen seien marginal, greift zu kurz. Es geht nicht nur um finanzielle Ressourcen, sondern um die Vorbildfunktion der GKV. Wenn sie Leistungen erstattet, die wissenschaftlich nicht belegt sind, sendet sie ein falsches Signal an Patient*innen. Statt Orientierung zu geben, fördert sie damit die Illusion einer gleichwertigen Alternative zu evidenzbasierten Therapien. Gerade bei ernsten Erkrankungen kann dies zu einer Verzögerung wirksamer Behandlungen führen und damit Patientensicherheit gefährden.
Wichtig ist dabei die Unterscheidung zwischen Homöopathie und Phytotherapie. Während homöopathische Mittel meist keine nachweisbaren Wirkstoffmengen mehr enthalten, handelt es sich bei Phytopharmaka um pflanzliche Arzneimittel mit pharmakologisch aktiven Substanzen. Für viele dieser Präparate liegt eine klinische Evidenz vor, die ihre Wirksamkeit bei bestimmten Indikationen belegt. Phytotherapie ist daher ein anerkannter Bestandteil der evidenzbasierten Medizin. Homöopathie und Phytotherapie werden im Alltag jedoch oft vermischt wahrgenommen. Umso wichtiger ist es, die wissenschaftlich begründete Phytotherapie zu stärken und klar von der Homöopathie abzugrenzen.
Es ist irreführend und widerspricht dem Ziel einer gesundheitlich aufgeklärten Gesellschaft, dass die Kassenerstattung von homöopathischen Mitteln vielen Menschen suggeriert, dass Homöopathie eine wissenschaftlich anerkannte und wirksame Therapie sei, was sie nicht ist. Bündnis 90/Die Grünen wollen in allen Themenfeldern wissenschaftliche Fakten als Maßstab an Politik anlegen. Es hat sich, nicht zuletzt während der Corona-Pandemie, gezeigt, wie wichtig eine gesundheitlich aufgeklärte Gesellschaft ist und wie schwerwiegend die Konsequenzen sein können, wenn Menschen wissenschaftlich unhaltbaren Behauptungen folgen.
Die freiwerdenden Mittel sollen nicht einfach eingespart, sondern gezielt in wirksame Bereiche reinvestiert werden. Hierzu zählen die im Antrag genannten Felder der Gesundheitsversorgung.
Es bleibt selbstverständlich möglich, Homöopathie privat zu nutzen. Wer von homöopathischen Behandlungen überzeugt ist, kann diese weiterhin selbst bezahlen. Die Finanzierung aus Solidarmitteln jedoch ist nicht gerechtfertigt. Die Solidargemeinschaft sollte nur dort leisten, wo der Nutzen für alle wissenschaftlich belegt ist.
vgl.