Veranstaltung: | 49. Bundesdelegiertenkonferenz Karlsruhe |
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Tagesordnungspunkt: | EP-G Was Gerechtigkeit schützt |
Status: | Beschluss (vorläufig) |
Beschluss durch: | Bundesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 25.11.2023 |
Antragshistorie: | Version 2 |
B – Was Gerechtigkeit schützt
Beschlusstext
Inflation mit steigenden Lebenshaltungskosten, Pandemie, Krieg und zunehmende Wetterextreme
haben viele Menschen in ganz Europa vor große Herausforderungen gestellt. Viele Menschen
mussten wegen der gestiegenen Lebenshaltungskosten schmerzhafte Einschnitte hinnehmen. Für
viele Selbstständige und kleine Betriebe ist die Existenzgrundlage weggebrochen. Und bis
weit in die Mitte der Gesellschaft hinein sorgen gestiegene Lebenshaltungskosten für akute,
bisweilen gar existenzielle Nöte.
Zugleich hat die Krisenbewältigung der letzten Jahre gezeigt, was alles möglich ist, wenn
wir zusammenstehen – in Deutschland und Europa.
Menschen sehnen sich in diesen Zeiten der Krise nach Stabilität und Zusammenhalt. Europa
bietet darauf die Antwort. Die europäische Einigung hat den Lebensstandard von Millionen von
Menschen angehoben und mehr soziale Sicherheit gebracht. Wir sind überzeugt: Die Menschen in
Europa müssen sich gerade in Krisenzeiten auf einen starken Sozialstaat verlassen können,
der wirksam vor Armut und sozialer Ausgrenzung schützt.
Die Europäische Union (EU) kann einen Schutzraum bieten, der die sozialen Rechte
grenzüberschreitend und für die gesamte Breite der Gesellschaft sichert. Die EU kann
zugleich für die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sorgen, die gerechten Wohlstand
ermöglichen. Ein Wohlstand, der insbesondere insbesondere bei denen ankommen muss, die ihn
erarbeiten. Ein Wohlstand für die Vielen. Indem wir europaweit die Infrastruktur für
klimaneutrales Wirtschaften bauen, erzeugen wir Wertschöpfung, erhalten und schaffen gute
Jobs für Millionen von Menschen: Wirtschaftliche und soziale Infrastruktur gehen Hand in
Hand und bedingen einander.
Das starke und gerechte Europa, das wir gestalten wollen, zielt im Kern auf den Schutz jeder
und jedes Einzelnen, auf den Respekt vor der Leistung aller. Es schützt die Rechte der
Arbeitnehmer*innen gegen Ausbeutung. Es achtet die Würde von Renter*innen und Erwerbslosen.
Es reduziert Ungleichheit. Es sichert den Anspruch der Bürger*innen auf wirksame Medikamente
und den Zugang zu hochwertiger und inklusiver Gesundheitsversorgung. Es sorgt dafür, dass
Verbraucher*innen ihre Ansprüche durchsetzen können. Es trägt dazu bei, dass Familien und
alte Menschen besser abgesichert sind, Kinder eine gute Zukunft haben und ältere Menschen
aktiv an der Gesellschaft teilhaben. Es ermöglicht jungen Menschen, neue Erfahrungen zu
machen.
Europa ist mehr als ein Wirtschaftsraum. Die Europäische ist auch eine soziale Union, die
sich dem sozialen Fortschritt verschrieben hat. Das Versprechen von einem Leben in Würde und
Freiheit, von guten Arbeits- und Lebensbedingungen, von gleichen Chancen und einem Auskommen
ohne Armut, Ausgrenzung oder Diskriminierung zeichnet Europa aus – ein
Gerechtigkeitsversprechen an die Breite der Gesellschaft.
Wir setzen uns dafür ein, dass dieses Versprechen nun auch überall eingelöst wird. Dafür
wollen wir die soziale Dimension der EU weiter stärken. Wir wollen die Bedingungen dafür
verbessern, dass alle Europäer*innen noch einfacher und sicherer überall in der Union leben
und arbeiten können. So wird soziale Sicherheit zu einem Mehr an Freiheit.
Dazu wollen wir ein Europa, das verbindliche Standards setzt – für faire Löhne und starke
Gewerkschaften, gegen Willkür und Ausbeutung. Davon profitieren letztlich alle in der EU,
egal ob in wohlhabenden oder ärmeren Regionen. So ergänzt die soziale Infrastruktur die
wirtschaftliche; so erfüllen wir den europäischen Anspruch an eine Infrastrukturunion für
alle; so schaffen wir Zusammenhalt über den ganzen Kontinent hinweg. Denn klare
Mindeststandards beugen einem Wettlauf nach unten bei der sozialen Sicherung wirksam vor.
Wir stehen für ein starkes soziales Europa, das die Menschen vor Krisen schützt und vor Ort
einen echten Unterschied macht. Wenn wir über die europäische Souveränität sprechen, dann
geht es uns auch um die Ausgestaltung und die Verteidigung eines europäischen Sozialmodells,
das sich in einer globalisierten Welt behauptet – und für Wohlstand und materielle
Sicherheit, gute Arbeit und hohe Sozialstandards steht. Dies gilt umso mehr, als die
Herausforderung der Klimaneutralität, technologischer Fortschritt und der demografische
Wandel die Arbeitswelt verändern.
In der Europäischen Säule sozialer Rechte sind die Grundsätze für ein soziales Europa
angelegt. Sie ist ein wichtiger Meilenstein einer europäisch abgestimmten sozialen Politik.
Doch bei Grundsätzen und Empfehlungen darf es nicht bleiben. Wir wollen rechtsverbindliche
und einklagbare Arbeits- und Sozialstandards daraus ableiten. Auch wenn der Sozialstaat
institutionell in erster Linie in den Mitgliedstaaten verankert ist, darf soziale
Gerechtigkeit nicht an Landesgrenzen haltmachen.
Wir wollen ein gerechtes Europa bauen. Das gerechte Europa ist ein Gemeinwesen, das
solidarisch finanziert wird, ohne Steuerschlupflöcher für Superreiche. Das gerechte Europa
ist ein Kontinent, auf dem jede und jeder gut leben kann – ob im Großraum Mailand, in der
Lausitz oder im ländlichen Rumänien. Das gerechte Europa bietet Zugang zu fair bezahlter
Arbeit und öffentlichen Dienstleistungen, zu guter Bildung und intakter Natur.
Kurzum: Das gerechte Europa ist ein Raum der Chancen und der Solidarität. Es bekämpft
soziale Ausgrenzung und Diskriminierungen. Es fördert soziale Gerechtigkeit, die
Gleichstellung von Frauen, die Inklusion, den Zusammenhalt zwischen den Generationen,
Familien, den Schutz der Rechte des Kindes und die Einhaltung der Menschenrechte. So ist es
im Gründungsprozess der EU angelegt. Für diese Gerechtigkeit streiten wir. Dieses Europa
wollen wir sein.
1. Gute Arbeit und soziale Sicherheit
Faire Löhne erreichen
Gute Arbeit mit fairen und verlässlichen Arbeitsbedingungen und einer wirksamen Mitsprache
gibt gerade in Zeiten des wirtschaftlichen Umbruchs Sicherheit und Rückhalt. Zu viele
Menschen in Europa haben in den letzten Jahren unter spürbaren Reallohnverlusten und
steigenden Lebenshaltungskosten gelitten. Wer von seiner Arbeit verlässlich leben und seinen
Arbeitsplatz aktiv mitgestalten kann, kann sich auch bei Veränderungen einbringen. Das
stärkt auch die Demokratie. Wir wollen gute Standards in ganz Europa gestalten und prekäre
Beschäftigung und Ausbeutung unterbinden. Eine starke Sozialpartnerschaft und eine hohe
Reichweite von Tarifverträgen sind wichtige Grundlagen für gute Arbeit.
Ein konkreter Erfolg des sozialen Europas ist die Mindestlohnrichtlinie. Sie schützt Wert
und Würde von Arbeit. Und sie trägt dazu bei, dass viele Millionen Beschäftigte in Europa
künftig ein höheres Einkommen haben werden – wie die Bundesregierung auch auf unsere
Initiative mit der deutlichen Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns vorgemacht hat. Die
Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, angemessene Mindestlöhne nach klaren
Kriterien festzulegen und das Ergreifen wirksamer Maßnahmen nachzuweisen. Wir wollen, dass
die Mindestlohnrichtlinie in Deutschland konsequent umgesetzt wird und die EU Empfehlung den
Mindestlohn an 60% des Medianlohns zu koppeln verbindlich gemacht wird. So würde der
gesetzliche Mindestlohn in Deutschland und anderen Mitgliedsstaaten spürbar steigen und auch
in Zukunft einen effektiven Mindestschutz für Beschäftigte bieten. Darüber hinaus soll mit
der Richtlinie die Tarifbindung verbindlich gestärkt werden: Mitgliedstaaten mit einer
tarifvertraglichen Abdeckung von weniger als 80 Prozent müssen einen Aktionsplan vorlegen.
