| Veranstaltung: | 51. Bundesdelegiertenkonferenz Hannover |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | A Außenpolitik: Ukraine und Naher Osten |
| Antragsteller*in: | Bundesvorstand (dort beschlossen am: 17.10.2025) |
| Status: | Eingereicht |
| Angelegt: | 17.10.2025, 11:44 |
A-09: Für Frieden in Freiheit. Konsequent europäisch Handeln.
Antragstext
Vor achtzig Jahren gab sich die Staatengemeinschaft ein Versprechen: gemeinsam
für eine Welt einzustehen, in der Kooperation stärker ist als Krieg und
Konkurrenz. In Europa sehen wir jeden Tag, dass sich dieser Einsatz lohnt. Einst
trennten uns Frontlinien, Stacheldraht und Mauern. Heute verbinden uns das
gemeinsame Bekenntnis zu Frieden, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie.
Die Europäische Union ist bis heute Garantin für diese Werte und Basis für
unseren wirtschaftlichen Erfolg. Als erfolgreichstes Friedensprojekt seit dem
Zweiten Weltkrieg hat die EU eine Strahlkraft weit über die Grenzen Europas
hinaus. Sie zeigt, dass sich der Einsatz für das Völkerrecht, für Frieden und
Kooperation lohnt.
Diese Errungenschaften werden heute auf eine harte Probe gestellt. Wir erleben
eine massive Erschütterung des internationalen Systems. Weltweit sind
nationalistische Bewegungen und autoritäre Kräfte auf dem Vormarsch. Diese
autoritären Kräfte gewinnen nicht nur in ihren Ländern immer stärker an Macht,
sondern vernetzen sich auch international und üben über gezielte Desinformation
und Propaganda zunehmend Einfluss auf unsere Demokratien aus. Sie eint ein
gemeinsames Interesse: Gewalt soll wieder zum normalen Mittel der
internationalen Politik werden. Sie führen Kriege, destabilisieren Demokratien
und multilaterale Organisationen. Sie wollen eine auf Recht und Kooperation
beruhende Weltordnung überwinden, die sie in der Ausdehnung ihrer Macht
beschränkt. Stattdessen wollen sie, dass wieder das Recht des Skrupelloseren,
Nullsummen- und imperiale Logiken gelten, und Demokratie und Freiheit der
Vergangenheit angehören.
Diese Entwicklung verschont auch unsere engsten Verbündeten nicht. Wir sehen mit
Sorge in den USA, dass die Demokratie Schritt für Schritt nach dem Drehbuch der
autoritären Kräfte beschnitten wird. Präsident Donald Trump treibt im
Rekordtempo einen autoritären Staatsumbau voran: Oppositionelle,
Zivilgesellschaft, Medien und Universitäten werden massiv unter Druck gesetzt.
Die Rechte von Frauen sowie LSBTIQ-Personen, Migrant*innen und Minderheiten
werden eingeschränkt, der Rechtsstaat angegriffen und soziale Ungleichheiten
verschärft. Den Angriff auf den Rechtsstaat im eigenen Land setzt Trump auf
internationaler Ebene fort: Statt auf das Völkerrecht setzt er auf die
Erpressung und Deals mit Autokraten. Bündnisse und Allianzen werden immer wieder
in Frage gestellt. Die Zerschlagung der US-Entwicklungsbehörde USAID hat
verheerende weltweite Auswirkungen. Einige der reichsten Männer der Welt um
Donald Trump ziehen ihre größte Genugtuung daraus, den Ärmsten der Welt das
Wenige zu nehmen, was sie haben. Während weltweit an humanitärer Hilfe und
Entwicklungszusammenarbeit gekürzt wird, eskaliert die humanitäre Krise im
Sudan. Das unermessliche Leid der Menschen ist nur ein besonders gravierendes
Beispiel der vielen vergessenen Krisen. Es ist nicht nur Teil unseres
Selbstverständnisses, sondern auch in unserem ureigenen Interesse dort nicht
wegzusehen, sondern Leid zu lindern.
Für uns als Menschenrechtspartei gilt: Die universellen Menschenrechte sind
unverhandelbar und unteilbar, und gelten für alle Menschen. Sie zu schützen und
wirksam durchzusetzen, ist Kern unserer grünen Überzeugung. Gerade in
unfriedlichen Zeiten, in denen Autokraten und Rechtspopulisten weltweit die
Rechte von Frauen und benachteiligten Gruppen angreifen braucht es
entschlossenen Einsatz dafür, dass Menschen unabhängig von Geschlecht, sexueller
Orientierung und Herkunft gleichberechtigt und friedlich leben können. Dafür
braucht es eine Außenpolitik, die auf die Einhaltung der Menschenrechte pocht,
für ihre Durchsetzung arbeitet, feministisch denkt und handelt. Die Deklaration
der universellen Menschenrechte und ihre Umsetzung überall bleiben unser
Handlungsziel.
