| Veranstaltung: | 51. Bundesdelegiertenkonferenz Hannover |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | A Außenpolitik: Ukraine und Naher Osten |
| Status: | Beschluss (vorläufig) |
| Beschluss durch: | Bundesdelegiertenkonferenz |
| Beschlossen am: | 29.11.2025 |
| Antragshistorie: | Version 2 |
Für Frieden in Freiheit. Konsequent europäisch Handeln.
Beschlusstext
Vor achtzig Jahren gab sich die Staatengemeinschaft ein Versprechen: gemeinsam
für eine Welt einzustehen, in der Kooperation stärker ist als Krieg und
Konkurrenz. In Europa sehen wir jeden Tag, dass sich dieser Einsatz lohnt. Einst
trennten uns Frontlinien, Stacheldraht und Mauern. Heute verbindet uns das
gemeinsame Ziel, für Frieden, Freiheit, die Achtung der Menschenwürde, die
Wahrung der Menschenrechte, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie
einzutreten. Die Europäische Union ist bis heute Hüterin für diese Werte und
Basis für unseren wirtschaftlichen Erfolg. Unsere Aufgabe bleibt es, sie nach
innen und außen zu verteidigen, zu stärken und universell durchzusetzen. Als
erfolgreichstes Friedensprojekt seit dem Zweiten Weltkrieg hat die EU eine
Strahlkraft weit über die Grenzen Europas hinaus. Sie zeigt, dass sich der
Einsatz für das Völkerrecht, für Frieden und Kooperation lohnt.
Diese Errungenschaften werden heute auf eine harte Probe gestellt. Wir erleben
eine massive Erschütterung des internationalen Systems. Russlands Angriff auf
die Ukraine und ein freies Europa ist die größte Bedrohung auf unserem Kontinent
seit 1945. Weltweit sind nationalistische Bewegungen und autoritäre Kräfte auf
dem Vormarsch. Diese autoritären Kräfte gewinnen nicht nur in ihren Ländern
immer stärker an Macht, sondern vernetzen sich auch international und üben über
gezielte Desinformation und Propaganda zunehmend Einfluss auf unsere Demokratien
aus. Sie eint ein gemeinsames Interesse: Die Grundpfeiler der liberalen
Weltordnung zu erschüttern und durch ein autoritäres Machtgefüge zu ersetzen.
Sie nutzen dabei Gewalt als in ihren Augen normales Mittel der internationalen
Politik und missachten Menschenrechte. Sie führen Kriege, destabilisieren
Demokratien und multilaterale Organisationen. Sie wollen eine auf Recht und
Kooperation beruhende Weltordnung überwinden, die sie in der Ausdehnung ihrer
Macht beschränkt. Stattdessen wollen sie, dass wieder das Recht des
Skrupelloseren, Nullsummen- und imperiale Logiken gelten, und Demokratie und
Freiheit der Vergangenheit angehören.
Diese Entwicklung verschont auch unsere engsten Verbündeten nicht. Wir sehen mit
Sorge in den USA, dass die Demokratie Schritt für Schritt nach dem Drehbuch der
autoritären Kräfte beschnitten wird. Präsident Donald Trump treibt im
Rekordtempo einen autoritären Staatsumbau voran: Oppositionelle,
Zivilgesellschaft, Medien und Universitäten werden massiv unter Druck gesetzt.
Die Rechte von Frauen sowie LSBTIQ-Personen, Migrant*innen und Minderheiten
werden eingeschränkt, der Rechtsstaat angegriffen und soziale Ungleichheiten
verschärft. Den Angriff auf den Rechtsstaat im eigenen Land setzt Trump auf
internationaler Ebene fort: Statt auf das Völkerrecht setzt er auf die
Erpressung, Deals mit Autokraten und das Recht des Stärkeren. Bündnisse und
Allianzen werden immer wieder in Frage gestellt. Dabei schreckt er nicht vor
politischen Umarmungen von Putin zurück oder vor unverhohlenen Drohgebärden
eines mutmaßlich völkerrechtswidrigen militärischen Einmarschs in Venezuela. Die
Zerschlagung der US-Entwicklungsbehörde USAID hat verheerende weltweite
Auswirkungen. Einige der reichsten Männer der Welt um Donald Trump ziehen ihre
größte Genugtuung daraus, den Ärmsten der Welt das Wenige zu nehmen, was sie
haben.
Während weltweit an humanitärer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit gekürzt
wird, eskaliert in Sudan die größte humanitäre Krise der Welt. Das unermessliche
Leid der Menschen ist nur ein besonders gravierendes Beispiel der vielen in der
Öffentlichkeit wenig beachteten Krisen. Die UN-Untersuchungskommission des UN-
Menschenrechtsrats spricht von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die
Menschlichkeit. Die Berichte über Massaker, gezielte Angriffe auf Zivilist*innen
und sexualisierte Gewalt durch die RSF-Miliz in der Stadt Al-Fashir erschüttern
zutiefst. Es ist nicht nur Teil unseres Selbstverständnisses, sondern auch in
unserem ureigenen Interesse dort nicht wegzusehen, sondern Leid zu lindern,
Schutz zu gewähren und diplomatisch auf ein Endes des Kieges hinzuwirken. Dazu
gehört eine substantielle Aufstockung der humanitären Hilfe und deutlich mehr
Druck auf die Kriegsparteien und ihre externen Unterstützer.
Auch die Lage in Syrien bleibt weiterhin fragil. Es sollte jetzt alles daran
gesetzt werden, nach dem Jahrzehnten von Unterdrückung, Folter und Mord unter
dem Assad-Regime ein neues Kapitel für Syrien aufzuschlagen. Das enorme Ausmaß
an Zerstörung, die schlechte Versorgungslage im Land und die Gewaltausbrüche und
Massaker an Alawiten und Drusen in Syrien zeigen einmal mehr, dass dies noch ein
weiter Weg ist. Die Bundesregierung muss ihren Beitrag leisten, damit Syrien ein
stabiles, freies, friedliches Land für alle Syrer*innen wird. Wer wie die
Bundesregierung in dieser Lage Rückführungen nach Syrien zum ideologischen
Projekt erhebt, hat jeden politischen Kompass verloren.
Für uns als Menschenrechtspartei gilt: Die universellen Menschenrechte sind
unverhandelbar und unteilbar, und gelten für alle Menschen. Sie zu schützen und
wirksam durchzusetzen, ist Kern unserer grünen Überzeugung. Der Mensch in seiner
Würde und Freiheit steht im Mittelpunkt unserer Politik. Gerade in unfriedlichen
Zeiten, in denen Autokraten und Rechtspopulisten weltweit die Freiheit und Würde
des Einzelnen - insbesondere die Rechte von Frauen und benachteiligten Gruppen
angreifen - braucht es entschlossenen Einsatz dafür, dass Menschen unabhängig
von Geschlecht, sexueller Orientierung, Religion und Herkunft gleichberechtigt,
friedlich und in Freiheit leben können. Dafür braucht es eine Außen- und
Entwicklungspolitik, die auf die Einhaltung der Menschenrechte pocht, für ihre
Durchsetzung arbeitet, feministisch denkt und handelt. Dafür müssen Deutschland
und Europa selbst mit gutem Beispiel voran gehen und diese Prinzipien auch
innerhalb der eigenen Grenzen achten. Die Deklaration der universellen
Menschenrechte und ihre Umsetzung überall bleiben unser Handlungsziel.
Frieden und Menschenrechte gehören zusammen. Menschenrechte sind laut UN Charta
die Grundlage für friedliche und freundschaftliche Beziehungen zwischen den
Nationen. Wenn ein Land innerhalb seiner Grenzen mit sich in Frieden ist, wenn
grundlegende Rechte respektiert werden und es keine gewaltvolle strukturelle
Unterdrückung seiner Bürger*innen gibt, ist die Chance höher, dass es auch nach
Außen nicht als Aggressor auftritt.
Für uns als Friedenspartei gilt: Frieden basiert auf der Einhaltung des
Völkerrechts. Das Völkerrecht schützt uns alle vor Gewalt und Willkür - und
bildet die Grundlage für Verständigung und Kooperation. Wenn nationale Grenzen
und das Selbstbestimmungsrecht der Völker missachtet und stattdessen imperiale
Logiken zum Leitprinzip werden, stellen wir Grüne uns an die Seite der
Angegriffenen und gegen die Aggressoren. Das Völkerrecht schützt die
Souveränität der Ukraine, das Existenzrecht Israels und das nationale
Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes. Wer diese Rechte
bestreitet, verletzt die Grundpfeiler des Völkerrechts und schwächt eine
gerechte, regelbasierte Weltordnung. Die Vereinten Nationen und die
internationale Strafgerichtsbarkeit sind tragende Säulen dieser Weltordnung. Wer
versucht, sie zu sabotieren oder zu delegitimieren, der bedroht Sicherheit,
Frieden, Freiheit und Wohlstand weltweit. Das erschwert zugleich die Suche nach
Lösungen für globale Menschheitsfragen wie die Klimakrise.
Abhängigkeiten verringern, bestehende Partnerschaften stärken, neue aufbauen
Deutschlands Antwort auf diese massiven Verschiebungen muss konsequentes
europäisches Handeln sein. Als größter Mitgliedstaat muss die Bundesregierung
dabei eine Führungsrolle innerhalb der EU übernehmen - nicht mit leeren
Ankündigungen, sondern mit mutigem Handeln. Wenn wir in einer rauen Weltlage
nicht zum Spielball werden wollen, brauchen wir das Gewicht und die Fähigkeiten
der Europäischen Union.