Das werden wir auch in Deutschland umsetzen und damit Gerechtigkeit in der Mitte der
Gesellschaft stärken. Denn hierzulande ist die Reichweite von Tarifverträgen in den letzten
Jahrzehnten stark zurückgegangen. Damit die Mindestlohnrichtlinie in allen Mitgliedstaaten
tatsächlich greift, muss ein wirksames Monitoring erfolgen. So wirkt Europa konkret gegen
Dumpinglöhne, damit Arbeit sich immer lohnt und eine Absicherung im Rentenalter
gewährleistet ist.
Wir wollen Demokratie und Mitbestimmung am Arbeitsplatz länderübergreifend ausbauen. Dafür
wollen wir zum einen die Europäischen Betriebsräte stärken, indem wir an der Seite der
Gewerkschaften die EU-Kommission auffordern, endlich die bestehende Richtlinie zu den
Europäischen Betriebsräten zu überarbeiten und Ausnahmeregeln zu beenden. Die
Rechtssicherheit, den Rechtszugang und Durchsetzungsmöglichkeiten für Europäische
Betriebsräte wollen wir verbessern. Um Schlupflöcher zu schließen, sollen auch Franchise-
Unternehmen in die Richtlinie einbezogen werden. Zudem setzen wir uns für eine stärkere
Vertretung von Frauen sowie jungen Beschäftigten und Auszubildenden in den Europäischen
Betriebsräten ein.
Zum anderen setzten wir uns dafür ein, das Beteiligungsgesetz für die Societas Europaea
(SEBG) in Hinblick auf die Vertretung von Arbeitnehmer*innen im Aufsichtsrat zu prüfen.
Insbesondere das "Vorher-Nachher-Prinzip" nehmen wir dabei in den Blick: Bei der Umwandlung
eines Unternehmens in eine Europäische Aktiengesellschaft darf es nicht mehr zum Einfrieren
des bestehenden Mitbestimmungsniveau kommen.
Um die Mitbestimmung in der gesamten EU zu stärken, setzen wir uns für eine neue
Rahmenrichtlinie zur Unterrichtung, Anhörung und Beteiligung von Arbeitnehmer*innen ein, die
auf die verschiedenen europäischen Gesellschaftsformen von Unternehmen abgestimmt ist.
Darüber hinaus kämpfen wir für einen zeitgemäßen Arbeitsschutz in Europa – in einer sich
rasant beschleunigenden digitalen Arbeitswelt, die für viele Beschäftigte mit ständiger
Erreichbarkeit, Arbeitsverdichtung und Stress einhergeht. Wir wollen daher den Schutz der
Arbeitnehmer*innen vor psychischen und körperlichen Belastungen voranbringen. So stärken wir
auch die Selbstbestimmung und das Potential älterer Arbeitnehmer*innen. Zudem setzen wir uns
für eine umfassende Teilhabe von Menschen mit Behinderung und einen inklusiven Arbeitsmarkt
ein.
Europaweit haben noch zu viele Menschen unfreiwillig keine Arbeit. Zur Stabilisierung des
Arbeitsmarkts und der Wirschaft stärken wir das Recht auf Arbeit auch durch staatliche
Unterstützungsangebote und Investitionen. Insbesonderen in den Strukturwandelregionen
setzten wir uns für eine gleichwertige Anschlussbeschäftigung für Beschäftigte innerhalb der
Region ein. Der Wandel dieser Regionen wird nur mit verlässlichen Angeboten zur
Weiterbildung und Vermittlung gelingen.
Beschäftigte in der digitalen Arbeitswelt stärken
Neue Technologien bieten große Chancen: Mit neuen Geschäftsfeldern und -modellen entstehen
neue Jobs, digitalisierte Prozesse bringen Produktivitätsgewinne, Arbeiten wird flexibler,
beispielsweise durch Homeoffice-Regelungen. Diese Veränderung darf sich nicht nachteilig zur
Teilhabe von Frauen an der Arbeitswelt auswirken. Ausbeutung darf auch in der digitalen
Arbeitswelt kein Geschäftsmodell sein. Deshalb setzen wir uns für starke Rechte von
Arbeitnehmer*innen im digitalen Zeitalter ein. Die Zusammenarbeit im digitalen Arbeitsmarkt,
beispielsweise in der Content Moderation, soll koloniale Kontinuitäten nicht neu
verfestigen.
EU-weit arbeiten rund 28 Millionen Menschen für Unternehmen, die digitale Dienste anbieten
und zusammenführen, sogenannte Plattformunternehmen. Diese Unternehmen profitieren vom
Modell der Scheinselbstständigkeit, das in der EU weit verbeitet ist. Die EU-Kommission
schätzt, dass 4 Millionen der Arbeitnehmer*innen in Plattformunternehmen
Scheinselbstständige sind. In der laufenden europäischen Gesetzgebung zu Arbeitsbedingungen
auf digitalen Plattformen setzen wir uns dafür ein, Scheinselbstständigkeiten, die zu
schlechten Arbeitsbedingungen und zu unzureichender sozialer Absicherung führen, europaweit
einen Riegel vorzuschieben. Faire Arbeitsbedingungen sollen auch in der Gig Economy gelten.
Es braucht zudem bessere Möglichkeiten, die Regeln durchzusetzen. Dazu wollen wir unter
anderem Arbeitsinspektionen stärken.
Viele Unternehmen setzen Software ein, um automatisiert Aufgaben zuzuteilen und
Arbeitnehmer*innen zu überprüfen, zu evaluieren und zu disziplinieren oder auch
Einstellungsentscheidungen zu treffen – das sogenannte algorithmische Management. Die
ständige Überwachung, der Wegfall persönlicher Planungssicherheit im Alltag und der
übermäßige Arbeitsdruck, die mit seinem Einsatz einhergehen können, wollen wir beenden. Um
die Rechte der Arbeitnehmer*innen zu stärken und Missbrauch vorzubeugen, setzen wir uns für
eine neue EU-Richtlinie zum algorithmischen Management am Arbeitsplatz ein.
Die Fortschritte in der Entwicklung der Künstlichen Intelligenz bieten für
Arbeitnehmer*innen große Potenziale. Wir wollen diese für die Gestaltung guter Arbeitsplätze
und faire Arbeitsbedingungen nutzen, so können sie als Assistenzsysteme die Arbeitsbelastung
reduzieren. Die breite Beteiligung der Belegschaften ist ein zentraler Faktor für die
Akzeptanz und eine gelungene Einführung solcher Systeme. Den Sorgen von Arbeitnehmer*innen
um Arbeitsplatzverluste tragen wir Rechnung. Wir setzen uns dafür ein, dass Unternehmen
ihren Arbeitnehmer*innen frühzeitig anbieten, sich über Fort- und Weiterbildung auf diese
Entwicklung vorbereiten zu können. So erhalten sie Sicherheit und die Möglichkeit den Wandel
mitzugestalten.
Freizügigkeit einfacher machen
Dass EU-Bürger*innen in jedem Mitgliedstaat arbeiten und leben können, ist ein Grundprinzip
der EU. Das eröffnet enorme Freiheiten und fördert gleiche Chancen für alle in der EU. Es
stellt Arbeitnehmer*innen zuweilen auch vor neue Herausforderungen, für die es europäische
Antworten zu finden gilt.Damit das Modell des grenzüberschreitenden Leben und Arbeiten für
die Beschäftigten im Alltag funktioniert, setzen wir uns für eine bessere Koordinierung der
nationalen Sozialversicherungssysteme ein.
Es ist eine große Errungenschaft, dass Bürger*innen der EU Sozialversicherungsansprüche, die
sie in einem anderen EU-Land erworben haben, über die Grenzen mitnehmen können
(Portabilität). Doch die Realität löst dieses Versprechen noch nicht immer ein: Die
Unterschiede der nationalen Sicherungssysteme, aber auch die Bürokratie machen die
Handhabung kompliziert, und Lücken in den Leistungen lassen einige zurück. Wir wollen
deshalb mehr Koordinierung zwischen den nationalen Sozialversicherungssystemen, um soziale
Leistungsansprüche leichter von einem Land in das andere übertragen zu können und die
bestehenden Lücken gerade für Grenzpendler*innen abzubauen. Das möchten wir erreichen, indem
wir den Informationsaustausch zwischen den zuständigen Sozialversicherungssystemen
unbürokratisch sicherstellen und dafür die Vorteile der Digitalisierung nutzen.