Frieden und Menschenrechte gehören zusammen. Menschenrechte sind laut UN Charta
die Grundlage für friedliche und freundschaftliche Beziehungen zwischen den
Nationen. Wenn ein Land innerhalb seiner Grenzen mit sich in Frieden ist, wenn
grundlegende Rechte respektiert werden und es keine gewaltvolle strukturelle
Unterdrückung seiner Bürger gibt, ist die Chance höher, dass es auch nach Außen
nicht als Aggressor auftritt.
Für uns als Friedenspartei gilt: Frieden basiert auf der Einhaltung des
Völkerrechts. Das Völkerrecht schützt uns alle vor Gewalt und Willkür - und
bildet die Grundlage für Verständigung und Kooperation. Wenn nationale Grenzen
und das Selbstbestimmungsrecht der Völker missachtet und stattdessen imperiale
Logiken zum Leitprinzip werden, stellen wir Grüne uns an die Seite der
Angegriffenen und gegen die Aggressoren. Das Völkerrecht schützt die
Souveränität der Ukraine, das Existenzrecht Israels und das
Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser. Wer diese Rechte bestreitet, verletzt
die Grundpfeiler des Völkerrechts und schwächt eine gerechte, regelbasierte
Weltordnung. Die Vereinten Nationen und die internationale Strafgerichtsbarkeit
sind tragende Säulen dieser Weltordnung. Wer versucht, sie zu sabotieren oder zu
delegitimieren, der bedroht Sicherheit, Frieden, Freiheit und Wohlstand
weltweit. Das erschwert zugleich die Suche nach Lösungen für globale
Menschheitsfragen wie die Klimakrise.
Deutschlands Antwort auf diese massiven Verschiebungen muss konsequentes
europäisches Handeln sein. Als größter Mitgliedstaat muss die Bundesregierung
dabei eine Führungsrolle innerhalb der EU übernehmen - nicht mit leeren
Ankündigungen, sondern mit mutigem Handeln. Wenn wir in einer rauen Weltlage
nicht zum Spielball werden wollen, brauchen wir das Gewicht und die Fähigkeiten
der Europäischen Union.
Europa darf sich nicht länger erpressbar machen, sondern muss kritische
Abhängigkeiten überwinden und in die eigene Unabhängigkeit investieren. Die
Europäische Kommission unter Ursula von der Leyen hat die Zeichen der Zeit
erkannt. Doch gute Ideen brauchen Unterstützung aus den Mitgliedstaaten. Leider
zögert und zaudert Deutschland auch unter Friedrich Merz: Die Bundesregierung
steckt der EU Stöcke zwischen die Speichen. Sie schadet damit Deutschland. Denn
wer vermeintliche nationale Interessen über die europäische Einigkeit stellt,
schadet damit vor allem sich selbst.
Vor allem muss Deutschland die neuen Pläne der EU Kommission zur europäischen
Verteidigungsfähigkeit unterstützen und effektiv europäische
Rüstungskooperationen, und gerade die deutsch-französischen, vorantreiben. Aber
Souveränität ist mehr als nur militärische Stärke. Deutschland muss seine
wirtschaftliche und technologische Souveränität erhöhen, indem strategische
Industrien und Innovation in Europa gesichert und ausgebaut werden. Dazu gehören
vor allem Technologien wie KI, Cloudlösungen, Chip-Herstellung, Quantencomputer,
Satellitenbau sowie Cyber- und IT-Sicherheitsinfrastrukturen. Regierungen und
Verwaltungen sollten in der Regel nur europäische Technologien nutzen. Das Land
Schleswig-Holstein geht hier vorbildlich voran.
Auch Deutschlands und Europas Abhängigkeiten von China müssen verringert werden.