Europa darf sich nicht länger erpressbar machen, sondern muss kritische
Abhängigkeiten überwinden und in die eigene strategische Unabhängigkeit
investieren. Die Europäische Kommission unter Ursula von der Leyen hat die
Zeichen der Zeit erkannt. Doch gute Ideen brauchen Unterstützung aus den
Mitgliedstaaten. Leider zögert und zaudert Deutschland auch unter Friedrich
Merz: Die Bundesregierung steckt der EU Stöcke zwischen die Speichen. Sie
schadet damit nicht nur der gemeinsamen europäischen Idee, sondern auch
Deutschland. Denn wer vermeintliche nationale Interessen über den europäischen
Zusammenhalt stellt, schadet damit auch sich selbst.
Dazu zählt: Deutschland und Europa müssen deutlich mehr Verantwortung für die
eigene Sicherheit übernehmen. Die NATO ist und bleibt in entscheidender Rolle
für den Schutz der Sicherheit auf unserem Kontinent; ihren europäischen Pfeiler
gilt es konsequent zu stärken, damit Europa seine Sicherheit wenn nötig auch
eigenständig verteidigen kann. Für Deutschland heißt das unter anderem, die
Bundeswehr personell und materiell gut auszustatten und ihren Kernauftrag der
Landes- und Bündnisverteidigung wieder ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit zu
rücken. Sie muss in der Lage sein, gemeinsam mit den Bündnispartnern unseren
Frieden und unsere Sicherheit im äußersten Notfall auch militärisch zu
verteidigen sowie potentielle Aggressoren wirksam abzuschrecken.
Sicherheit ist aber mehr als nur militärische Verteidigung. Sicherheit bedeutet
auch Dialog und gleichberechtigte Zusammenarbeit mit internationalen Partnern.
Sicherheit bedeutet funktionierende multilaterale Institutionen, die
Konfliktparteien an einen gemeinsamen Verhandlungstisch bringen können. Nicht
zuletzt bedeutet Sicherheit auch die Freiheit von Not und Furcht jedes einzelnen
Menschen. Dabei erkennen wir die besondere Schutzbedürftigkeit von Menschen an,
die vor Krieg und Verfolgung fliehen.
Um europäische Souveränität zu stärken, muss Deutschland die neuen Pläne der EU
Kommission zur europäischen Verteidigungsfähigkeit unterstützen und effektiv
europäische Rüstungskooperationen, und gerade die deutsch-französischen,
vorantreiben. Für die europäische Sicherheit ist es dabei essentiell,
Abhängigkeiten von Dritten im Bereich der Rüstungs- und Verteidigungstechnologie
zu überwinden. Aber Souveränität ist mehr als nur militärische Stärke.
Deutschland muss seine wirtschaftliche und technologische Souveränität erhöhen,
indem strategische Industrien in Europa gesichert und ausgebaut sowie
Innovationen gefördert und erleichtert werden. Dazu gehören vor allem
Technologien wie KI, Cloudlösungen, Chip-Herstellung, Quantencomputer,
Satellitenbau und andere Weltrauminfrastruktur, Cyber- und IT-
Sicherheitsinfrastrukturen. Regierungen und Verwaltungen sollten in der Regel
nur europäische Technologien nutzen. Das Land Schleswig-Holstein geht hier
vorbildlich voran.
Auch Deutschlands und Europas Abhängigkeiten von China müssen verringert werden.
Insbesondere die europäische Abhängigkeit von China im Rohstoffbereich führt zu
einer Erpressbarkeit. Deutschland muss dem entgegenwirken. Der Rohstofffonds,
den wir in Regierungsverantwortung noch in der letzten Legislaturperiode
aufgesetzt haben, setzt genau dort an. Er trägt einen Teil dazu bei,
unabhängiger von chinesischen Rohstoffen zu werden und orientiert sich an
menschenrechtlichen und ökologischen Standards. Darüber hinaus kann Deutschland
durch stärkere Kreislaufwirtschaft und Recycling von Rohstoffen wirtschaftliche
und ökologische Chancen heben. Gleichzeitig müssen wir in Europa jene Hebel
nutzen, die wir gegenüber China haben. Das beinhaltet auch die Bereitschaft, wo
nötig Gegenmaßnahmen - wie Ausfuhrbeschränkungen, Investitionsbeschränkungen
oder Zollmaßnahmen - zu ergreifen, wie sie im EU-Instrument gegen
Zwangsmaßnahmen durch Drittländer vorgesehen sind. Zur Bewältigung globaler
Herausforderungen wie der Klima- und Biodiversitätskrise braucht es auch
Kooperationen mit China.
Auch Energieabhängigkeiten von einzelnen Ländern gilt es zu verringern, und
nicht zu vergrößern. Wir dürfen nicht Putins Gas mit Trumps Gas ersetzen. Sonst
verpassen wir die Chance, mit neuer, klimaneutraler Technik unabhängiger und
sicherer zu werden. Vor diesem Hintergrund stellen wir uns entschieden gegen die
Zusicherung der EU-Kommission, als Teil des Handelsdeals mit den USA 750
Milliarden Dollar in fossile Energieträger aus den USA zuzüglich Infrastruktur
zu investieren. Trump will Tanker statt Turbinen, Fracking statt Photovoltaik,
Brennstoffe statt Batterien. Das wäre eine gefährliche Rückentwicklung und eine
weitere Verstrickung in schmutzige Technologien von gestern statt Investitionen
in saubere Technologien von morgen. Statt uns in neue Abhängigkeiten zu begeben,
gilt es jetzt den Ausbau der erneuerbaren Energien entschieden fortzusetzen.
Die russischen Erdgas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 dürfen nie wieder ans Netz
gehen. Gleichzeitig könnten Nord Stream 1 und 2 durch einen neuen Anschluss an
die baltischen Staaten - anstatt nach Russland - eine klimafreundliche
Infrastruktur zur Lieferung von Grünem Wasserstoff nach Deutschland darstellen.
Eine Beteiligung für Polen muss genauso möglich sein. Außerdem muss die
Zustimmung auch anderer europäischer Partner, die stets gegen Nord Stream waren,
wie etwa Tschechien oder Italien, eingeholt werden. Um zu verhindern, dass die
Pipelines potentiell genutzt werden zur logistischen Unterstützung der
völkerrechtswidrigen russischen Schattenflotte und zur möglichen Installation
von Spionage- und Sabotagetechnik, braucht es entschiedene sicherheitspolitische
Antworten zur Sicherung unserer kritischen Infrastruktur. Wenn eine
entsprechende Umwidmung nicht im Einklang mit unseren EU-Partnern und ohne
technischen Zugriff Russlands gelingt, muss die Pipeline zurückgebaut werden.
Investitionen in unsere gemeinsame europäische Unabhängigkeit müssen auch im
nächsten EU-Haushalt (MFR) ab 2028 abgebildet werden. Deutschland muss sich in
den nun beginnenden Verhandlungen für eine Stärkung der finanziellen
Handlungsfähigkeit der EU durch neue EU-Eigenmittel und durch einen
modernisierten MFR einsetzen. Dabei liegen uns auch starke Regionen, Klima- und
Naturschutz und der soziale Zusammenhalt besonders am Herzen. Darüber hinaus
liegen mit den Berichten von Draghi, Letta und Niinistö wichtige Ansätze für die
Sicherung von Wohlstand und Resilienz in Europa längst auf dem Tisch - Friedrich
Merz muss endlich aktiv dazu beitragen, dass die EU entsprechende beherzte
Schritte in Richtung Zukunft geht.
Die Angriffe auf das multilaterale System stellen für viele Menschen weltweit
eine Bedrohung dar. Deutschland kann ihnen nur im Rahmen einer starken und
handlungsfähigen EU und gemeinsam mit anderen Partnern entgegentreten. Dafür
muss die Bundesregierung bereits bestehenden Partnerschaften wie die mit dem
Vereinigten Königreich, Kanada, Japan, Südkorea und Australien ausbauen.
Zugleich muss sie die Partnerschaften und Kooperationen mit Ländern im Globalen
Süden stärken. Neue und verstärkte Partnerschaften im Indopazifik, in Afrika und
Lateinamerika sind eine Möglichkeit, Allianzen zu bilden, einseitige
Abhängigkeiten zu reduzieren und technologische Entwicklungen zu beschleunigen.
Besondere Schwerpunkte müssen die Sicherung und der Ausbau fairer
Handelsbeziehungen, die Erschließung resilienter Lieferketten, der Einsatz für
nachhaltige Entwicklung und die Bekämpfung der Klima- und Biodiversitätskrise
sein. Es gilt, Mitstreiter*innen für die Maßnahmen zum weltweiten Ausstieg aus
fossilen Energien, entschiedenen Ausbau von erneuerbaren Energien und zur
Steigerung der Energieeffizienz zu gewinnen und Partnerschaften zu stärken.
Diese Partnerschaften müssen im engen Austausch mit der Zivilgesellschaft vor
Ort entstehen und ihre Rechte, Perspektiven und Bedürfnisse gleichermaßen zu
staatlichen Akteuren berücksichtigen. Dabei muss die Beteiligung von Frauen und
indigenen Gruppen gestärkt werden. Nur so kann gerechte, nachhaltige und
solidarische Zusammenarbeit gelingen.