Auch die Langzeitpflege, beispielsweise für Ältere oder Menschen mit chronischen Krankheiten
oder Behinderungen, soll auf diese Weise abgedeckt werden. Ein Europäischer
Sozialversicherungsausweis (ESSPASS) ist ein Beitrag dazu. Er soll die Übertragbarkeit von
Ansprüchen über Grenzen hinweg verbessern und durch digitale Überprüfung entbürokratisieren.
Wir wollen darüber hinaus die sogenannte A1-Bescheinigung durch ein digitales
Echtzeitregister ersetzen, um grenzüberschreitende Arbeitsausbeutung zu verhindern und einen
wirksamen Sozialschutz zu gewährleisten.
Das Arbeiten im Homeoffice gehörte in der Coronakrise für sehr viele Beschäftigte zum Alltag
und wird spätestens seitdem von mehr und mehr Arbeitnehmer*innen geschätzt. Diese
Entwicklungen unterstützen wir in ihrem Sinne dort wo es praktikabel ist. Wir wollen, dass
auch das mobile Arbeiten nicht an den europäischen Grenzen haltmacht, sondern prinzipiell
auch aus einem anderen Land als dem Beschäftigungsland möglich ist. Deshalb setzen wir uns
dafür ein, dass es eine Richtlinie für Homeoffice gibt, die es erleichtert, EU-weit im
Homeoffice zu arbeiten.
Ausbeutung bekämpfen
Damit Freizügigkeit für alle Arbeitnehmer*innen funktioniert, ist darüber hinaus ein
wirksamer Schutz vor Ausbeutung unerlässlich. Egal ob eine Arbeitnehmerin aus Österreich in
Frankreich arbeitet oder ein Saisonarbeiter aus Georgien in Rumänien: Unionsbürger*innen und
Menschen aus Drittstaaten brauchen umfassenden Schutz vor Diskriminierung und Ausbeutung,
wenn sie in einem anderen EU-Land arbeiten.
Das führen nicht zuletzt die Skandale in der Fleischindustrie, der 24-Stunden Pflege, bei
Lkw-Fernfahrer*innen, bei Saisonarbeiter*innen oder im Baugewerbe deutlich vor Augen. Wir
sagen diesen Formen der Ausbeutung den Kampf an. Beschäftigte dieser Branchen leben und
arbeiten oft an mehr als einem Ort in der Europäischen union. Damit leisten sie einen
substantiellen Beitrag zu einem funktionierenden Binnenmarkt und zur Aufrechterhaltung
unserer Sozialsysteme, sind dabei aber zusätzlichen Risiken ausgesetzt. Wir wollen
europäische Hebel gegen Scheinselbstständigkeit sowie Lohn- und Sozialdumping in diesen
Bereichen nutzen. Ein wirksames Mittel können zudem regelmäßig stattfindende
Arbeitsinspektionen sein, für die die Mitgliedstaaten das Personal aufstocken sowie
Schulungen in europäischer Gesetzgebung und grenzüberschreitenden Angelegenheiten verbessern
sollten. Der Schutz der Beschäftigten soll dabei an erster Stelle stehen.
Auch eine bessere Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden und der Europäischen
Arbeitsbehörde (ELA) ist nötig. Dazu gehören auch passende Angebote zur Beratung und
Teilhabe. Das Mandat der ELA sollte auf Drittstaatsangehörigkeit ausgeweitet werden. Wir
begrüßen die stärkere Zusammenarbeit zwicshen der ELA und den Gewerkschaften. Sie sollte
zudem eine stärkere Rolle für gemeinsame koordinierte Inspektionen erhalten.
Wir wollen weitere Maßnahmen ergreifen, um missbräuchliche Praktiken von Subunternehmen zu
unterbinden, beispielsweise die gesamtschuldnerische Haftung rechtlich verankern. Immer
wieder werden Arbeiter*innen zu katastrophalen Bedingungen untergebracht, in überfüllten
Zimmern, unter schlechten hygienischen Bedingungen und mit überteuerter Miete, die direkt
vom Lohn einbehalten wird. Die Verpflichtung zu angemessener Unterbringung wollen wir
deshalb rechtlich absichern und wirksam durchsetzen.
Eine wirksame Bekämpfung der Arbeitsausbeutung beginnt damit, dass sich Betroffene einfach
und in der eigenen Sprache über ihre Rechte informieren können – und für deren Durchsetzung
Hilfe erhalten. Wir setzen uns für eine langfristige und verlässliche Finanzierung für die
Schaffung und europaweite Vernetzung entsprechender Beratungs- und Unterstützungsstrukturen
ein. Die Gewerkschaften sind mit ihrer fachlichen Expertise wertvolle Partnerinnen in der
Entwicklung und Durchführung solcher Angebote. Wir begrüßen, dass europäische Zahlungen im
Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik künftig von der Einhaltung von Arbeitsnormen in der
Landwirtschaft abhängig gemacht werden. Diese sogenannte soziale Konditionalität muss nun
effektiv umgesetzt werden.
Kinderarmut abbauen
Jedes vierte Kind in Europa ist von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht – das entspricht
fast 20 Millionen Kindern, die an gesunder Ernährung, Sport, Bildung und Kultur nur sehr
eingeschränkt teilhaben können. Kinderarmut bedeutet einerseits existenziellen Mangel im
Hier und Jetzt, andererseits weniger Chancen auf ein selbstbestimmtes und erfolgreiches
Leben in der Zukunft. Wir wollen, dass alle Kinder Zugang zu einer gut ausgebauten Betreuung
und sozialen Infrastruktur haben. Ihre Zukunft und die Förderung ihrer Potentiale
entscheiden über unsere Zukunft als Gesellschaft.
Die Europäische Kindergarantie soll sicherstellen, dass jedes von Armut und sozialer
Ausgrenzung bedrohte Kind in Europa Zugang zu kostenloser Gesundheitsversorgung,
frühkindlicher Betreuung, Bildung und Erziehung, angemessenem Wohnraum und gesunder
Ernährung hat. Dabei geht es besonders um die Kinder, die heute schlechte Chancen haben. Wir
wollen uns dafür einsetzen, dass die Kindergarantie europaweit mit konkreten Maßnahmen
realisiert wird.
Bei der Umsetzung der Kindergarantie in Deutschland binden wir auch die Zivilgesellschaft
sowie Kinder und Jugendliche aktiv ein.
Mit der Kindergrundsicherung hat die Bundesregierung auf unsere Initiative in Deutschland
ein zentrales Instrument im Kampf gegen Kinderarmut auf den Weg gebracht. Sie ist ein
notwendiger Schritt dahin, dass es armutsgefährdeten Kindern besser geht, Armut nicht mehr
versteckt wird und Eltern sorgen- und angstfreier leben können, weil sie und ihre Kinder
abgesichert werden. Wir setzen uns dafür ein, dass der Wandel weg von einer Holschuld der
Eltern, hin zu einer Bringschuld des Staates europaweit Einzug hält. Um stärker voneinander
zu lernen, fördern wir den europaweiten Austausch darüber, wie Familien besser unterstützt
und ein gutes Aufwachsen aller Kinder in Europa sichergestellt werden kann.
Kinderrechte stärken
Kinder haben eigenständige Rechte. Sie haben ein Recht auf Beteiligung und bedürfen unseres
besonderen Schutzes und unserer Fürsorge. Das Kindeswohl ist bei allen Angelegenheiten, die
Kinder betreffen, vorrangig zu berücksichtigen Besonderes Augenmerk muss auf dem Schutz der
Kinder vor Gewalt und Vernachlässigung liegen. Die EU-Kinderrechtsstrategie wollen wir
weiterentwickeln und konsequent umsetzen. Wir wollen europäische Forschungs- und
Praxisprojekte im Bereich des Kinderschutzes und der Kinderrechte fördern, um nationale
Erfahrungen, Praktiken und Modelle für die Weiterentwicklung des Kinderschutzes überall
nutzbar zu machen.
Soziale Mindeststandards verankern
Über 95 Mio. Menschen in der EU sind von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Hohe
Lebenshaltungskosten haben die soziale Lage der Menschen zum Teil existenziell verschärft.
Wir wollen, dass sich alle Menschen in Europa auf starke Sozialsysteme verlassen können, die
sie vor Armut schützen. Dafür brauchen die Sozialstaaten der Mitgliedsländer verbindliche
Mindeststandards.