Insbesondere die europäische Abhängigkeit von China im Rohstoffbereich führt zu
einer Erpressbarkeit. Deutschland muss dem entgegenwirken. Der Rohstofffonds,
den wir in Regierungsverantwortung noch in der letzten Legislaturperiode
aufgesetzt haben, setzt genau dort an. Er trägt einen Teil dazu bei,
unabhängiger von chinesischen Rohstoffen zu werden und orientiert sich an
menschenrechtlichen und ökologischen Standards. Darüber hinaus kann Deutschland
durch stärkere Kreislaufwirtschaft und Recycling von Rohstoffen wirtschaftliche
und ökologische Chancen heben. Gleichzeitig müssen wir in Europa jene Hebel
nutzen, die wir gegenüber China haben. Das beinhaltet auch die Bereitschaft, wo
nötig Gegenmaßnahmen - wie Ausfuhrbeschränkungen, Investitionsbeschränkungen
oder Zollmaßnahmen - zu ergreifen, wie sie im EU-Instrument gegen
Zwangsmaßnahmen durch Drittländer vorgesehen sind.
Auch Energieabhängigkeiten von einzelnen Ländern gilt es zu verringern, und
nicht zu vergrößern. Wir dürfen nicht Putins Gas mit Trumps Gas ersetzen. Sonst
verpassen wir die Chance, mit neuer, klimaneutraler Technik unabhängiger und
sicherer zu werden. Vor diesem Hintergrund stellen wir uns entschieden gegen die
Zusicherung der EU-Kommission, als Teil des Handelsdeals mit den USA 750
Milliarden Dollar in Fossile aus den USA zuzüglich Infrastruktur zu investieren:
Tanker statt Turbinen, Fracking statt Photovoltaik, Brennstoffe statt Batterien.
Das wäre eine gefährliche Rückentwicklung und eine weitere Verstrickung in
schmutzige Technologien von gestern statt Investitionen in saubere Technologien
von morgen. Statt uns in neue Abhängigkeiten zu begeben, gilt es jetzt den
Ausbau der erneuerbaren Energien entschieden fortzusetzen. Eine Rückkehr zu
Nordstream 2 – egal ob in rein russischer Hand oder mit Trumpschem Intermediär –
muss verhindert werden.
Die Angriffe auf das multilaterale System stellen für viele Menschen weltweit
eine Bedrohung dar. Deutschland kann ihnen nur im Rahmen einer starken und
handlungsfähigen EU und gemeinsam mit anderen Partnern entgegentreten. Dafür
muss die Bundesregierung bereits bestehenden Partnerschaften wie die mit dem
Vereinigten Königreich, Kanada, Japan, Südkorea und Australien ausbauen.
Zugleich muss sie neue Partnerschaften und Kooperationen, besonders mit Ländern
im Globalen Süden, aufbauen. Neue und verstärkte Partnerschaften im Indopazifik
sind eine Möglichkeit, Allianzen zu bilden, einseitige Abhängigkeiten zu
reduzieren und technologische Entwicklungen zu beschleunigen. Ein besonderer
Schwerpunkt muss dabei in Sicherung der fairen Handelsbeziehungen, sowie auf der
Bekämpfung der Klimakrise liegen. Es gilt, Mitstreiter*innen für die Maßnahmen
zum weltweiten Ausstieg aus fossilen Energien, entschiedenen Ausbau von
erneuerbaren Energien und Steigerung der Energieeffizienz zu gewinnen und
Partnerschaften zu stärken.
Der Rückzug der USA aus der Finanzierung für Entwicklungshilfe und humanitäre
Hilfe hat eine enorme Lücke gerissen. Autokratische Staaten wie Russland und
China stehen bereit, das Vakuum zu füllen. Gerade jetzt muss Deutschland seiner
Verantwortung in der Welt gerecht werden und sein internationales Engagement
ausbauen – statt sich wie die Bundesregierung zurückzuziehen. Wer jetzt die
Entwicklungsfinanzierung kürzt, setzt Menschenleben weltweit aufs Spiel. Er
verpasst die Chance, weltweit Partnerschaften aufzubauen und Einfluss zu
gewinnen.
Trotz alldem bleiben die transatlantischen Beziehungen für uns von größter
Bedeutung. Gerade in Zeiten von Trumpmuss Deutschland Gesprächskanäle und
Kooperationen mit den demokratischen Kräften in Politik, Zivilgesellschaft,
Medien, Universitäten und Wirtschaft der USA aufrechterhalten und weiter
ausbauen, gerade auch auf der Ebene der Bundesstaaten. So lassen wir den
transatlantischen Geist von unten neu wachsen und erblühen.
Russland führt seinen Angriffskrieg gegen die gesamte Ukraine mit unfassbarer
Brutalität gegen die Zivilbevölkerung nunmehr im vierten Winter. Die
Ukrainer*innen verteidigen nicht nur ihr Territorium, sie verteidigen auch das
Recht in Freiheit, Frieden und Würde leben zu können – für sich und für uns –
als Europäerinnen und Europäer. Putins Krieg richtet sich nicht zuletzt gegen
eine auf dem Völkerrecht und Kooperation basierende multilaterale Ordnung. Er
führt einen hybriden Krieg gegen die gesamte Europäische Union samt ihrer
Beitrittskandidaten und bereitet sich auf einen konventionellen Krieg gegen
Frieden und Freiheit in ganz Europa vor.