Wir verlieren die unterschiedlichen Krisen und Konflikte in der Welt nicht aus
dem Blick. Wir sehen die Verknüpfungen zwischen diesen Krisen und erkennen, dass
bestehende Ungleichheiten historisch verwurzelt sind. Deshalb wollen wir
gemeinsam und gleichberechtigt mit den Ländern des Globalen Südens Antworten auf
die Herausforderungen findenund dabei strukturelle Ungleichheiten überwinden.
Auch bei Partnern dürfen wir nicht wegschauen und müssen Konsequenzen ziehen,
wenn Menschenrechte verletzt werden oder die eigene Bevölkerung unterdrückt
wird. Beispielsweise setzen wir uns dafür ein, dass die Unterstützung der
sogenannten libyschen Küstenwache weder Teil des deutschen IRINI-Mandats noch
der EU-Mission im Mittelmeer werden. Kriminelle Akteure, die auf Geflüchtete und
Seenotrettungsorganisationen schießen, dürfen nicht wieder aktiv unterstützt
werden. Und auch eine Bundesregierung, die die terroristischen Taliban
normalisiert und zugleich Partner*innen vor Ort im Stich lässt, verspielt
Deutschlands Glaubwürdigkeit in der Welt. Eine Anerkennung der Taliban als die
Regierung Afghanistans lehnen wir konsequent ab.
Der Rückzug der USA aus der Finanzierung für Entwicklungszusammenarbeit und
humanitäre Hilfe hat eine enorme Lücke gerissen. Bisher waren die USA der
weltweit größte Geldgeber in diesem Bereich. Die Auflösung der US-
Entwicklungsagentur USAID und die Kürzung von bis zu 80 Prozent der Programme
sind vielerorts bereits deutlich spürbar. Gerade jetzt muss Deutschland seiner
Verantwortung in der Welt gerecht werden und sein internationales Engagement
ausbauen – statt sich wie die Bundesregierung zurückzuziehen. Wer jetzt die
Entwicklungsfinanzierung und humanitäre Hilfe kürzt oder gar kriminalisiert,
setzt Menschenleben weltweit aufs Spiel. Das sehen wir tagtäglich insbesondere
in Konfliktgebieten und auf Fluchtrouten wie im Mittelmeer. Er verpasst auch die
Chance, weltweit Partnerschaften auf- und auszubauen, sich als geschätzter
Partner zu positionieren und Verbündete zu gewinnen. Autokratische Staaten wie
Russland und China gewinnen im globalen Süden und insbesondere in Afrika an
Einfluss und füllen gezielt die Lücke, die die USA und andere hinterlassen
haben. China finanziert vielerorts Infrastrukturprojekte und baut seine
kulturelle Diplomatie aus. Unsere internationale Zusammenarbeit muss auf diese
Entwicklung reagieren.
Auch im Bereich der internationalen Finanzpolitik hat Deutschland die Chance,
voranzugehen und Partnerschaften aus- und aufzubauen, indem es für eine
systemische Reform der internationalen Schuldenarchitektur mit einem
rechtsverbindlichen internationalen Staateninsolvenzverfahren und einer
kritischen Ausseinandersetzung von Ratingagenturen sowie für ein gerechtes
internationales Finanzsystem eintritt.
Trotz alldem bleiben die transatlantischen Beziehungen für uns von größter
Bedeutung. Gerade in Zeiten von Trump und zunehmenden autoritären Tendenzen muss
Deutschland Gesprächskanäle und Kooperationen mit den demokratischen Kräften in
Politik, Zivilgesellschaft, Medien, Universitäten und Wirtschaft der USA
aufrechterhalten und weiter ausbauen, gerade auch auf der Ebene der
Bundesstaaten. Auch die Stärkung unserer Freundschaft zu Kanada hat für uns
Priorität.So lassen wir den transatlantischen Geist von unten neu wachsen und
erblühen.
Ukraine: Frieden und Sicherheit wiederherstellen und bewahren
Russland führt seinen Angriffskrieg gegen die gesamte Ukraine mit unfassbarer
Brutalität gegen die Zivilbevölkerung nunmehr im vierten Winter. Die
Ukrainer*innen verteidigen nicht nur ihr Territorium, sie verteidigen auch das
Recht in Frieden, Freiheit, Selbstbestimmung und Würde leben zu können – für
sich und für uns – als Europäerinnen und Europäer. Putins Krieg richtet sich
nicht zuletzt gegen eine auf dem Völkerrecht und Kooperation basierende
multilaterale Ordnung. Er führt einen hybriden Krieg gegen die gesamte
Europäische Union samt ihrer Beitrittskandidaten und bereitet sich auf einen
konventionellen Krieg gegen Frieden und Freiheit in ganz Europa vor. Putin darf
diesen Krieg nicht gewinnen. Weltweit würden Autokraten lernen, dass sie mit
ihren imperialen Machtbestrebungen und Grenzverschiebung durch Waffengewalt
durchkommen - und somit die Welt in ein neues Ausmaß an Unsicherheit stürzen.
Putins Aggression wird zunehmend zu einem Schlachtfeld der neuen Technologien.
Das russische Drohnenprogramm prägt immer mehr die brutale Kriegsführung des
Kremls. Gezielte Angriffe auf zivile Infrastruktur wie Energie-, Wasser- und
Wärmeversorgung sowie auf Wohngebiete bestimmen den Alltag in der Ukraine. Der
konstante Beschuss mit Drohnen, Raketen und Marschflugkörpern soll die
Bevölkerung mürbe machen. Die gezielte Zerstörung von Strom- und Wärmeversorgung
hat das Ziel, die Menschen im Winter frieren zu lassen. Die russische
Kriegsführung zeigt, wie der Terror gegen die Ukraine funktioniert - und sie
zeigt auch unsere eigenen Verwundbarkeiten.
Über den Sommer 2025 hat Putin diplomatische Initiativen bewusst ausgesessen. Er
braucht diesen Krieg zum Machterhalt und zur Unterdrückung der eigenen
Bevölkerung. Denn der Krieg ist nicht nur Putins, sondern der Krieg des
russischen Regimes – getragen von einem autoritären System und ideologisch
legitimiert. Die Kombination aus aggressivem Nationalismus bzw. Imperialismus,
staatlicher Unterdrückung und Gewalt sowie patriarchalen Strukturen in Politik
und Gesellschaft bilden die Grundlage für Russlands gefährlichen Chauvinismus.
Der sogenannte „28-Punkte-Plan“ ist ein offensichtlicher Versuch, die Ukraine zu
unterwerfen und einen gefährlichen Deal zum Nachteil Europas zu machen. Statt
sich glaubwürdig für einen tragfähigen Frieden einzusetzen, sucht US-Präsident
Donald Trump den Pakt mit Kriegsverbrecher Putin. Für die Menschen in den
abgetretenen Gebieten gäbe es keinen Frieden. Unterdrückung, Vergewaltigungen,
Folter, Raub von Kindern würden legalisiert. Ein brutales Besatzungsregime würde
geschaffen. Das Völkerrecht würde verhöhnt. Grundlegende Errungenschaften der
KSZE-Schlussakte von Helsinki, der Charta von Paris und der NATO-Russland-
Grundakte – wie das Recht auf freie Bündniswahl – würden rückabgewickelt.
Es ist schockierend, dass die US-Regierung viele russische Forderungen eins zu
eins übernommen hat. Der dabei offenbar gewordene Einfluss der russischen
Regierung auf US-Positionen zur Ukraine verdeutlicht das Risiko, dass
Entscheidungen in Osteuropa bilateral zwischen Washington und Moskau getroffen
werden – ohne Beteiligung Kyjiws und ohne europäische Mitsprache. Dies ist ein
Angriff auf die lange transatlantische Kooperation im Rahmen der NATO.
Spätestens jetzt muss uns klar sein, dass die USA kein zuverlässiger Verbündeter
Europas mehr sind, dass europäische und US-Interessen nicht zwangsweise Hand in
Hand gehen und dass die US-Regierung bereit ist, entgegen europäischen
Sicherheitsinteressen zu handeln.
Der Trump-Putin-Pakt legt leider auch die Schwächen Europas offen. Wenn es um
den Frieden auf unserem Kontinent geht, sind wir in der Verantwortung, jetzt
alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um unsere Sicherheit und Freiheit
eigenständig schützen zu können. Unsere Sicherheit verlangt entschlossenes
Handeln, den schnellen Ausbau eigener Verteidigungsfähigkeit und eine
verlässliche Unterstützung der Ukraine.
Putins imperiales Machtstreben endet nicht an der Grenze der Ukraine – er führt
einen Krieg gegen das freie Europa. Immer wieder verletzen die russischen
Luftstreitkräfte den Luftraum europäischer Staaten, unter anderem auch
Deutschlands. Zunehmend dringen Drohnen in den europäischen Luftraum ein und
überfliegen Einrichtungen der kritischen Infrastruktur – auch bei uns in
Deutschland. Sabotageakte wie Cyberattacken auf IT-Infrastruktur, Brandsätze in
der Luftfracht oder Angriffe auf Datenkabel in der Ostsee gehören zur neuen
Realität. Es wird systematisch Einfluss auf Wahlen genommen und Desinformation
verbreitet. All das ist Teil der Angriffe Russlands auf unsere
gesellschaftlichen Lebensadern.