Wir wollen die bisherige europäische Empfehlung für angemessene Mindestsicherungssysteme zu
einer verbindlichen Richtlinie weiterentwickeln und die darin festgelegten Standards mit
einem individuellen Anspruch auf soziale Rechte für Betroffene in den Mitgliedstaaten
verbinden. In diesem Zuge sollen alle Mitgliedstaaten ihre Sozialsysteme stufenweise gemäß
ihrem jeweiligen Wohlstandsniveau armutsfest ausgestalten, nachhaltige Integration in gute
Arbeit fördern und die soziale Infrastruktur ausbauen. Das bedeutet auch für Deutschland
Rückenwind für einen starken Sozialstaat und mehr soziale Gerechtigkeit.
Soziale Sicherung krisenfest machen
Der Sozialstaat muss sich gerade in Krisenzeiten bewähren. Eine bessere Vorsorge gegen
wirtschaftliche und soziale Folgen externer Schocks muss daher eine zentrale Lehre aus den
Krisen der letzten Jahre sein. Die gerechte Beteiligung aller Bürger*innen leitet dazu einen
wichtigen Beitrag. Die Sozialsysteme der Mitgliedstaaten müssen krisenfest gemacht werden
und in Notlagen schnellen und wirksamen Schutz für die Menschen ermöglichen. Krisenbedingte
Massenarbeitslosigkeit mit hohen sozialen Folgekosten und Härten aber überfordert viele
Mitgliedstaaten der EU. Ihre Folgen destabilisieren die ganze EU. Mit dem europäischen
Kriseninstrument SURE wurden den Mitgliedstaaten während der Coronapandemie finanzielle
Darlehen und Garantien bereitgestellt, um Arbeitsplätze durch den Einsatz von
Kurzarbeitergeld zu retten – ein großer Erfolg. Mit dem Instrument konnten allein im Jahr
2020 in Europa schätzungsweise 1,5 Millionen Jobs gerettet werden. Aufbauend auf dieser
Erfahrung wollen wir mit einer Arbeitslosenrückversicherung für die Mitgliedstaaten ein
dauerhaftes Kriseninstrument schaffen, das die nationalen Arbeitslosenversicherungen – und
damit die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt – in schweren ökonomischen Ausnahmesituationen
durch kreditbasierte Soforthilfen stabilisiert und Arbeitsplätze sichert.
Junge Erwachsene brauchen in Zeiten multipler Krisen Perspektiven, die Mut machen und ein
System, das sie im Notfall auffängt. Daher nehmen wir die europäische Jugendarbeitslosigkeit
weiter in den Blick. Die europäische Jugendgarantie ist ein Weg um jungen Menschen
berufliche Perspektiven zu eröffnen und als Fachkräfte in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Wir begrüßen die Stärkung im Rahmen der Coronapandemie und setzen uns weiter für eine
Verstetigung ein. Insbesondere die Standards der Ausbildungs- und Qualifizierungsangebote
wollen wir weiterentwickeln. Mit guter Beratung und Qualifizierung bekommt jeder junge
Erwachsene in Europa die Chance einen Beruf zu erlernen.
Wohnen bezahlbar machen
Wohnen ist eine der zentralen sozialen Fragen unserer Zeit. Für uns ist Wohnen ein
Grundrecht und muss als Teil der Daseinsvorsorge abgesichert sein. Wir wollen gesicherte
Wohnverhältnisse für alle Menschen. Besonders in den Städten ist bezahlbarer Wohnraum knapp,
vielerorts steigende Mieten und ein rückläufiger Bestand an Sozialwohnungen belasten
Mieter*innen bis in die Mitte der Gesellschaft und führen zu Verdrängung und Unsicherheit.
In den europäischen Großstädten wird besonders viel Wohnfläche für Kurzzeitvermietung
beansprucht und so dem Mietmarkt entzogen. Steigende Mieten dürfen soziale Ungleichheit und
Armutsriskien, beispielsweise für ältere Menschen, nicht weiter verschärfen. Wir wollen,
beispielsweise mit Sanierungen im Bestand und Innenverdichtung, nachhaltigem Bauen, einer
Fachkräfteoffensive und verbesserten Investitionen über die Europäische Investitionsbank
(EIB), schnell mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen und steigende Mieten begrenzen. Mit
zusätzlichem barrierefreien und behindertengerechtem Wohnraum bekämpfen wir die Wohnungsnot.
Investor*innen, die europaweit im erheblichen Umfang städtische Wohnimmobilien und
wertvollen Baugrund aufkaufen, treiben vielerorts Immobilien- und Mietpreise in die Höhe.
Die europaweite Konzentration auf wenige Investor*innen auf dem Wohnungsmarkt schadet dem
Wettbewerb und den Menschen. Wir setzen uns für transparente Geschäftspraktiken ein. Wir
stellen die bestehenden europäischen Regelungen auf den Prüfstand, um Mieter*innen in den
Mitgliedstaaten besser vor steigenden Preisen zu schützen und die Qualität unseres Wohnraums
zu sichern. Dazu gehört auch der Schutz von Haushalten vor Indexmietverträgen. Vor dem
Hintergrund der steigenden Lebenshaltungskosten wollen wir bestehende Indexmieten deckeln
und neue beschränken.
Wir wollen die Bodenwende in Europa einleiten. Wir setzen uns dafür ein, dass die knappe
Ressource Boden in der EU vor Spekulationen geschützt wird. Wir begrüßen langfristige Miet-
und Pachtmodelle durch die öffentliche Hand, statt kurzfristiger Verkäufe. den Boden- und
Immobilienmarkt wollen wir stärker in das EU-Wettbewerbsrecht integrieren. Die Bewertung von
Immobilien und Grund und Boden wollen wir europaweit gemeinwohlorientiert gestalten. Dafür
wollen wir auch eine Änderung internationaler Rechnungslegungsstandards angehen, damit auch
branchenübergreifend eine Integration von CO2 sowie weiterer sozial-ökologischer Werte in
die Finanzbewertung mit aufgenommen werden kann.
Obdach- und Wohnungslosigkeit verletzt die Menschenwürde und gehört zu den extremsten
Ausprägungen von Armut. Die EU hat sich das ambitionierte Ziel gesetzt, Wohnungslosigkeit
bis 2030 zu beenden und eine Europäische Plattform zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit ins
Leben gerufen. Deren Maßnahmen wollen wir schnell umsetzen. Der Dialog zwischen den
Mitgliedstaaten muss weiter gestärkt werden.,Dabei soll die Möglichkeit voneinander zu
lernen und bewährte Konzepte wie Housing First oder Soziale Wohnraumagenturen flächendeckend
zu adaptieren, gestärkt werden. Wir setzen uns im Sinne der betroffenen Menschen für
effektivere Prävention, ausreichend Wohnraum sowie individuellere, menschenwürdigere und
unbürokratischere Angebote ein. Diese sollen auch Menschen mit psychischen Krankheiten und
Suchterkankungen besser versorgen. Die europäischen Fördermittel für entsprechende Vorhaben
und Projekte wollen wir ausweiten .
2. Starke Regionen
Kommunen stärken
Die Stärke und Attraktivität der EU liegt auch in der Vielfalt ihrer Regionen und Kommunen.
Sie sind das Fundament der EU. Hier leben, lernen und arbeiten die Menschen. Starke Kommunen
florieren in einem starken Europa, das kommunalen Bedürfnissen und der kommunalen
Gestaltungsfreiheit eine besondere Bedeutung beimisst. Das Subsidiaritätsprinzip – also
Entscheidungen möglichst bürgernah zu treffen – ist die Grundlage für ein Europa, das
schützt und ermöglicht. Dieses Prinzip wollen wir stärken und die Handlungsfähigkeit vor Ort
durch ausreichende Ressourcen sichern.
Dazu gehört auch, dass die EU mit ihren Möglichkeiten da unterstützend wirken soll, wo
Kommunen an ihre Grenzen stoßen. In den Kommunen Europas findet das Alltagsleben der
Bürger*innen statt. Hier wird gewohnt und gearbeitet, werden Kinder betreut und das Ehrenamt
gepflegt, hier kommen in Menschen in Kinos, Restaurants, Parks oder Sportstätten zusammen.