Putins Aggression wird zunehmend zu einem Schlachtfeld der neuen Technologien.
Das russische Drohnenprogramm prägt immer mehr die brutale Kriegsführung des
Kremls. Gezielte Angriffe auf zivile Infrastruktur wie Energie-, Wasser- und
Wärmeversorgung sowie auf Wohngebiete bestimmen den Alltag in der Ukraine. Der
konstante Beschuss mit Drohnen, Raketen und Marschflugkörpern soll die
Bevölkerung mürbe machen. Die gezielte Zerstörung von Strom- und Wärmeversorgung
hat das Ziel, die Menschen im Winter frieren zu lassen. Die russische
Kriegsführung zeigt, wie der Terror gegen die Ukraine funktioniert - und sie
zeigt auch unsere eigenen Verwundbarkeiten.
Putins imperiales Machtstreben endet nicht an der Grenze der Ukraine – er führt
einen Krieg gegen das freie Europa. Immer wieder verletzen die russischen
Luftstreitkräfte den Luftraum europäischer Staaten, unter anderem auch
Deutschlands. Zunehmend dringen Drohnen in den europäischen Luftraum ein und
überfliegen Einrichtungen der kritischen Infrastruktur – auch bei uns in
Deutschland. Sabotageakte wie Cyberattacken auf IT-Infrastruktur, Brandsätze in
der Luftfracht oder Angriffe auf Datenkabel in der Ostsee gehören zur neuen
Realität. Es wird systematisch Einfluss auf Wahlen genommen und Desinformation
verbreitet. All das ist Teil der Angriffe Russlands auf unsere
gesellschaftlichen Lebensadern.
Wir stehen weiterhin in voller Solidarität an der Seite der Ukrainer*innen und
ihrem Kampf um Frieden, Freiheit, Demokratie und Selbstbestimmung. Der Krieg
wird erst enden, wenn Russland spürt, dass es scheitern wird. Die Ukraine muss
sich weiter verteidigen können und für den Fall von Friedensverhandlungen eine
starke Position sicherstellen können. Dabei muss immer gelten: „Nichts über die
Ukraine, ohne die Ukraine. Dabei gilt weiterhin: „Nichts über die Ukraine ohne
die Ukraine.“ Das Recht auf freie Bündniswahl gilt selbstverständlich auch für
die Ukraine. Wir setzen uns dafür ein, den EU-Beitrittsprozess so schnell wie
möglich zu beginnen und unterstützen die Reformagenda konsequent. Wir stehen zur
NATO-Beitrittsperspektive als robuste Absicherung eines Friedens und Stärkung
der kollektiven Verteidigungsfähigkeit.
Mit der Reform der Schuldenbremse haben wir der Bundesregierung neue finanzielle
Spielräume ermöglicht. Dennoch setzt die schwarz-rote Koalition ausgerechnet bei
der Ukraine-Unterstützung den Rotstift an. Deutschland muss die Militärhilfe für
die Ukraine aufstocken und sie auch diplomatisch, mit humanitärer Hilfe und
finanziell stärker unterstützen. Die deutsche Bundesregierung muss endlich dafür
sorgen, dass die eingefrorenen russischen Vermögen dafür eingesetzt werden
können. Vorschläge dafür liegen von der Europäischen Kommission auf dem Tisch –
es wird endlich Zeit, diese Gelder zu nutzen! Ja, dies birgt auch Risiken. Aber
die Ukrainer gehen nun seit Jahren täglich für uns ins Risiko.
Um den Druck auf Russland zu erhöhen, braucht es eine massive Verschärfung der
Sanktionen. Es ist untragbar, dass einzelne EU-Mitgliedsstaaten noch immer mit
dem Kauf von russischem Öl und Gas täglich Millionen in Putins Kriegskasse
spülen. Auch andere Importe von Rohstoffen müssen beendet werden. Gemeinsam mit
unseren Partnern gilt es auch andere Staaten zur Beendigung von
kriegsfinanzierenden Importen aus Russland zu bewegen. Es braucht endlich ein
entschiedenes Handeln gegen die russische Schattenflotte.