Wir stehen weiterhin in voller Solidarität an der Seite der Ukrainer*innen und
ihrem Kampf um Frieden, Freiheit, Demokratie und Selbstbestimmung, den sie nun
seit Jahren mit beeindruckender Entschlossenheit führen. Der Krieg wird erst
enden, wenn Russland spürt, dass es scheitern wird. Die Ukraine muss sich weiter
verteidigen können und für den Fall von Friedensverhandlungen eine starke
Position sicherstellen können. Dabei muss immer gelten: „Nichts über die
Ukraine, ohne die Ukraine." Die Komplexität tragbarer Friedensprozesse ist
unvereinbar mit den naiven Vorstellungen einfacher Deals mit Putin. Echter
Frieden respektiert das Recht auf Selbstbestimmung, Souveränität und
territoriale Integrität.
Das Recht auf freie Bündniswahl gilt selbstverständlich auch für die Ukraine.
Wir setzen uns dafür ein, den EU-Beitrittsprozess so schnell wie möglich zu
beginnen und unterstützen die Reformagenda konsequent. Wir stehen zur NATO-
Beitrittsperspektive als robuste Absicherung eines Friedens und Stärkung der
kollektiven Verteidigungsfähigkeit. Außerdem unterstützen wir den EU-
Beitrittswunsch der Westbalkanstaaten, der Republik Moldau und langfristig
Armeniens, die tagtäglich den hybriden Angriffen Russlands ausgesetzt sind und
zugleich eine besondere Rolle für die Sicherheit Europas spielen. Wir stehen
weiterhin an der Seite der proeuropäischen, demokratischen Kräfte in Georgien,
die trotz weitreichender Repression gegen den Kurs ihrer Regierung auf die
Straße gehen.
Viele Ukrainer*innen haben in Deutschland Schutz gefunden. Ihre Integration
wurde durch den direkten Zugang zur Arbeitsvermittlung und
Qualifizierungsmaßnahmen erleichtert. Diese Möglichkeit muss ihnen weiterhin
offenstehen.
Die Durchhaltefähigkeit der Ukraine hängt nicht zuletzt von unserer
Unterstützung ab. Friedrich Merz forderte als Teil der Opposition noch lautstark
die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern, heute versteckt er sich hinter
Worthülsen, während die Zeit gegen die Ukraine arbeitet. Dabei sollten wir Kyjiw
alle nötigen Systeme liefern, die wir liefern können - auch Marschflugkörper.
Mit der Reform der Schuldenbremse haben wir der Bundesregierung neue finanzielle
Spielräume ermöglicht. Dennoch setzt die schwarz-rote Koalition ausgerechnet bei
der Ukraine-Unterstützung den Rotstift an. Deutschland muss die Militärhilfe für
die Ukraine aufstocken und sie auch diplomatisch, mit humanitärer Hilfe und
finanziell stärker unterstützen. Die deutsche Bundesregierung muss endlich dafür
sorgen, dass die eingefrorenen russischen Vermögen rechtssicher dafür eingesetzt
werden können. Vorschläge dafür liegen von der Europäischen Kommission auf dem
Tisch – es wird endlich Zeit, diese Gelder zu nutzen! Ja, dies birgt auch
Risiken. Aber die Ukrainer gehen nun seit Jahren täglich für uns ins Risiko.
Russland muss zur Verantwortung gezogen werden. Dazu gehört auch auch die
konsequente Dokumentation und Verfolgung russischer Kriegsverbrechen.
Auch der ständige Wiederaufbau der Ukraine ist eine Form des Widerstandes. Dabei
muss ein Fokus auf dem Wiederaufbau der Energieinfrastruktur mit dezentralen und
erneuerbaren Energiequellen liegen, um die Versorgungsicherheit angesichts der
russischen Angriffe zu stärken.
Um den Druck auf Russland zu erhöhen, braucht es eine massive Verschärfung der
Sanktionen. Es ist untragbar, dass einzelne EU-Mitgliedsstaaten noch immer mit
dem Kauf von russischem Uran, Öl und Gas täglich Millionen in Putins Kriegskasse
spülen. Auch andere Importe von Rohstoffen müssen beendet werden. Die geplante
Kooperation des staatlichen russischen Atomkonzerns Rosatom mit der von Advanced
Nuclear Fuels (ANF) betrieben Atomfabrik Lingen birgt erhebliche Spionage- und
Sabotagegefahr - es darf hierfür kein grünes Licht der Bundesregierung geben.
Die EU und ihre Mitgliedstaaten sollten auch außereuropäische Staaten zur
Beendigung von kriegsfinanzierenden Importen aus Russland bewegen. Es braucht
endlich ein entschiedenes Handeln gegen die russische Schattenflotte. Wir
begrüßen das kürzlich beschlossene Einfuhrverbot auf russisches LNG sowie die
Ausweitung der Preisobergrenze auf Ölprodukte. Deutschland muss seine
Führungsrolle in Europa stärker wahrnehmen durch entschiedene
Sanktionsdurchsetzung und die Bekämpfung von Umgehungsstrategien, eine deutliche
Haltung gegenüber Blockierern sowie einen schnellen Abbau der verbleibenden
Energieabhängigkeiten. Im Kampf gegen Sanktionsumgehungen über Drittstaaten
braucht es außerdem enge internationale Koordination, insbesondere im Verbund
der G7 Staaten.
Gefangene in russischer Gefangenenschaft - Zivilpersonen wie auch Angehörige der
ukrainischen Armee - sind systematischer Repression, Folter und Mord ausgesetzt.
Tausende ukrainische Kinder wurden verschleppt. Deutschland und Europa sollten
Menschenrechtsverletzungen an diesen Personen dokumentieren, sich in UN,
Europarat und OSZE für ihre Freilassung einsetzen und die juristische
Aufarbeitung unterstützen.
Wir reichen denjenigen Russ*innen die Hand, die sich als Teil der demokratischen
Zivilgesellschaft glaubwürdig für ein Ende des Kriegs, für Frieden und Freiheit
einsetzen und sich dabei oftmals der Gefahr von Repression und Inhaftierung
aussetzen. Auch Frauen und Kinder in russischer Gefangenschaft sind
systematischer Gewalt, Erniedrigung und Indoktrination ausgesetzt. Menschen, die
aus Russland fliehen, müssen Zugang zu einem fairen Asylverfahren und
verlässlichen Schutz vor Verfolgung erhalten. Gleichzeitig muss russischen
Staatsbürgern, die das Regime unterstützen und vom Krieg profitieren, der Zugang
zum Schengen-Raum verwehrt werden.
Deutschland muss eine echte Sicherheitsoffensive gegen hybride Bedrohungen
umsetzen, die bewusst die Urheberschaft von Angriffen verschleiern und die
Bevölkerung verunsichern sollen. Wir fordern, dass der Schutz unserer kritischen
Infrastrukturen - als zentraler Baustein für ein krisenfestes Land - stärker in
den Blick genommen wird. Dazu zählen zum Beispiel die Energieversorgung, die
Kommunikation, der Verkehrsbereich, das Gesundheitswesen oder der Luftraum. Dazu
gehört ein tagesaktuelles Gesamtlagebild zu Angriffen und Spionagetätigkeiten,
die zügige Umsetzung der EU-Richtlinien zum einheitlichen Schutz unserer
kritischen Infrastruktur, eine verbesserten Drohnenabwehr und Investitionen in
unsere Sicherheitsbehörden. Unsere Nachrichtendienste müssen so aufgestellt
sein, dass sie das Personal, die Technik und die Befugnisse haben, die sie für
eine effektive Aufgabenerfüllung benötigen - auch im digitalen Raum. Mit einer
Europäischen Nachrichtendienstagentur wollen wir die Zusammenarbeit innerhalb
der Europäischen Union stärken. Auch eine eigenständige, resiliente
Weltrauminfrastruktur ist Teil unserer kritischen Infrastruktur und eine
zentrale Grundlage unserer Verteidigungsfähigkeit: Europa muss seine
industrielle Basis dafür durch gemeinsame Beschaffung, koordinierte Programme
und eine unabhängige Startinfrastruktur sichern. Im Kampf gegen Desinformation
müssen Plattformen im Rahmen der geltenden Regularien - etwa dem Digital
Services Act - stärker in die Pflicht genommen, Medeienkompetenz flächendeckend
ausgebaut und Maßnahmen zur Früherkennung von Einflusskampagnen gestärkt werden.
Bei der Abwehr hybrider Bedrohungen müssen wir die Erfahrungen der
Ukrainer*innen nutzen. Als Bündnis 90/Die Grünen haben wir die Stärkung des
Zivil- und Bevölkerungsschutz, der Nachrichtendienste, den Schutz der
informationstechnischen Systeme und die Hilfe für völkerrechtswidrig
angegriffene Staaten im Rahmen der Verhandlungen über das Sondervermögen als
Teil der Verteidigungsausgaben verankert - jetzt muss die Bundesregierung
liefern.