Kommunen bieten die Basis unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens und mit einer
funktionierenden Grundversorgung auch attraktive Standorte für Unternehmen und
Arbeitnehmer*innen aus ganz Europa. Die Umsetzung der Wettbewerbsregeln darf nicht dazu
führen, dass Kommunen zur Privatisierung öffentlicher Güter gezwungen oder in ihrer
kommunalen Planungshoheit beschränkt werden. Es braucht deshalb ein gutes Vergabe- und
Konzessionsrecht, das soziale und ökologische Kriterien in den Mittelpunkt stellt – und
dabei die Entscheidungen der öffentlichen Hand stärkt. Es fördert die Rechtssicherheit und
ermöglicht Kommunen, sich für qualitativ hochwertige regionale Angebote zu entscheiden. So
können Kommunen selbst die Wertschöpfung aus öffentlicher Infrastruktur stärken. Außerdem
soll es ihnen möglich bleiben, die räumliche Nutzung zu steuern und zu begrenzen, um eine
wohnungsnahe Versorgung zu gewährleisten. Indem wir in der EU die Rekommunalisierung
vergangener Privatisierungen ermöglichen, sorgen wir für neue Entscheidungsspielräume vor
Ort und eine zuverlässige Daseinsvorsorge. Wir unterstützten die Kommunen weiter dabei,
diesen Weg zu gehen. Eine EU, die die kommunalen Gestaltungsspielräume verteidigt und
ausbaut, sichert Lebensqualität und sozialen Zusammenhalt.
Insbesondere der Zugang zu sauberem und günstigem Trinkwasser ist eine existenzielle
Grundlage für ein gesundes Leben. Europa garantiert durch den Erfolg der Bürgerinitiative
Right2Water die weltweit höchsten Standards für Trinkwasser. Die Versorgung mit Trinkwasser
soll weiterhin in kommunaler Hand bleiben und nicht nach rein marktwirtschaftlichen
Interessen bestimmt werden. Wir verteidigen daher die Ausnahme der Wasserversorgung aus der
Konzessionsrichtlinie und schützen das Recht auf Trinkwasser in der EU.
Europa muss vor Ort gelebt werden. Kommunen, Regionen, Unternehmen und die Zivilgesellschaft
brauchen mehr Mitspracherecht bei der Gestaltung europäischer Politik. Deshalb wollen wir
den Europäischen Ausschuss der Regionen und den Europäischen Wirtschafts- und
Sozialausschuss stärken. Die grenzüberschreitende europäische Zusammenarbeit wie die
Städtepartnerschaften oder Initiativen zur Stärkung der grenzüberschreitenden regionalen
Wettbewerbsfähigkeit und Konnektivität (INTERREG-Programme) stärken die Kommunen und
Regionen, genauso wie Wissenstransfer- und Netzwerkprogramme (z.B.Climate ADAPT). Diese
Programme wollen wir stärken. Die Ebene der europäischen Regionen (Euregios und
Eurodistrikte) soll entbürokratisiert und flexibler gestaltet werden. Sie tragen mit
grenzüberschreitenden Programmen wie etwa einer Beratung für Grenzpendler*innen, der
Zusammenarbeit der Handwerkskammern oder der gemeinsamen Raumentwicklung maßgeblich und nah
am Alltag der Bürger*innen zum Gelingen der Europäischen Union bei.
Wir setzen uns dafür ein, den Alltag von Grenzpendler*innen und binationalen Familien durch
Bürokratieabbau und Harmonisierung von Behördendienstleistungen und -prozessen zu
vereinfachen.
Zusammenhalt vor Ort fördern
Der Erfolg des Green Deal und der Zusammenhalt der EU entscheiden sich vor Ort: anhand
konkreter Projekte in den europäischen Regionen. Dort liegt wichtige Expertise zur
Gestaltung des Wandels vor Ort. Eine effiziente Förderpolitik in der EU bezieht die Menschen
vor Ort mit ein und ist an den Chancen und Herausforderungen des digitalen und ökologischen
Wandels ausgerichtet. Wir stellen dabei die wirtschaftliche und soziale Annäherung der
Regionen in Europa in den Vordergrund. Der Umfang der Fonds und Förderprogramme soll sich in
seiner Größe an den Herausforderungen orientieren.
Europäische Regionen sind bislang unterschiedlich stark auf diese Herausforderungen
vorbereitet. Das gilt sowohl innerhalb als auch zwischen den europäischen Mitgliedstaaten.
Eine konsistente und an klaren Kriterien ausgerichtete Förderpolitik wird bei der
Bewältigung dieser Herausforderungen zu Antrieb und Kompass zugleich. Strukturschwache und
ländliche Regionen, sowie Regionen mit industrieller Prägung und
Modernisierungsherausforderungen, wollen wir bei der Auszahlung in den Mittelpunkt stellen,
um gleichwertige Lebensverhältnisse für alle Menschen zu schaffen.
Gerade in strukturschwachen Regionen stellt der demografische Wandel eine große
Herausforderung dar. Die Abwanderung von Fachkräften, insbesondere jungen Menschen und
Frauen, führt diese Regionen in eine Spirale der Perspektivlosigkeit. Dem muss die EU mit
einer besseren Förderung von strukturschwache Regionen entgegenwirken. So stärken wir die
Gestalter*innen der Zukunft vor Ort und schaffen gute Perspektiven für die Regionen.
Große Herausforderungen brauchen eine große Kraftanstrengung und gleichzeitig Effizienz und
Zielgenauigkeit im Einsatz der Mittel. Das stellen wir sicher, indem wir die Fördermittel an
Kriterien im Sinne des europäischen Green Deal ausrichten. Der Europäische Sozialfonds
(ESF+) spielt dabei eine bedeutende Rolle. Durch ihn werden auch bei uns zahlreiche
Gründer*innen, Angestellte und Arbeitsuchende beraten, unterstützt und lebenslang weiter
gebildet. Die Förderung langfristiger Projekte soll nicht durch Verzögerungen in den
Beratungen der EU aufgehalten werden. Wir statten den ESF+ mit ausreichend Mitteln aus, um
über ihn unter anderem aktive Beschäftigungspolitik und verstärkt soziale Teilhabe zu
fördern. Dabei setzen wir uns dafür ein, dass die Mittelverwaltung vereinfacht wird, die
Bedingungen guter Arbeit eine große Rolle spielen und die Mittel zu Treibern für eine
gerechte EU werden. Durch ein starkes Bekenntnis zu Tarifen, einen guten Arbeits- und
Gesundheitsschutz und vielfältige Möglichkeiten, Aus- und Weiterbildungen wahrzunehmen,
werden attraktive Arbeitsplätze für die geförderten Regionen zum Standortvorteil.
Europäische Fördermittel bieten eine große Chance, innovative Projekte zu entwickeln. Die
Programme sind jedoch oftmals nicht ausreichend in der Breite bekannt und die Beantragung
der Mittel und die Umsetzung der Förderungen sind oft zu kompliziert. Das reduziert die Zahl
der Anträge und manche guten Projekte und Ideen werden nicht verwirklicht. Das ändern wir,
indem wir uns dafür einsetzen, den Zugang zu Fördermitteln zu vereinfachen, die Bekanntheit
zu steigern und die Umsetzung von Projekten zu beschleunigen. Zur Vereinfachung der
Strukturen prüfen wir das derzeitige System von Einzelfonds. Um bürokratische Hürden
abzubauen, wollen wir unter anderem mehr Pauschalen und Fördermöglichkeiten einführen, die
ehrenamtliche Antragsteller*innen nach Projektbewilligung von der Vorfinanzierung befreien.
Bürokratieabbau schafft so mehr Effizienz.
Jede wichtige Veränderung braucht die Beteiligung der Bürger*innen und der Zivilgesellschaft
vor Ort. Eine Politik des Gehörtwerdens nutzt die lokale Expertise und schafft gegenseitiges
Verständnis. Dieses Wissen kann durch die Partnerschaft für Bürgerbeteiligung
(Partnerschaftsprinzip) einfließen. Mechanismen wie Bürgerdialoge, öffentliche Beratungen
oder Foren sollen Teil der Prozesse zur Mittelvergabe in allen Mitgliedstaaten sein.
Digitale und hybride Formate sollen dabei eine familiengerechte Teilnahme ermöglichen. So
sichern wir Mitbestimmung und demokratisieren die Förderpolitik der EU.
Chancen in ländlichen Räumen nutzen
Ländliche Räume sind Zukunfts- und Chancenräume. Ihre Entwicklung ist für uns ein zenrales
Ziel. Sie entscheidet erheblich über den Zusammenhalt in der EU. Die Verkehrswende kann die
ländlichen Räume näher zusammenbringen.
Die Energiewende kann neue Wertschöpfung und finanziell gestärkte Kommunen schaffen.