Deutschland muss eine echte Sicherheitsoffensive gegen hybride Bedrohungen
umsetzen, die bewusst die Urheberschaft von Angriffen verschleiern und die
Bevölkerung verunsichern sollen. Wir fordern, dass der Schutz unserer kritischen
Infrastrukturen - als zentraler Baustein für ein krisenfestes Land - stärker in
den Blick genommen wird. Dazu zählen zum Beispiel die Energieversorgung, die
Kommunikation, der Verkehrsbereich oder das Gesundheitswesen. Dazu gehört ein
tagesaktuelles Gesamtlagebild zu Angriffen und Spionagetätigkeiten, die zügige
Umsetzung der EU-Richtlinien zum einheitlichen Schutz unserer kritischen
Infrastruktur, eine verbesserten Drohnenabwehr und Investitionen in unsere
Sicherheitsbehörden. Dabei müssen wir die Erfahrungen der Ukrainer*innen nutzen.
Als Bündnis 90/Die Grünen haben wir die Stärkung des Zivil- und
Bevölkerungsschutz, der Nachrichtendienste, den Schutz der
informationstechnischen Systeme und die Hilfe für völkerrechtswidrig
angegriffene Staaten im im Rahmen der Verhandlungen über das Sondervermögen als
Teil der Verteidigungsausgaben verankert - jetzt muss die Bundesregierung
liefern.
Russland testet die Entschlossenheit unseres Bündnisses und die
Reaktionsfähigkeit der europäischen Streitkräfte. Er verwischt Tag für Tag die
Grenzen von Krieg und Frieden. Nur wenn wir verteidigungsfähig sind, werden wir
uns nicht verteidigen müssen. Für den nötigen Ausbau der europäischen
Verteidigungsfähigkeit haben wir viel von der Ukraine zulernen, gerade bei der
Drohnenabwehr. Wir müssen jetzt in der EU dafür Sorge tragen, gemeinsame
Projekte und Strukturen innerhalb der europäischen Verteidigungsindustrie zu
etablieren.
Für den Schutz von Frieden in Freiheit in Europa müssen die NATO und die EU
handlungsfähig bleiben. Dafür wollen wir innerhalb der EU das Veto-Recht
reformieren - und Einstimmigkeitsprinzip abschaffen. Da dies aktuell in weiter
Ferne liegt, geht es darum, die Handlungsfähigkeit durch Koalitionen der
Freiheitsverteidiger zu erhöhen. Das bedeutet eine enge Kooperation von
entschlossenen EU-Staaten mit Ländern wie Norwegen und dem Vereinigten
Königreich. Dabei muss Deutschland auch stärker mit den nordischen und
baltischen Staaten kooperieren und von ihnen lernen.Wir brauchen neue Formate
der politischen Zusammenarbeit, die alle relevanten Länder einbeziehen und es
ermöglichen, europäische Sicherheitsinteressen zu diskutieren und gemeinsame
Entscheidungen voranzutreiben. Ein Format wäre ein Europäischer Sicherheitsrat,
der zunächst beratend für die EU und NATO agieren und langfristig auch zur
Umsetzung von gemeinsamen Entscheidungen genutzt werden kann.
Unsere Außenpolitik steht im Bewusstsein für unsere Geschichte und die
Verantwortung, die unser Land mit dem Grauen des Zweiten Weltkriegs und dem
Holocaust auf sich geladen hat. Das Existenzrecht Israels ist für uns
unverhandelbar. Unsere Verantwortung für die Sicherheit und das Existenzrechts
Israels als Teil deutscher Staatsräson heißt, Bedrohungen zu erkennen und die
Sicherheit israelischer Bürgerinnen und Bürger zu einer Grundlage unseres
Handelns zu machen. Israel hat das völkerrechtlich verbriefte Recht sich gegen
Angriffe zu verteidigen und auch die anerkannte Pflicht, seine Bürgerinnen und
Bürger im Rahmen des Völkerrechts zu schützen. Die anhaltende Bedrohung des
Staates Israels sowie die Angriffe und den Terror gegen seine Bevölkerung
verurteilen wir.
Aus unserer Geschichte ergibt sich auch die Verantwortung für das Völkerrecht,
die Würde jedes Menschen und die allgemeinen Menschenrechte. Nur wenn
Deutschland und die EU sich auch im Nahen Osten nachdrücklich für sie einsetzen,
wird unser weltweites Bemühen um eine regelbasierte internationale Ordnung
glaubwürdig sein. Deswegen haben wir uns so intensiv dafür eingesetzt, dass die
von der Hamas festgehaltenen Geiseln befreit werden, die Zivilbevölkerung
geschützt wird, die humanitäre Hilfe die Menschen erreicht und es zu einem
Waffenstillstand kommt.