Die Bundesregierung steht auch in der Verantwortung, die Bevölkerung vor einem
militärischen Angriff zu schützen und eine bestmögliche Vorbereitung auf einen
möglichen Angriff zu gewährleisten. Dabei geht es neben der personellen
Einsatzbereitschaft der Bundeswehr auch um den Zivilschutz. Wir begrüßen die
Bemühungen der Bundesregierung, die durch die Aussetzung der Wehrpflicht
entstandene Lücke bei der Erfassung von Wehrpflichtigen durch die Wiederaufnahme
verpflichtender Musterung junger Männer zu schließen. Darüber hinaus setzen wir
klar auf Freiwilligkeit.
Die eingeschränkten Kapazitäten für die Ausbildung sollten für geeignete
Freiwillige jeden Alters und Geschlechts optimal genutzt und ausgebaut werden.
Wir wollen den Wehrdienst und Zivilschutz für eine breite Zielgruppe attraktiver
machen und auch die Rahmenbedingungen von Freiwilligendiensten stärken - diese
Aufgabe muss jetzt ernsthaft und mit Nachdruck angegangen werden. Auch bei
Freiwilligendiensten muss sichergestellt werden, dass sie tatsächlich allen
Menschen zugänglich sind. So steigern wir die gesamtstaatliche Resilienz,
fördern den Zusammenhalt und können den benötigten personellen Aufwuchs
schaffen. Um Zivilschutz und militärische Reserve strukturiert aufzubauen
fordern wir die Einrichtung einer Koordinierungsstelle für gesamtstaatliches
Krisenmanagement, die die zivil und militärisch nutzbaren Kompetenzen von
Freiwilligen abfragt und passende Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten vermittelt.
Wir sind überzeugt: Die Menschen in Deutschland wollen sich und unsere
Demokratie verteidigen. Der Staat ist nun in der Pflicht, ihnen die Gelegenheit
zu geben, sich darauf persönlich und gemeinsam bestmöglich vorzubereiten.
Wir brauchen eine vertiefte gesamtgesellschaftliche Debatte über die Frage, wie
wir angesichts der sich verändernden Bedrohungslage gesellschaftliche Resilienz
dauerhaft sicherstellen können. Wir als Partei wollen uns in diese Debatte
führend einbringen. Dabei ist für uns klar, dass die Perspektiven junger
Menschen im Vordergrund stehen und dass alle Generationen ihren Beitrag leisten
müssen. Mit diesem Ziel organisieren wir als Partei eine gemeinsame Debatte mit
unserer Bundestagsfraktion und der GRÜNEN JUGEND. Unser Ziel ist ein
ergebnisoffener Diskussionsprozess darüber, welche militärischen und zivilen
Dienstformen - freiwillig, hybride und verpflichtende -
sowie weitere Formen gesellschaftlicher Mitwirkung zur Gesamtverteidigung und
Resilienz beitragen können.
Schon jetzt besteht die rechtliche Möglichkeit zur Wiedereinsetzung der
Wehrpflicht und darüber hinaus zur Ausrufung des Spannungs- und
Verteidigungsfalles, genauso wie das im Grundgesetz verankerte Recht auf
Kriegsdienstverweigerung - niemand kann gegen sein Gewissen zum Dienst an der
Waffe gezwungen werden.
Russland testet die Entschlossenheit unseres Bündnisses und die
Reaktionsfähigkeit der europäischen Streitkräfte. Er verwischt Tag für Tag die
Grenzen von Krieg und Frieden. Nur wenn wir verteidigungsfähig sind, werden wir
uns nicht verteidigen müssen. Für den nötigen Ausbau der europäischen
Verteidigungsfähigkeit haben wir viel von der Ukraine zulernen, gerade bei der
Abwehr und dem Einsatz von Drohnen. Wir müssen jetzt in der EU dafür Sorge
tragen, gemeinsame Projekte und Strukturen innerhalb der europäischen
Verteidigungsindustrie zu etablieren.
Für den Schutz von Frieden in Freiheit in Europa müssen die NATO und die EU
handlungsfähig bleiben. Dafür wollen wir innerhalb der EU das Veto-Recht
reformieren - und Einstimmigkeitsprinzip abschaffen. Da dies aktuell in weiter
Ferne liegt, geht es darum, die Handlungsfähigkeit durch Koalitionen der
Freiheitsverteidiger zu erhöhen. Das bedeutet eine enge Kooperation von
entschlossenen EU-Staaten mit Ländern wie Norwegen und dem Vereinigten
Königreich. Dabei muss Deutschland auch stärker mit den nordischen und
baltischen Staaten kooperieren und von ihnen lernen.Wir brauchen neue Formate
der politischen Zusammenarbeit, die alle relevanten Länder einbeziehen und es
ermöglichen, europäische Sicherheitsinteressen zu diskutieren und gemeinsame
Entscheidungen voranzutreiben. Ein Format wäre ein Europäischer Sicherheitsrat,
der zunächst beratend für die EU und NATO agieren und langfristig auch zur
Umsetzung von gemeinsamen Entscheidungen genutzt werden kann.
Angesichts der Bedrohungslage ist es leider notwendig, dass wir und viele
unserer Verbündeten weltweit noch mehr in Sicherheit investieren, um uns vor
Aggression und Krieg zu schützen. Dennoch bleibt es gerade in diesen Zeiten
entscheidend, Abrüstungsinitiativen und Rüstungskontrollen vorantreiben. Nur mit
gemeinsamen Abrüstungsschritten schaffen wir dauerhaft mehr Sicherheit für alle
und wahren Frieden und Stabilität.
Frieden in Nahost
Unsere Außenpolitik steht im Bewusstsein für unsere Geschichte und die
Verantwortung, die unser Land mit dem Grauen des Zweiten Weltkriegs und der
Shoah auf sich geladen hat. Das Existenzrecht Israels als sichere Heimstätte für
Jüdinnen und Juden ist für uns unverhandelbar. Ebenso unverhandelbar ist das
Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser*innen sowie unser klares Bekenntnis zum
Völkerrecht, der Würde jedes Menschen und den universellen Menschenrechten. Wir
sind geleitet von dem Grundsatz der menschlichen Sicherheit, der die Sicherheit
des Individuums in den Mittelpunkt stellt und anerkennt, dass die Sicherheit von
Israelis und Palästinenser*innen untrennbar miteinander verbunden ist. Unser
Einsatz für diese Prinzipien muss auch im Nahen Osten erkennbar und wirksam sein
– nur dann wird unser Eintreten für eine regelbasierte Weltordnung glaubwürdig.
Ob Europa künftig eine konstruktive und wirksame Rolle in einem Friedensprozess
einnehmen kann, wird maßgeblich davon abhängen, ob wir diesem Anspruch gerecht
werden.
Unsere Verantwortung für die Sicherheit und das Existenzrechts Israels als Teil
deutscher Staatsräson heißt, Bedrohungen zu erkennen und die Sicherheit
israelischer Bürgerinnen und Bürger zu einer Grundlage unseres Handelns zu
machen. Israel hat das völkerrechtlich verbriefte Recht sich gegen Angriffe zu
verteidigen und auch die anerkannte Pflicht, seine Bürger*innen im Rahmen des
Völkerrechts zu schützen. Die anhaltende Bedrohung des Staates Israels durch
staatliche und nicht-staatliche Akteure sowie die Angriffe und den Terror gegen
seine Bevölkerung verurteilen wir.
Der Einsatz für die Sicherheit Israels als Teil deutscher Staatsräson bedeutet
nicht, dass Unterstützung für die israelische Regierung über Verpflichtungen
gegenüber dem Völkerrecht und dem Schutz der Menschenrechte gestellt werden
dürfen. Wir müssen Verletzungen dieser Grundsätze klar benennen und kritisieren
sowie für entsprechende Konsequenzen eintreten. Die Sicherheit Israels, der
Wunsch nach Frieden sowie das Einfordern von Völkerrecht, Menschenrechten und
Selbstbestimmung für alle Menschen in der Region gehen Hand in Hand.
Auch die Sicherheit der Palästinenser*innen sowie der Schutz ihrer Rechte, ihres
Lebens und ihrer Freiheit sind zentrale Aufgaben unserer Politik und
Verpflichtungen aus dem Völkerrecht. Dazu gehört es, ihr Selbstbestimmungsrechts
zu verwirklichen und ihren Schutz vor massiven Völkerrechtsverbrechen und
willkürlicher Gewalt zu gewährleisten, sei es durch israelische Siedler*innen
und Sicherheitskräfte, sei es durch Hamas oder anderen islamistischen Terror.
Die anhaltende Missachtung ihrer grundlegenden Rechte verurteilen wir. Als
Besatzungsmacht trägt die israelische Regierung dabei die völkerrechtliche
Hauptverantwortung für den Schutz der palästinensischen Zivilbevölkerung in den
besetzten Gebieten.
Am 7. Oktober 2023 hat die Hamas mit unfassbarer Gewalt und Brutalität einen
Terroranschlag auf Israel verübt. Mehr als 1.200 Menschen wurden von der Hamas
ermordet, begleitet von unsäglicher sexualisierter Gewalt, 251 Menschen wurden
verschleppt. Familien und Kinder wurden in ihrem Zuhause ebenso auf grausame
Weise umgebracht wie Jugendliche, die auf einem Festival tanzten. Tausende
wurden verletzt. Es war der schlimmste antisemitische Angriff auf
jüdisches
Leben seit der Shoah, ein Angriff auf das Existenzrecht Israels und auf die
gesamte israelische Gesellschaft. Er hat die Menschen in Israel und weit darüber
hinaus, insbesondere Jüdinnen und Juden weltweit, zutiefst traumatisiert. Der
Angriff der Hamas hat das Versprechen erschüttert, dass Jüdinnen und Juden nach
Jahrhunderten der wiederkehrenden Ausgrenzung und Verfolgung endlich im Staat
Israel eine sichere Heimat finden. Unsere tiefe Solidarität gilt den Opfern und
ihren Familien. Wir blicken mit tiefer Anteilnahme auf diesen Tag und auf das
Leid, dass der Terroranschlag der Hamas bis heute verursacht.