Coworking-Spaces können Ortskerne wiederbleben. Auch die ländlich geprägten Außenbezirke der
Städte nehmen wir mit ihrem erheblichen Entwicklungspotential in den Blick. Die Menschen vor
Ort sollen mitentscheiden und davon profitieren können. Dazu brauchen sie eine verlässliche
Daseinsvorsorge und Orte, an denen sie sich begegnen und austauschen können. Wir wollen die
Daseinsvorsorge stärken, indem wir Bürgergenossenschaften und multifunktionale Einrichtungen
unterstützen, die beispielsweise generationenübergreifende Projekte mit Jugendlichen und
älteren Menschen durchführen. Um das zu erreichen, wollen wir Förderansätze wie LEADER zur
Unterstützung ländlicher Regionen und den Multifondsansatz in der Strukturpolitik weiter
stärken. Die Förderung des ländlichen Raums über den Europäischen Landwirtschaftsfonds für
die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) soll mit den sogenannten Kohäsionsmitteln besser
verzahnt und ausgebaut werden und so besser zur Strukturentwicklung der ländlichen Räume
beitragen.
Energie wird wieder zunehmend auf dem Land erzeugt, das schafft hier zusätzliche
Wertschöpfung. Dazu soll sie dezentral ins Stromnetz eingespeist und genutzt werden. Die
notwendigen Flächen wollen wir sichern, aber den Flächenverbrauch dabei minimieren und
konsequent Mehrfachnutzen mitdenken, beispielsweise über Agri-Photovoltaik-Anlagen,
Biodiversitäts-Photovoltaik oder mehr erneuerbare Stromerzeugung über versiegelten Flächen.
Den Ausbau der Erneuerbaren werden wir weiterhin vorantreiben und die Modernisierung von
Wirtschaft und Gesellschaft durch den gezielten Einsatz von Förderungen so unterstützen,
dass die Menschen vor Ort davon profitieren. Regionale landwirtschaftliche
Wertschöpfungsketten und naturnahe Waldbewirtschaftung sind auch weiterhin wichtige
Wirtschaftsfaktoren und prägend für diese Räume.
Vergaberecht modernisieren
Eine echte Infrastrukturunion, ein starker europäischer Markt und die Umsetzung des Green
Deal in ganz Europa gehen Hand in Hand mit massiven Investitionen in eine sichere Zukunft,
auf nationaler wie europäischer Ebene. Mit einem an sozialen und nachhaltigen Kriterien
ausgerichteten Vergaberecht werden diese Investitionen einmal mehr zum Motor für eine
gerechte und zukunftsfeste EU. Besonders dort, wo wir in eine stabile europäische
Infrastruktur, in effiziente Stromnetze, ein zuverlässiges Bahnnetz oder ein am Menschen
ausgerichtetes Gesundheitssystem investieren, können wir viel bewirken. Die europäische
Infrastrukturunion anzukurbeln, hat positive Effekte auf den europäischen Arbeitsmarkt: Es
entstehen gerade in diesen Sektoren neue Jobs. Diese Jobs sollen auch gute Jobs werden. Ein
starkes Vergaberecht sichert die Zukunft vieler Arbeitnehmer*innen in ganz Europa.
Der Staat ist selbst ein großer wirtschaftlicher Akteur, diesen riesigen Hebel wollen wir
nutzen. Egal ob Dienstleistungen oder Waren: Öffentliche Beschaffungen sollen in der EU
konsequent nachhaltig und gemeinwohlorientiert erfolgen. Daher wollen wir die Richtlinie für
öffentliches Beschaffungswesen modernisieren und auf Nachhaltigkeits- und
Gemeinwohlkriterien ausrichten. Das begünstigt auch die Vergabe an kleine und
mittelständische Unternehmen und stärkt so die regionale Wertschöpfung.
Ein intakter öffentlicher Raum und die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ist die Grundlage
unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens. Wir möchten dass die EU Maßnahmen ergreift, damit
Aufgaben nicht nur ausgeschrieben, sondern auch vergeben werden können. Transparenz,
Entbürokratisierung, Digitalisierung, Beschleunigung und unkomplizierte Verfahren bleiben
unsere Leitlinien. Notwendige Investitionen sollen nicht über Gebühr hinausgezögert werden.
Jedes Unternehmen soll sich einfach und erfolgreich um die Vergabe öffentlicher Aufträge
bewerben können. Geldverschwendung wird durch eine klare Beschaffungspolitik minimiert. Die
einfache Kommunikation der Regeln und eine aktive Unterstützung für kleine und lokale
Anbieter, beispielsweise mit Hinweisen auf die rechtlichen Rahmenbedingungen, sorgen dabei
für Gerechtigkeit. Die Vergabe öffentlicher Aufträge wird so zum Wettbewerb um die besten
Konditionen.
3. Eine verlässliche Gesundheitsversorgung
Gesundheitskrisen europäisch bewältigen
Wir wollen ein Europa, das gemeinsam die Gesundheit aller Menschen schützt und fördert.
Die Coronapandemie hat einmal mehr gezeigt, dass die großen Herausforderungen für unsere
Gesundheit keine nationalen Grenzen kennen. Sie hat uns auch gezeigt, dass wir ihnen
gemeinsam besser begegnen können. Die schnelle Entwicklung und Verfügbarkeit der
Coronaimpfstoffe zum Beispiel war auch ein europäischer Erfolg, der durch langjährige
Forschung, innovative Unternehmen und grenzüberschreitende Zusammenarbeit zustande gekommen
ist. Die EU hat in der Pandemie die gemeinsame Beschaffung von Schutzausrüstungen und
Impfstoffen vorangetrieben, gemeinsame Forschungstätigkeit gestärkt, bei Grenzschließungen
Freizügigkeiten und Warenlieferungen koordiniert sowie ökonomische Notsituationen
abgefedert. Auch die Kompetenzen des Europäischen Zentrums für die Prävention und die
Kontrolle von Krankheiten (ECDC) wurden erweitert, um den Austausch mit und zwischen den
Mitgliedstaaten zu stärken sowie Gesundheitskrisen früher zu erkennen und zu bewältigen.
Um grenzüberschreitende Gesundheitskrisen besser zu bewältigen und die Krisenvorsorge zu
stärken, wollen wir noch enger auf europäischer und globaler Ebene zusammenarbeiten. Die EU
hat hier eine wichtige Rolle, um nationale Maßnahmen zu unterstützen und zu ergänzen. Sie
kann auch global einen wichtigen Einfluss ausüben. Auf internationaler Ebene setzen wir uns
dafür ein, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und multilaterale Gesundheitsinitiativen
politisch, finanziell und personell zu stärken, die Innovationskraft der europäischen
Gesundheitsforschung stärker zu fördern sowie den globalen Zugang zu bezahlbaren
Medikamenten und Gesundheitsdienstleistungen für alle Menschen zu verbessern.
Das ist eine Frage der Solidarität, denn Gesundheitskrisen treffen die Ärmsten häufig am
stärksten. Es liegt aber auch in unserem Eigeninteresse, denn Pandemien sind globale
Herausforderungen. Wir setzen uns für einen aktiven Technologie- und Wissenstransfer
bezüglich der Herstellung entscheidender Arzneimittel ein. Monopole auf geistiges Eigentum
zur Bekämpfung von Krankheiten dürfen den Zugang zu überlebenswichtigen Schutzmaterialien,
Gesundheitstechnologien, Impfstoffen und Medikamenten nicht verhindern. Wo freiwillige
Produktionspartnerschaften nicht ausreichen, unterstützen wir in Gesundheitskrisen und
Pandemiesituationen Anträge auf Erteilung von verpflichtenden Lizenzen gegen Entschädigungen
für diese Güter und bringen uns in diesen Kontexten bei der WTO für temporäre Aussetzungen
von Patenten ein.
Unser Ziel ist, dass alle EU-Bürger*innen krankenversichert sind. Daher wollen wir eine
bessere Koordination sozialer Sicherungssysteme in Europa einschließlich direkter
Abrechnungsmöglichkeiten zwischen den Krankenversicherungsträgern.