Die Sicherheit der Palästinenserinnen und Palästinenser und ihre Menschenrechte
sind zu schützen, ihr Selbstbestimmungsrechts zu verwirklichen und ihr Schutz
vor willkürliche Gewalt zu gewährleisten, sei es durch israelische Siedler und
Sicherheitskräfte, sei es durch Hamas oder anderen islamistischen Terror.
Am 7. Oktober 2023 hat die Hamas mit unfassbarer Gewalt und Brutalität einen
Terroranschlag auf Israel verübt. Mehr als 1.200 Menschen wurden von der Hamas
ermordet, begleitet von unsäglicher sexualisierter Gewalt, 251 Menschen wurden
verschleppt. Familien, Kinder, Jugendliche, die auf einem Festival tanzten,
wurden auf grausame Weise umgebracht. Es war der schlimmste Angriff auf
jüdisches Leben seit der Shoah, ein Angriff auf das Existenzrecht Israels und
auf die gesamte israelische Gesellschaft. Er hat die Menschen in Israel zutiefst
traumatisiert. Unsere tiefe Solidarität gilt den Opfern und ihren Familien. Wir
blicken mit tiefer Anteilnahme auf diesen Tag und auf das Leid, dass der
Terroranschlag der Hamas bis heute verursacht.
Seit dem 7. Oktober hat der Antisemitismus weltweit eine starke Zunahme erfahren
und nimmt immer bedrohlichere Ausmaße an. Der Schutz jüdischen Lebens in
Deutschland und weltweit ist für uns eine Verpflichtung. Wir gehen entschlossen
gegen den zunehmenden Antisemitsimus in unserer Gesellschaft vor- egal von wem
er ausgeht. Jüdinnen und Juden müssen in Sicherheit leben können.
Die gezielten Angriffe durch die jemenitischen Houthis, die Hisbollah und den
Iran nach dem 7. Oktober haben zu weiteren Todesopfern geführt, haben Menschen
aus ihrer Heimat vertrieben. Wir verurteilen die fortgesetzte Gewalt und
Anschläge dieser Akteure. Die Hamas, das iranische Regime, die Hisbollah und
andere militante Gruppierungen machen keinen Hehl daraus, dass sie Israel
vernichten wollen. Sie negieren das Existenzrecht Israels. Das werden wir nie
akzeptieren.
Den auf die Terroranschläge vom 7. Oktober folgende Krieg hat die Hamas in ihrer
Skrupellosigkeit provoziert. Die völkerrechtswidrige Kriegsführung der
israelischen Regierung in Gaza ist dadurch aber nicht zu rechtfertigen und hat
im Laufe des Krieges unermessliches Leid für Palästinenserinnen und
Palästinenser verursacht: Mindestens 60.000 Tote, hunderttausende Verletzte,
zerstörte Städte – 80 Prozent der Bausubstanz in Trümmern – massenhafte
Vertreibung, eine Generation ohne Zukunft. Das Leid der Menschen in Gaza erfüllt
uns mit großem Schmerz. Auch in Deutschland leben viele Menschen die dort
Angehörige haben, ihre Sorge und Trauer gehören zu unserem Land und teilen wir.
Die Blockade humanitärer Hilfe durch die israelische Regierung und das
Aushungern der Zivilbevölkerung war ein schwerer Bruch des humanitären
Völkerrechts und hat zu einer von den Vereinten Nationen bestätigten Hungersnot
geführt. Kriegsverbrechen wie Angriffe auf Zivilist*innen und zivile
Infrastruktur, humanitäre Helfer und Journalist*innen sind durch die Vereinten
Nationen und NGOs in Gaza dokumentiert. Unabhängige Presseberichterstattung
wurde durch die Einschränkungen für Journalist*innen erheblich erschwert.
Zugleich haben die oft von der Regierung unterstützte Siedlergewalt, der
illegale Siedlungsbau und die damit einhergehenden Vertreibungen und
Annektionspläne im Westjordanland massiv zugenommen. Die palästinensische
Autonomiebehörde (PA) wurde durch das Vorenthalten von Steuer- und Zolleinnahmen
an den Rand des Bankrotts gebracht. Wir verurteilen dieses Vorgehen der in
Teilen rechtsextremen Regierung Netanjahu und halten es für falsch, dass
Premierminister Netanyahu seit Jahren die Politik betreibt, einen
palästinensischen Staat unmöglich zu machen. Wir halten fest an der Herrschaft
des Rechts.