Als Reaktion auf den 7. Oktober hat die israelische Regierung einen Krieg in
Gaza geführt, dessen humanitäre Folgen und militärische Mittel unverhältnismäßig
bzw. völkerrechtswidrig sind. Das Vorgehen ist durch nichts zu rechtfertigen –
auch nicht durch den brutalen Terrorangriff der Hamas – und hat unermessliches
Leid und Traumatisierung über die Menschen in Gaza gebracht: Die Schätzungen
über die Anzahl der Todesopfer, unter anderem des Max-Planck-Instituts für
demografische Forschung, reichen von mehreren Zehntausenden bis zu über
Hunderttausend. Darüber hinaus hunderttausende Verletzte, zerstörte Städte – 80
Prozent der Bausubstanz in Trümmern –, zerstörte Infrastruktur von Wohnhäusern,
Krankenhäusern und Schulen bis hin zu Wasser- und Stromversorgung, massenhafte
Vertreibung, Angriffe auf humanitäre Helfer*innen und Journalist*innen, eine
Generation, der ihre Zukunft genommen wurde. Das Leid der Zivilbevölkerung in
Gaza erfüllt uns mit tiefem Schmerz. Viele Menschen in Deutschland haben
Angehörige in Gaza; auch ihre Trauer, Sorge und Verzweiflung gehören zu unserem
Land und verdienen Gehör und Mitgefühl.
Auch die skrupellose Kriegsführung und Terrorherrschaft der Hamas hat zu diesem
Leid beigetragen. Dazu gehört der Missbrauch von ziviler Infrastruktur,
fortwährender Raketenterror sowie Hinrichtungen von Palästinenser*innen, denen
Zusammenarbeit mit Israel vorgeworfen wird. Die Misshandlung der verschleppten
Geiseln – einschließlich Folter und sexualisierter Gewalt – ist Ausdruck einer
tiefgreifenden Missachtung der Menschenwürde.
All diese Verbrechen verurteilen wir auf das Schärfste.
Menschenrechtsverletzungen dürfen niemals relativiert oder gerechtfertigt
werden.
Seit dem 7. Oktober tritt der Antisemitismus weltweit immer offener und
gewaltsamer auf. Antisemitische Straftaten haben deutlich zugenommen. Der Schutz
jüdischen Lebens in Deutschland und weltweit ist für uns eine Verpflichtung. Wir
gehen entschlossen gegen jeglichen Antisemitsimus in unserer Gesellschaft vor-
sei es Antisemitismus von Rechten, von Linken, von Islamisten oder aus der Mitte
der Gesellschaft. Jüdinnen und Juden müssen in Sicherheit leben können.
Auch verstärkt sich in Deutschland die pauschale Ablehnung von Menschen mit
arabischem oder muslimischem Hintergrund, begleitet von antimuslimischem
Rassismus. Der Europarat hat Deutschland für Eingriffe der Meinungs- und
Versammlungsfreiheit und exzessiver Polizeigewalt im Rahmen pro-
palästinensischer Demonstrationen gerügt. Diese Kritik muss ernst genommen
werden.
Jüdinnen und Juden müssen in Sicherheit leben können genauso Muslime oder
Menschen mit arabischer Herkunft. Der Kampf gegen jegliche Form von
Diskriminierung, gegen Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus ist eine
gesamtgesellschaftliche Aufgabe muss dringend auf allen Ebenen verstärkt werden.
Wir stellen uns gegen jede Form der Instrumentalisierung des Kriegs in Nahost
für antisemitische oder anti-muslimische Hetze sowie für Einschränkungen von
Grundrechten und setzen uns für sichere Diskursräume und Meinungsfreiheit ein.
Die gezielten Angriffe durch die jemenitischen Houthis, die Hisbollah und den
Iran nach dem 7. Oktober haben zu weiteren Todesopfern geführt, haben Menschen
aus ihrer Heimat vertrieben. Wir verurteilen die fortgesetzte Gewalt und
Anschläge dieser Akteure. Die Hamas, das iranische Regime, die Hisbollah und
andere militante Gruppierungen machen keinen Hehl daraus, dass sie Israel
vernichten wollen. Sie negieren das Existenzrecht Israels. Das werden wir nie
akzeptieren. Gleichzeitig gilt: Militäroperationen wie der israelische Angriff
auf Hamas-Vertreter in Katar verletzen die territoriale Souveränität von
Drittstaaten, verstoßen gegen das völkerrechtlich verbriefte Gewaltverbot und
gefährden die Vermittlerrolle dieser Staaten in einem Friedensprozess.
Die Blockade humanitärer Hilfe durch die israelische Regierung und das
Aushungern der Zivilbevölkerung ist ein schwerer Bruch des humanitären
Völkerrechts und hat zu einer von den Vereinten Nationen bestätigten Hungersnot
geführt. Kriegsverbrechen wie Angriffe auf Zivilist*innen und zivile
Infrastruktur, humanitäre Helfer und Journalist*innen sind durch die Vereinten
Nationen und NGOs in Gaza dokumentiert. Noch immer ist der humanitäre Zugang
eingeschränkt und wird als politisches Druckmittel missbraucht. Unabhängige
Presseberichterstattung wurde durch die Einschränkungen für Journalist*innen
erheblich erschwert.
Deutschland trägt Verantwortung, seiner humanitären Pflicht in der Region
gerecht zu werden. Vorrang hat der schnelle, sichere und ungehinderte Zugang zu
Hilfsgütern. Unmittelbar dafür notwendig ist der Wiederaufbau funktionierender
UN-Verteilstrukturen in Gaza. Humanitäre Akteure leisten unter schwersten
Bedingungen dringend benötigte Hilfe - sie müssen endlich sicher und ungehindert
ihre Arbeit machen können. Wir verurteilen das Verbot von UNRWA durch die
israelische Regierung und fordern ein sofortiges Ende der Einschränkungen sowie
vollen Zugang und ausreichende Finanzierung für ihre lebenswichtige Arbeit. Es
ist ein Skandal, dass die Bundesregierung in der UN-Generalversammlung erstmals
die Verlängerung des UNRWA-Mandats nicht unterstützt hat – umso mehr inmitten
der anhaltenden humanitären Katastrophe in Gaza. Für uns ist klar: Solange es
keine dauerhafte Lösung des Konflikts gibt, ist das Mandat von UNRWA
unverzichtbar.
Humanitäre Hilfe ist ein Gebot der Menschlichkeit und den Prinzipien der
Neutralität, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit verpflichtet. Wir fordern die
Auflösung der sogenannten Gaza Humanitarian Foundation, die entgegen diesen
Prinzipien handelt. Im Rahmen ihrer Verteilungen kam es zu mehr als 1.000
Todesopfern. Eine Politisierung humanitärer Hilfe oder eine Einflussnahme der
Hamas und anderer terroristischer Gruppierungen auf humanitäre Hilfe darf es
nicht geben.
Die jeweils spezifische Gewalt und Bedrohung in Gaza, der Westbank und Israel
haben besonders für Kinder weitreichende Folgen. Die Kinder in Gaza gehören zu
den besonders schwer Leidtragenden. Ihre tief sitzenden Wunden zu sehen und zu
heilen, gehört jetzt zu den besonders dringlichen Aufgaben für all diejenigen,
denen an Menschlichkeit, Aussöhnung und Frieden gelegen ist. Gefährdete Personen
müssen durch in Deutschland lebende Angehörige aufgenommen werden können. Zudem
begrüßen wir das Angebot deutscher Städte, Kommunen und Bundesländer, verletzte
Kinder aus Gaza aufzunehmen und zu behandeln. Es ist ein Skandal, dass die
Bundesregierung diese Initiative blockiert. Wir fordern an dieser Stelle gerade
von der SPD in der Bundesregierung einen geraden Rücken und Empathie.
Ein Waffenstillstand in Gaza darf nicht dazu führen, dass wir die Augen vor der
eskalierenden Gewalt in der Westbank und Ostjerusalem verschließen. Die oft von
der israelischen Regierung und Armee unterstützte Siedlergewalt, der illegale
Siedlungsbau und die damit einhergehenden Vertreibungen und Annexionspläne im
Westjordanland haben massiv zugenommen. Bewohner berichten von täglichen
Angriffswellen, Gewalt und Hassbotschaften.
Die palästinensische Autonomiebehörde (PA) wurde durch das Vorenthalten von
Steuer- und Zolleinnahmen an den Rand des Bankrotts gebracht. Die zunehmende
Zerstückelung des besetzten palästinensischen Gebietes zerstört die
geographische Grundlage einer Zwei-Staaten-Lösung und verletzt geltendes
Völkerrecht. Wir verurteilen dieses Vorgehen der in Teilen rechtsextremen
Regierung Netanjahu und halten es für falsch, dass Premierminister Netanyahu
seit Jahren mit seiner Politik maßgeblich dazu beiträgt, einen palästinensischen
Staat unmöglich zu machen und eine Zwei-Staaten Lösung zu unterminieren.