Prävention stärken
Wir stellen Prävention und Gesundheitsförderung in den Mittelpunkt unserer
Gesundheitspolitik. Denn so können wir verhindern, dass Krankheiten überhaupt erst
entstehen. Gute Strukturen der Vorsorge, bessere Aufklärung über Krankheitsrisiken und ein
gesunder Lebensstil sind wichtige Bausteine für mehr Lebensqualität und eine höhere
Lebenserwartung. So können wir auch Krankheiten, wie Adipositas, Diabetes mellitus und Herz-
Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen. Um es für die Verbraucher*innen leichter zu machen, sich
gesund zu ernähren, wollen wir für verlässliche Informationen über Inhaltsstoffe in
Lebensmitteln sorgen. Wir wollen die Entstehung von tabak- und alkoholassoziierten
Krankheiten bestmöglich verhindern. Dafür braucht es stärkere Bemühungen zur Reduzierung
riskanter Formen des Alkoholkonsums und des Tabakgebrauches etwa durch eine Reduzierung des
Nikotingehalts in Tabak- und Nikotinprodukten. Wir bekennen uns zu den Zielen des
Europäischen Plans zur Krebsbekämpfung. Demzufolge soll unter anderem der Anteil der
Raucher*innen an der EU-Gesamtbevölkerung bis 2040 unter 5% fallen. Lücken, die bei Werbung
z.B. auf sozialen Plattformen und insbesondere im Bereich des Sponsorings, noch bestehen,
sind jetzt EU-weit zu schließen. Der Jugendschutz gebietet es auch, für Alkohol, Glücksspiel
sowie Sportwetten Werbeeinschränkungen voranzutreiben.
Um künftigen Gesundheitskrisen besser begegnen zu können, wollen wir neben der Erforschung
von Krankheitsursachen und neuen Behandlungsmethoden auch die präventive
Gesundheitsforschung stärken.
Die EU soll darauf hinwirken, die globale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Zulassung und
Überwachung von Arzneimitteln zu vertiefen.
Lehren aus der Pandemie ziehen
Auch wenn mit den Ausgangsbeschränkungen oder der Maskenpflicht die sichtbarsten Zeichen der
Coronapandemie verschwunden sind, leiden noch immer viele Menschen unter den Folgen einer
Covid-19-Infektion (Long-/Post-Covid) und etliche an den deutlich seltener auftretenden
Folgen einer Covid-19-Impfung (Post-Vac). Deshalb wollen wir auf europäischer Ebene die
Forschung zu Infektionskrankheiten, wie Covid-19 und deren Folgekrankheiten (z. B.
Herzmuskelentzündungen oder ME/CFS) intensivieren und Forschungsgelder dafür zur Verfügung
stellen. Zudem braucht es dazu mehr europäischen Austausch, beispielsweise durch ein EU-
Sachverständigennetzwerk. Prävention steht im Zentrum unseres Handelns. Insbesondere für
Menschen mir Erkrankungen und für Schattenfamilien ist das ein wichtiger Baustein zur
gleichberechtigten gesellschaftliche Teilhabe. Dazu gehört auch, dass gesunde Luft in
Innenräumen eine Selbstverständlichkeit wird.
Pandemien treffen nicht alle gleich. Einkommensarme Menschen und prekär Beschäftigte sowie
Menschen in großen Einrichtungen sind deutlich häufiger von Covid-19 betroffen. Diese
Gruppen müssen bei der nächsten Pandemie verstärkt in den Blick genommen werden.
Covid-19 ist – neben beispielsweise Aids oder Ebola – ein weiterer Fall einer sogenannten
Zoonose, also einer Krankheit, die von Tieren auf den Menschen übertragen wurde. Damit
unterstreicht die Coronapandemie einmal mehr, dass die menschliche Gesundheit nicht isoliert
betrachtet werden sollte, sondern in engem Zusammenhang mit der Umwelt und der
Tiergesundheit steht. Deshalb sind der Planetary-Health und der One-Health-Ansatz Leitbilder
für unsere Gesundheitspolitik: Ausreichend Raum für Tiere und Natur sowie eine Reduzierung
industriell gehaltener Tierbestände helfen im Kampf gegen Zoonosen; weniger Antibiotika in
der Massentierhaltung führt zu weniger Antibiotikaresistenzen; saubere Luft und weniger
Giftstoffe in der Umwelt retten Menschenleben.
Wir brauchen insbesondere ein wirksames europäisches Frühwarnsystem gegen Pandemien, um
gefährliche Erreger frühzeitig erkennen zu können und Informationen darüber transparent zur
Verfügung zu stellen. Gleichzeitig sind Pandemie-Szenarien regelmäßig zu üben, vor allem
damit der rasche Aufbau einer Krisen- und Notfallorganisation gewährleistet ist.
Mentale Gesundheit in den Fokus nehmen
Krieg, Inflation, Klimakrise, Pandemie – die vergangenen Jahre waren unruhig, konfliktreich
und geprägt von Krisen und Umbrüchen, die an niemandem spurlos vorbeigegangen sind. Diese
Zeit ist für viele Menschen auch eine seelische Belastung. Gerade auch bei vielen jungen
Menschen haben sich psychische Probleme verschärft. Wir setzen uns dafür ein, dass die
seelische Gesundheit die nötige Aufmerksamkeit zuteil wird und Betroffene nicht länger unter
der Stigmatisierung leiden müssen. Das wollen wir auch mit Unterstützung aus Europa
erreichen. Wir setzen uns sowohl für eine verbesserte europaweite Prävention ein als auch
dafür, die bisherigen Ansätze um die psychische Gesundheit zu verbessern und Erkrankungen
besser zu behandeln. Um die Patientensicherheit zu gewährleisten, braucht es europaweit
vergleichbare gesetzliche Regelungen und geschützte Berufsbezeichnungen zum Beispiel für
Künstlerische Therapien. Die Forschung zu kreativen Therapieansätzen unterstützen wir.
Wir treten für eine Vernetzung von Expert*innen in Europa ein und wollen zusammen mit den
Mitgliedstaaten umfassende Lösungsstrategien entwickeln, , auch um eine gemeindenahe,
menschenrechtsbasierte Versorgung weiter zu stärken, die Versorgungssicherheit zu erhöhen
und Zwangsmaßnahmen zu vermeiden. Da die Ursachen für mentale Gesundheitsprobleme vielfältig
sind, müssen wir sie auch auf allen Ebenen angehen. Darum setzen wir uns dafür ein, dass die
Auswirkungen auf die mentale Gesundheit übergreifend in allen relevanten Politikfeldern
mitgedacht werden. Das gilt auch für die Auswirkungen von psychischen Erkrankungen und
Neurodiversität. Dafür braucht es ein größeres Problembewusstsein in der EU und ihren
Institutionen. Wir begrüßen in dieser Hinsicht die Strategie der EU-Kommission für
psychische Gesundheit und setzen uns für eine möglichst rasche und umfassende Umsetzung ein.
Auch Einsamkeit erfahren immer mehr Menschen in Europa. Das ist für die Betroffenen häufig
ein sehr belastender Zustand. Gerade auch ältere Menschen sind davon betroffen. Die Pandemie
hat die Situation für viele Menschen diesbezüglich weiter verschärft. Wir setzen uns mit
unserer Politik für mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt, Inklusion, Teilhabe und
Integration ein.
Arzneimittelversorgung sicherstellen
Die Herausforderungen für die europäischen Gesundheitssysteme sind immens: alternde
Gesellschaften, eine steigende Zahl chronischer Erkrankungen und Epidemien. Die
Coronapandemie hat zudem deutlich gemacht, dass die EU bei Arzneimitteln und ihren
Wirkstoffen zu stark von Herstellern mit unzuverlässigen Lieferketten abhängig ist – und
damit häufig auch eine Produktion unter schlechten Arbeitsbedingungen und schlechten
Umweltstandards in Kauf nimmt. Dabei leiden vulnerable Gruppen besonders unter
Arzneimittelknappheit.
Um die großen Herausforderungen für den Gesundheitsbereich zu adressieren, hat die EU-
Kommission ein Gesetzespaket zur Reform des Pharmasektors vorgelegt. Wir begrüßen die
Vorschläge, die darauf abzielen, Lieferketten zu diversifizieren und nachhaltiger zu machen
sowie Pharmaunternehmen zu verpflichten, Arzneimittelengpässen besser vorzubeugen und diese
früher zu melden. Auch Apotheken tragen zu einer verlässlichen Arzneimittelversorgung bei.