Heute, fast zwei Jahre nach Beginn der Eskalation, gibt es Hoffnung auf ein Ende
des Krieges und Frieden. Die Friedensgespräche in Ägypten haben zur Freilassung
der Geiseln und einem Waffenstillstand in Gaza geführt. Nach zwei Jahren in den
Händen der Hamas konnten die noch lebenden Geiseln endlich zurück zu ihren
Familien. Hunderttausende Menschen in Gaza können endlich auf ein Ende der
Angriffe und der humanitären Notlage hoffen. Diese Freude und Erleichterung
teilen wir. Und es war ein Tag der Trauer über die verstorbenen Geiseln, von
denen bis heute nicht alle an ihre Angehörigen überführt wurden. Wir teilen den
Schmerz der Menschen in Gaza, die ihre Angehörigen nur noch unter den Trümmern
bergen können. Im Rahmen des Friedensprozesses muss jetzt alles getan werden,
damit das Schweigen der Waffen Bestand hat.
Als nächstes braucht es die Entwaffnung der Hamas, die Absicherung Gazas durch
eine internationale Truppe, den Rückzug der israelischen Armee aus Gaza, sowie
der Übergabe der Verantwortung an die Palästinenser. Dabei bleiben folgende
Grundsätze für uns leitend: Von Gaza darf künftig keine Gefahr mehr für Israels
Sicherheit ausgehen. Die Palästinenser dürfen nicht aus Gaza vertrieben werden,
und es darf keine Wiederbesetzung oder territoriale Reduzierung von Gaza durch
Israel geben. Es braucht eine gemeinsame Perspektive für Gaza und
Westjordanland. Die völkerrechtswidrige Besatzung der Westbank und die
Annexionen müssen beendet werden. Es darf keine Lösung über die Köpfe der
Palästinenser hinweg geben. Sie müssen den politischen Prozess mitgestalten. Es
ist wichtig, dass sich dabei auch die arabischen Nachbarstaaten gemeinsam für
eine politische Perspektive engagieren.
Dieser Prozess braucht aber auch das Ziel von dauerhaftem Frieden und Sicherheit
für alle Menschen in der Region. Nur eine Zweistaatenlösung wird dauerhaften
Frieden bringen, und dazu gehört die Anerkennung eines palästinensischen
Staates. Unser Ziel bleibt eine verhandelte Zweistaatenlösung, bei der der Staat
Israel und ein souveräner, demokratischer und lebensfähiger palästinensischer
Staat Seite an Seite in Frieden und Sicherheit leben.
Israel und die Palästinenser brauchen die Hilfe der internationalen
Gemeinschaft, um die Voraussetzungen für einen Frieden zu schaffen, denn der Weg
dahin ist weit. Die EU muss im anstehenden Friedensprozess eine aktive Rolle
spielen und dabei alle Hebel nutzen, die ihr zur Verfügung stehen. Auch im Nahen
Osten gilt: Nur eine starke und geeinte EU kann das nötige diplomatische Gewicht
entwickeln, um wirkungsvoll zu handeln und zum Frieden in Nahost beizutragen.
Wir halten dies für notwendig und sehen dies auch im deutschen Interesse an
einer friedlichen Region und einer völkerrechtsbasierten internationalen
Ordnung. Die Bundesregierung darf hierbei nicht bremsend am Rande stehen,
sondern muss sich konstruktiv für eine gemeinsame europäische Nahostpolitik
einbringen.
Deutschland hat sich zurecht entschieden, sicherzustellen, dass keine
Lieferungen von Waffen und Rüstungsgütern an Israel erfolgen, die
völkerrechtswidrig eingesetzt werden könnten. Unbenommen davon muss Deutschland
Israel bei der Verteidigung gegen Bedrohungen, vor allem durch den Iran und
seine Stellvertreter weiter unterstützen, auch durch Lieferung von Waffen und
Rüstungsgütern. Ob deutsche Waffen zur Selbstverteidigung oder zur Vertreibung
der palästinensischen Zivilbevölkerung eingesetzt werden, ist nicht immer leicht
zu überprüfen. Doch wenn wir unserer Verantwortung für die Sicherheit Israels
und dem Völkerrecht gleichermaßen gerecht werden wollen, müssen wir diese
Differenzierung leisten.