Wir halten fest an der Herrschaft des Rechts. Deutschland muss konsequenter als
bisher zwischen dem Hoheitsgbiet des Staates Israel und den seit 1967 besetzten
palästinensischen Gebieten unterscheiden und die klare Botschaft senden, dass
einseitige Grenzverschiebungen nicht anerkannt werden. Von der Bundesregierung
erwarten wir, sich klar einzusetzen für die Umsetzung der Resolution 2334 des
UN-Sicherheitsrats von 2016, die einen unverzüglichen und vollständigen Stopp
der illegalen Siedlungsaktivitäten fordert, sowie des IGH-Gutachtens vom 19.
Juli 2024, welches die israelische Besatzungspolitik in Gaza und der Westbank
als völkerrechtswidrig einschätzt.
Immer mehr UN-Stellen, Menschenrechtsorganisationen und unabhängige Medien
berichten über schwere Misshandlungen palästinensischer Gefangener in
israelischer Haft seit Beginn des Gaza-Krieges – darunter Folter, sexualisierte
Gewalt, Isolationshaft und den stark ausgeweiteten Einsatz von Administrativhaft
ohne Anklage oder rechtsstaatliches Verfahren. Diese Praktiken widersprechen
fundamentalen Menschenrechts- und Rechtsstaatsprinzipien. Wir verurteilen diese
Verstöße entschieden und fordern unabhängige Untersuchungen, Zugang für
internationale Beobachter*innen sowie ein sofortiges Ende willkürlicher und
menschenrechtswidriger Inhaftierungen.
Heute, fast zwei Jahre nach Beginn der Eskalation, gibt es Hoffnung auf ein Ende
des Krieges und Frieden. Die Friedensgespräche in Ägypten haben zur Freilassung
der Geiseln und einem Waffenstillstand in Gaza geführt. Nach zwei Jahren in den
Händen der Hamas konnten die noch lebenden Geiseln endlich zurück zu ihren
Familien. Hunderttausende Menschen in Gaza können endlich auf ein Ende der
Angriffe und der humanitären Notlage hoffen. Diese Freude und Erleichterung
teilen wir. Und es war ein Tag der Trauer über die verstorbenen Geiseln, von
denen bis heute nicht alle an ihre Angehörigen überführt wurden - wir teilen
ihren Schmerz genauso wie den Schmerz der Menschen in Gaza, deren Angehörigen
ihr Leben unter den Trümmern Gazas oder unter ungeklärten Umständen in
israelischer Haft ließen. Im Rahmen des Friedensprozesses muss jetzt alles getan
werden, damit das Schweigen der Waffen Bestand hat.
Der Friedensplan muss jetzt umgesetzt werden. Als nächstes braucht es die
Entwaffnung der Hamas, die Absicherung Gazas durch internationale Unterstützung,
den Rückzug der israelischen Armee aus Gaza, sowie die Übergabe der
Verantwortung an die Palästinenser*innen. Dabei bleiben folgende Grundsätze für
uns leitend: Von Gaza darf künftig keine Gefahr mehr für Israels Sicherheit
ausgehen. Die Palästinenser*innen dürfen nicht aus Gaza vertrieben werden, und
es darf keine Wiederbesetzung oder territoriale Reduzierung von Gaza durch
Israel geben. Es braucht eine gemeinsame Perspektive für Gaza und
Westjordanland, anders ist eine Staatlichkeit nicht denkbar. Die
völkerrechtswidrige Besatzung der Westbank und die Annexionen müssen beendet
werden. Es darf keine Lösung über die Köpfe der Palästinenser hinweg geben. Sie
müssen den politischen Prozess nicht nur mitgestalten, sondern maßgeblich in
ihrem Sinne prägen. Es ist wichtig, dass sich dabei auch die arabischen
Nachbarstaaten gemeinsam für eine politische Perspektive engagieren.
Dieser Prozess braucht aber auch das Ziel von dauerhaftem Frieden und Sicherheit
für alle Menschen in der Region. Unser Ziel bleibt eine verhandelte
Zweistaatenlösung, bei der der Staat Israel und ein souveräner, demokratischer
und lebensfähiger Staat Palästina Seite an Seite in Frieden und Sicherheit
leben. Sie auf diesem Weg zu begleiten und zu unterstützen, ist zentrale Aufgabe
und Verantwortung deutscher Außenpolitik. Nur eine Zweistaatenlösung wird einen
gerechten und dauerhaften Frieden bringen und das Recht auf Selbstbestimmung
beider Völker erfüllen: den Fortbestand Israels als sichere Heimstätte für
Jüdinnen*Juden garantieren sowie die Schaffung eines souveränen Staates
Palästina. Zentrales Element für gleichberechtigte Verhandlungen über eine
Zweitstaatenlösung ist die Anerkennung des Staates Palästina, auch durch
Deutschland. Im aktuellen Friedensprozess ist die Anerkennung auch durch
Deutschland ein prioritärer Schritt. Die Regierungsverantwortung im gesamten
palästinensischen Gebiet muss bei der Palästinensischen Autonomiebehörde liegen,
mit angemessener internationaler Unterstützung. Die Hamas und andere
Terrorgruppen dürfen darin keine Rolle spielen. Wir fordern die Bundesregierung
auf, sich in diesem Sinne dem von Frankreich und Saudi-Arabien initiierten
Prozess für die Umsetzung einer Zwei-Staaten-Regelung anzuschließen. Deutschland
darf sich nicht international isolieren.
Israel und die Palästinenser brauchen die Hilfe der internationalen
Gemeinschaft, um die Voraussetzungen für einen Frieden zu schaffen, denn der Weg
dahin ist weit. Die EU muss im anstehenden Friedensprozess eine aktive Rolle
spielen und dabei alle Hebel nutzen, die ihr zur Verfügung stehen. Auch im Nahen
Osten gilt: Nur eine starke und geeinte EU kann das nötige diplomatische Gewicht
entwickeln, um wirkungsvoll zu handeln und zum Frieden in Nahost beizutragen.
Wir halten dies für notwendig und sehen dies auch im deutschen Interesse an
einer friedlichen Region und einer völkerrechtsbasierten internationalen
Ordnung. Die Bundesregierung darf hierbei nicht bremsend am Rande stehen,
sondern muss sich konstruktiv für eine gemeinsame europäische Nahostpolitik
einbringen. In diesem Rahmen können Mitgliedstaaten auch individuelle
Beziehungen in die Region wirksamer nutzen.
Israelische und palästinensische Friedenskräfte sowie
Menschenrechtsverteidiger*innen warnen seit Langem, dass Versuche, den Konflikt
zu managen ohne die grundlegenden Rechte der Palästinenser*innen zu sichern, zum
Scheitern verurteilt sind. Ebenso wenig kann eine Normalisierung der Beziehungen
zwischen arabischen Staaten und Israel einen nachhaltigen Beitrag zu Stabilität
in der Region leisten, wenn diese Fragen ausgeblendet werden. Internationale
Vermittlung muss deshalb auf einen gerechten, selbstbestimmten Friedensprozess
hinwirken, der den Weg für das Ende der Besatzung und die gegenseitige
Anerkennung zweier souveräner Staaten auf der Grundlage von 1967 ebnet sowie die
Zivilgesellschaft einbezieht. Gleichzeitig unterstützen wir Schritte zu einer
umfassenderen Friedensordnung im Nahen Osten unter anderem durch regionale
Dialogformate.
Es ist geltendes Recht, dass grundsätzlich keine Lieferungen von Waffen und
Rüstungsgütern erfolgen dürfen, wenn das eindeutige Risiko völkerrechtswidriger
Verwendung besteht. Bündnis 90/Die Grünen fordern seit Jahren verlässliche
Mechanismen der Endverbleibskontrolle gelieferter Waffen an alle Länder zwecks
einer effizienten Umsetzung des Rechts. Das gilt auch für Israel. Gleichzeitig
gehört zu unserer Verantwortung gegebenenfalls auch militärische Unterstützung
für die Verteidigung Israels und seiner Bürger*innen vor Angriffen und Bedrohung
durch Akteure wie das iranische Regime, die Hisbollah, die Huthi-Milizen, die
Hamas und den Islamischen Dschihad zu gewähren. Ob deutsche Waffen zur
Selbstverteidigung oder etwa zur Vertreibung der palästinensischen
Zivilbevölkerung eingesetzt werden können, ist nicht immer leicht zu überprüfen.
Doch wenn wir unserer Verantwortung für die Sicherheit Israels und dem
Völkerrecht gleichermaßen gerecht werden wollen, müssen wir diese
Differenzierung leisten. Vor diesem Hintergrund hat Deutschland sich zurecht
entschieden, keine neuen Ausfuhrgenehmigungen für den Export von Waffen und
Rüstungsgütern nach Israel zu erteilen, die im völkerrechtswidrigen Vorgehen in
Gaza eingesetzt werden können. Zusicherungen zum völkerrechtskonformen Einsatz
gelieferter Rüstungsgüter können das Verbot, tatsächlich völkerrechtswidrige
Einsätze mit zu ermöglichen, niemals überragen. Die Entscheidung der
Bundesregierung, die Exportbeschränkungen wieder aufzuheben ist angesichts der
äußerst fragilen Waffenruhe und den Entwicklungen in der Westbank unangemessen.
Angesichts der dokumentierten Verstöße gegen das Völkerrecht der israelischen
Armee fordern wir, dass die Beschränkungen wieder eingesetzt werden und richten
unser Augenmerk dabei neben Gaza auch auf Westbank und Golan. Die rechtlichen
Verpflichtungen, die sich für Deutschland als Vertragsstaat des
Waffenhandelsvertrages (ATT) und seinen nationalen Umsetzungsgesetzen ergeben,
müssen eingehalten werden. Wir werden mit allen uns zur Verfügung stehenden
parlamentarischen Mitteln sicherstellen, dass die Bundesregierung diese
Verpflichtungen strikt einhält und deren Umsetzung sowie die Einhaltung durch
die israelische Regierung wirksam überprüft.
Deutschland sollte zur Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts der
Palästinenser*innen weiterhin palästinensische Staatlichkeitsbestrebungen
praktisch fördern – durch Unterstützung beim Aufbau rechtsstaatlicher
Institutionen, Ausbildung von Verwaltung und Justiz, Förderung demokratischer
Prozesse und wirtschaftlicher Perspektiven. Die PA hat die politische
Entwicklung in der Westbank lange Zeit blockiert, korrupte Strukturen entstehen
lassen, die Demokratie unterminiert. Die PA muss daher jetzt konkrete
Fortschritte in dem versprochenen Reformprozess machen. Wir begrüßen
entsprechende Signale wie die Entscheidung, den sogenannten Märtyrerfonds
abzuschaffen und mit einem bedarfsbasiserten sozialen Sicherungssystem zu
ersetzen. Die israelische Regierung muss die vorenthaltenen Zoll- und
Steuereinnahmen der PA freigeben. Wir begrüßen, dass sich Deutschland den zwölf
Staaten angeschlossen hat, die im September 2025 der PA Finanzhilfen zugesagt
haben, und fordern die Bundesregierung auf, diese Unterstützung konsequent
fortzusetzen sowie den Reformprozess konstruktiv zu begleiten. Eine
Wiederaufbaukonferenz für den Gazastreifen sollte maßgeblich von Deutschland
vorangetrieben werden. Dabei muss sichergestellt sein, dass die Bedürfnisse der
Bürger*innen Gazas im Mittelpunkt stehen - und die Sicherheit Israels gewahrt
wird. Hunderttausende Palästinenser*innen, die im Krieg ihr Zuhause verloren
haben, brauchen dringend Unterkunft und Hoffnung. Dabei muss insbesondere der
Schutz von Frauen und queeren Menschen berücksichtigt werden.
Zu einem glaubwürdigen Einsatz für eine Zweistaatenlösung zählen auch Schritte
gegen diejenigen, die ihn gezielt unterlaufen. Die Bundesregierung muss den
Kampf gegen die Terrorgruppen Hamas, Hisbollah und andere islamistische Gruppen
unterstützen. Dabei gilt es auch, Unterstützerstrukturen in Deutschland noch
stärker in den Blick zu nehmen und die Terrorismusfinanzierung aus Deutschland
zu unterbinden. Der Druck auf das iranische Regime als eine der brutalsten
Machtapparate gegen Menschen- und Frauenrechte und zugleich Treiber der
Bedrohung Israel und Destabilisierung der gesamten Region muss massiv verstärkt
werden. Wir setzen uns weiter für die rechtssichere Terrorlistung der iranischen
Revolutionsgarden auf EU-Ebene und klare Sanktionen gegen das Regime ein.
Deutschland muss jetzt vor allem auf die Regierung Netanjahu Druck ausüben, um
den völkerrechtswidrigen Siedlungsbau und die Annexionspläne zu stoppen.Es
braucht jetzt eine Ausweitung der Sanktionen gegen gewalttätige Siedler sowie
eine konsequente Umsetzung des Prinzips, dass Vorteile, die Israel gegenüber
anderen Drittstaaten genießt, nicht den Siedlungen, Siedler*innen und dort
tätigen Unternehmen zugute kommen. Auch für Unternehmen, die am Siedlungsbau
verdienen, muss das Konsequenzen haben. Finanzielle und wirtschaftliche
Zusammenarbeit zwischen der EU und Israel darf in keiner Weise den Siedlungen
zugutekommen. Darüber hinaus setzen wir uns für Sanktionen gegen den
israelischen Finanzminister Bezalel Smotrich und den Minister für Nationale
Sicherheit Itamar Ben-Gvir ein. Hier muss Deutschland seine Blockade im
Europäischen Rat endlich aufgeben.
Das EU-Assoziierungsabkommen enthält starke positive Anreiz zur Einhaltung des
Völkerrechts. Der beiderseitige Respekt für Menschenrechte und demokratische
Prinzipien ist nach Artikel 2 des Abkommens ein essenzieller Bestandteil der
engen Kooperation zwischen Israel und den Ländern der Europäischen Union. Wir
halten die Anwendung der Menschenrechtsklausel für notwendig. Die
Bundesregierung sollte gemeinsames europäisches Vorgehen nicht länger blockieren
und den Weg frei machen für eine Teilaussetzung des Abkommens, falls Israel
seine völkerrechtlichen Verpflichtungen weiterhin nicht erfüllt. Davon unberührt
bleiben muss die Zusammenarbeit mit der israelischen Zivilgesellschaft und
Forschung als wichtige Brücken zwischen unseren eng verbundenen Gesellschaften.
Zu einem Friedensprozess gehört auch die rechtliche und politische Aufarbeitung
von Kriegsverbrechen. Deutsche und europäische Nahostpolitik soll aktiv dafür
werben, dass Verstöße transparent aufgeklärt und geahndet werden. Wir stehen an
der Seite der rechtsstaatlichen Kräfte in Israel, die zu Hunderttausenden für
den Erhalt der unabhängigen Justiz auf die Straße gehen. Darüber hinaus spielt
die internationale Gerichtsbarkeit - insbesondere der Internationale
Strafgerichtshof (IStGH) - eine zentrale Rolle, wenn ein Staat nicht willens
oder nicht in der Lage ist, die Ermittlungen oder die Strafverfolgung selbst
ernsthaft durchzuführen. Von der Bundesregierung fordern wir eine verstärkte
Unterstützung des IStGH, um ihn wirksam vor Sanktionen und
Delegitimierungskampagnen zu schützen und die Einhaltung des Römischen Statuts
zu stärken, auch im Hinblick auf die Haftbefehle gegen den israelischen
Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu und den ehemaligen israelischen
Verteidigungsminister Yoav Gallant. Für diese Aufarbeitung ist auch die
Medienberichterstattung sowie der freie Zugang der Presse und VN-mandatierter
Untersuchungskommissionen entscheidend. Wir fordern unverzüglich den
uneingeschränkten Zugang für unabhängige internationale Journalist*innen in den
Gazastreifen.
Doch nicht allein die Politik zählt jetzt. Der Weg zum Frieden braucht den
Rückhalt einer starken Zivilgesellschaft. Wir stehen solidarisch an der Seite
der israelischen und palästinensischen Zivilgesellschaft, die sich für
Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Dialog, ein Ende der Besatzung,
Gleichberechtigung und gegenseitige Anerkennung einsetzen. Sie spielen eine
Schlüsselrolle für einen nachhaltigen Frieden sowie die Verteidigung
demokratischer Institutionen. Wir fordern die Bundesregierung auf, diese
Zivilgesellschaft zu stärken, in Israel wie in Palästina. Wir lehnen die
Beschränkung der Arbeit zivilgesellschaftlier Organisationen und die
Diffamierung sowie Kriminalisierung ihres Engagements ab. Dazu gehört etwa die
von der israelischen Regierung geplante Besteuerung auf ausländische öffentliche
Mittel für NGOs.
Wir stellen uns außerdem entschieden gegen Boykottaufrufe, die israelische oder
palästinensische Wissenschaftler*innen, Kulturschaffende, Sportler*innen oder
Vertreter*innen aus Zivilgesellschaft und Wirtschaft ausgrenzen. Diese
Bestrebungen ziehen die ganze Gesellschaft in Mitleidenschaft – nicht zuletzt
diejenigen, die für Demokratie und Frieden kämpfen - und erschweren
Verständigung. Auch Palästinenser*innen, die ihr Recht auf friedlichen Protest
ausüben und von der Hamas und internationale Terrornetzwerke bedroht werden,
brauchen unseren Schutz. Mit Israel teilen wir zentrale Werte, auch wenn der
demokratische Rechtsstaat unter Druck steht. Wir stehen an der Seite derjenigen,
die sich für die demokratische Verfasstheit Israels und den Schutz seiner
Bevölkerung vor dem Abbau von Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit und
demokratischen Strukturen einsetzen, genauso wie wir alle unterstützen, die
genau diese Werte für einen palästinensischen Staat wollen.
Die Diskussionen um Israel und Palästina werden in Deutschland in den
vergangenen zwei Jahren zunehmend polarisiert geführt. Es ist unsere Aufgabe als
Partei, auf allen Ebenen inklusive Räume für differenzierte und respektvolle
Debatten zu schaffen und jüdische wie palästinensische Communities einzubinden.
Wir müssen als Partei zeigen, dass es kein Widerspruch ist, sich Antisemitismus
klar entgegenzustellen und für das Selbstbestimmungsrecht von
Palästinenser*innen und die Einhaltung des Völkerrechts einzustehen.