Deutschland trägt Verantwortung, seiner humanitären Pflicht in der Region
gerecht zu werden. Vorrang hat der schnelle, sichere und ungehinderte Zugang zu
Hilfsgütern. Unmittelbar dafür notwendig ist der Wiederaufbau funktionierender
UN-Verteilstrukturen in Gaza. Die Sicherheit und Arbeitsfähigkeit humanitärer
Akteure sind zu gewährleisten. Humanitäre Hilfe ist ein Gebot der Menschlichkeit
und den Prinzipien der Neutralität und Unparteilichkeit verpflichtet. Besonders
die Kinder in Gaza wie in Israel gehören zu den besonders schwer Leidtragenden.
Diese tief sitzenden Wunden zu sehen und zu heilen, gehört jetzt zu den
besonders dringlichen Aufgaben für all diejenigen, denen an Menschlichkeit,
Aussöhnung und Frieden gelegen ist.
Deutschland sollte zur Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts der
Palästinenser weiterhin palästinensische Staatlichkeitsbestrebungen praktisch
fördern – durch Unterstützung beim Aufbau rechtsstaatlicher Institutionen,
Ausbildung von Verwaltung und Justiz, Förderung demokratischer Prozesse und
wirtschaftlicher Perspektiven. Die israelische Regierung muss in diesem Zuge die
vorenthaltenen Zoll- und Steuereinnahmen der PA freigeben. Eine
Wiederaufbaukonferenz für den Gazastreifen sollte maßgeblich von Deutschland
vorangetrieben werden. Dabei muss sichergestellt sein, dass die Bedürfnisse der
Bürger*innen Gazas im Mittelpunkt stehen - und die Sicherheit Israels gewahrt
wird.
Zu einem glaubwürdigen Einsatz für eine Zweistaatenlösung zählen auch Schritte
gegen diejenigen, die ihn gezielt unterlaufen. Die Bundesregierung muss den
Kampf gegen die Terrorgruppen Hamas, Hisbollah und andere djihadistische Gruppen
unterstützen. Der Druck auf das iranische Regime als Treiberin der Bedrohung und
Destabilisierung der gesamten Region muss ausgebaut werden. Wir setzen uns
weiter für die rechtssichere Terrorlistung der iranischen Revolutionsgarden auf
EU-Ebene ein. Es braucht jetzt gezielte Sanktionen gegen gewalttätige Siedler
und die rechtsextremen israelischen Minister Bezalel Smotrich und Itamar Ben-
Gvir. Hier muss Deutschland seine Blockade im Europäischen Rat endlich aufgeben.
Das EU-Assoziationsabkommen enthält starke positive Anreiz zur Einhaltung des
Völkerrechts. Der beiderseitige Respekt für Menschenrechte und demokratische
Prinzipien ist nach Artikel 2 des Abkommens ein essenzieller Bestandteil der
engen Kooperation zwischen Israel und den Ländern der Europäischen Union. Wir
halten die Anwendung der Menschenrechtsklausel für notwendig. Im Falle der
Nichtumsetzung des Friedensplans können partielle Aussetzungen des Abkommens
erfolgen.
Zu einem Friedensprozess gehört auch die rechtliche und politische Aufarbeitung
von Kriegsverbrechen. Deutsche und europäische Nahostpolitik soll aktiv dafür
werben, dass Verstöße transparent aufgeklärt und geahndet werden. Dabei spielt
die internationale Gerichtsbarkeit - insbesondere der Internationale
Strafgerichtshof - eine zentrale Rolle. Für diese Aufarbeitung ist auch die
Medienberichterstattung und der freie Zugang der Presse entscheidend.
Doch nicht allein die Politik zählt jetzt. Der Weg zum Frieden braucht den
Rückhalt einer starken Zivilgesellschaft. Wir stehen solidarisch an der Seite
der israelischen und palästinensischen Zivilgesellschaft, die sich für
Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Dialog einsetzen. Sie spielen eine
Schlüsselrolle für einen nachhaltigen Frieden. Wir wollen diese
Zivilgesellschaft weiter fördern, in Israel wie in Palästina. Wir stellen uns
deswegen gegen Bestrebungen, Israel oder Palästinenserinnen und Palästinenser
von Sport- oder Kulturveranstaltungen auszuschließen, denn diese Schritte ziehen
die ganze Gesellschaft in Mitleidenschaft – nicht zuletzt diejenigen, die für
Demokratie und Frieden kämpfen. Wir stehen an der Seite derjenigen, die sich für
die demokratische Verfasstheit Israels und den Schutz seiner Bevölkerung vor dem
Abbau von Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit und demokratischen Strukturen
einsetzen, genauso wie wir alle unterstützen, die genau diese Werte für einen
palästinensischen Staat wollen.
Änderungsanträge
- A-09-092 (Philipp Schmagold (KV Plön), Eingereicht)