Um Unternehmen zu ermutigen, neue Arzneimittel, Wirkstoffe und Medizinprodukte in Europa zu
entwickeln und zu produzieren, braucht es Anreize und weniger bürokratische Verfahren. Dabei
setzen wir zwei Prioritäten: Zum einen müssen kritische Arzneimittel, die jederzeit
unentbehrlich sind, beispielsweise wichtige Antibiotika, durch krisenfeste Lieferketten
zuverlässig verfügbar sein. Hierzu kann die teilweise Rückverlagerung von Produktion nach
Europa einen Beitrag leisten. Zweitens müssen für bislang vernachlässigte Krankheitsbilder
und angesichts der Entstehung von Therapie-Resistenzen neue Anreize für die Entwicklung
medizinischer Innovationen geschaffen werden, das schließt insbesondere neue
Finanzierungsmodelle wie angepasste Vergütungsmodelle für Reserve-Antibiotika ein. Die
Anreize für Forschung und Entwicklung sowie der Schutz von geistigem Eigentum dürfen nicht
die Bezahlbarkeit von essenziellen Arzneimitteln gefährden und den Markteintritt von
Generika unverhältnismäßig verzögern. Zudem setzen wir uns für geschlechtersensible
Forschung und Medizin ein, damit Wissenslücken über die geschlechtsspezifischen Unterschiede
bei Diagnose und Behandlung geschlossen und berücksichtigt werden. Ebenfalls sollen Studien
im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin intensiviert werden, um sicherzustellen, dass der
Zugang zu sicheren und wirksamen Arzneimitteln verbessert wird. Zugleich muss insbesondere
bei Studien zu neuen Arzneimitteln und Behandlungsmethoden die Vielfalt der Menschen stärker
berücksichtigt werden.
Es ist viel zu undurchsichtig, wie Preise für Arzneimittel festgesetzt werden. Der Mangel an
Transparenz und Rechenschaftspflichten in diesem Bereich führt teilweise zu immensen
Preisanstiegen. Gerade wenn öffentliche Mittel für die Arzneimittelentwicklung eingesetzt
werden, muss das in der Regel mit Transparenz über die Kosten für Forschung und Entwicklung
sowie die Preisgestaltung einhergehen. Außerdem sollten öffentlich unterstützte
Entwicklungsprojekte dafür Sorge tragen, dass resultierende Arzneimittel in Ländern des
Globalen Südens ausreichend zugänglich gemacht werden.
Gesundheitsdaten sicher nutzen
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen hat große Vorteile für die gesundheitliche
Versorgung von Patient*innen und die Forschung. Krankheiten können besser diagnostiziert,
Krankheitsursachen erforscht, unnötige Untersuchungen vermieden und die Behandlung von
Patient*innen zwischen verschiedenen Ärzt*innen und Krankenhäusern grenzüberschreitend in
ganz Europa vereinfacht werden. Der europäische Gesundheitsdatenraum soll deshalb europaweit
den Zugang zu digitalen Patient*innen-Akten ermöglichen.
Wir wollen dabei durch effektiven Datenschutz umfassende IT-Sicherheit und einen
persönlichen Zugang zu den Daten, die über sie gespeichert sind, die Rechte der
Patient*innen stärken. Das ist grundlegend für das Vertrauen der Menschen in die
Verarbeitung von Gesundheitsdaten. Dabei können eine grundsätzliche Transparenz bei der
Datenverwaltung und technische Lösungen wie ein digitaler Einwilligungsassistent
unterstützen. Denn die Informationen zur eigenen Gesundheit gehören zu den sensibelsten und
persönlichsten Daten überhaupt.
Um das Innovationspotential für eine bessere Gesundheitsversorgung zu heben und gleichzeitig
keine Daten gegen den Willen der Patient*innen weiterzugeben, setzen wir bei
pseudonymisierten Gesundheitsdaten auf die Möglichkeit des Widerspruchs (Opt-Out) und den
Fokus auf gute Datenqualität. Damit wollen wir die Datenverfügbarkeit für
gemeinwohldienliche Forschung erhöhen und öffentlichen Stellen in Notsituationen bessere
Einschätzungsmöglichkeiten an die Hand geben. Dies stellt einen wichtigen Paradigmenwechsel
in der Gesundheitsdatennutzung dar, den wir gestalten wollen. Der Zugang zu größeren
Datenmengen und deren Analyse fördert Innovationspotenzial und kann damit die Versorgung der
Patient*innen verbessern. Eine Rückverfolgbarkeit der Daten soll so weit wie möglich
ausgeschlossen und Verstöße dagegen strafrechtlich verfolgt werden. Umfassender Schutz vor
Diskriminierung für alle und besonders die Bedürfnisse vulnerabler Gruppen müssen umfassend
berücksichtigt werden.
Grundlegend für den Erfolg der Digitalisierung im Gesundheitswesen sind einheitliche
Datenformate und Schnittstellen, um eine Zusammenführung von Daten und eine
grenzüberschreitende Nutzung in Europa zu ermöglichen. Daher wollen wir die Entwicklung und
verpflichtende Nutzung von international gebräuchlichen Datenstandards und interoperablen
Schnittstellen durch die Softwaresysteme von Beginn an sicherstellen.
Antibiotikaresistenzen eindämmen
Antibiotika können Menschenleben retten Das soll auch in Zukunft gewährleistet sein. Daher
müssen Maßnahmen ergriffen werden, um ihre Wirksamkeit dauerhaft zu garantieren. Durch einen
verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika wollen wir die Entstehung und Verbreitung
multiresistenter Keime verhindern. Denn diese sind eine der größten gesundheitlichen
Herausforderungen der Menschheit. Besonders bei Menschen mit schwachen Immunsystemen wie
Älteren, Kindern oder Menschen mit Vorerkrankungen führen sie jedes Jahr zu Hunderttausenden
Todesfällen weltweit. Darum ist es wichtig, dass Antibiotika und hochpotente
Desinfektionsmittel nur dort eingesetzt werden, wo es sie wirklich braucht bzw. wo sie
jeweils geeignet sind.
nur dort eingesetzt werden, wo es sie wirklich braucht. Wir wollen den umsichtigen Einsatz
von Antibiotika in der Human- und Tiermedizin stärken und die Forschung fördern. Zudem
sollten schnelle Diagnosetests, die vor einer Verschreibung überprüfen, ob die Behandlung
mit Antibiotika geboten ist, in ausreichender Menge verfügbar sein.
Wir wollen die EU-Liste für Reserveantibiotika, die für die Humanmedizin vorbehalten bleiben
und nicht in der industriellen Tierhaltung eingesetzt werden dürfen, an den entsprechenden
Kriterien der WHO ausrichten. Außerdem wollen wir den Import von tierischen Produkten
beenden, bei denen in der EU verbotene Antibiotika eingesetzt wurden. Durch Maßnahmen für
bessere Hygiene und Abwasserentsorgung wollen wir den Eintrag von Antibiotikarückständen in
die Umwelt verringern. Wir wollen die Entwicklung neuer Antibiotika und wirksamer
alternativer Behandlungsmethoden durch Anreize fördern.
Eine gute Pflege sicherstellen
Ein starkes öffentliches und diskriminierungsfreies Gesundheitswesen und eine
bedarfsgerechte Pflege und Assistenz für ältere, kranke und behinderte Menschen sind
unverzichtbar, um die menschliche Würde zu schützen und Selbstbestimmung zu fördern. Der
Mangel an Pflegefachpersonen spitzt sich immer weiter zu, in der EU und auch hier in
Deutschland. Deshalb wollen wir die Attraktivität des Pflegeberufs steigern, die berufliche
Freizügigkeit innerhalb der EU in diesem Bereich erleichtern und die Arbeitsbedingungen des
Pflegepersonals verbessern. Unser Ziel sind einfachere Anerkennungsverfahren für
Studienabschlüsse sowie für Aus- und Weiterbildungen von Pflegefachpersonen innerhalb der EU
und aus dem Ausland. Im Rahmen der EU-Pflegestrategie setzen wir uns für wettbewerbsfähige
Arbeitsbedingungen und Gehälter der professionellen Pflege gegenüber anderen Branchen ein.
Wertschätzung braucht auch Löhne, die sie bezeugen – am besten über gute Tarifverträge.
Zudem braucht es mehr Investitionen in Pflegeeinrichtungen, insbesondere in Wohn- und
Pflegeformen, die ein selbstbestimmtes Leben im Quartier und Lebensumfeld ermöglichen,
Pflegeangebote sowie in die Aus- und Weiterbildung von Pflegefachpersonen. Diese müssen
attraktiver ausgestaltet und durchlässiger in der beruflichen Weiterentwicklung werden.
Auch ein stärkeres Engagement der EU in Forschungs- und Modellprojekten sowie ein Wissens-
und Erfahrungstransfer zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Gesundheits- und
Pflegeeinrichtungen der Mitgliedstaaten wollen wir fördern.
Um die Situation der Pflegekräfte in der häuslichen Betreuung zu verbessern, fordern wir
eine Überarbeitung der Rechtsvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der
Arbeit, um sicherzustellen, dass auch angestellte Pflegekräfte in privaten Haushalten
einbezogen werden und gute Arbeitsbedingungen haben.
Die Bewältigung des demografischen Wandels ist eine große gesamteuropäische Aufgabe. Es wird
in den nächsten Jahrzehnten eine weitere Zunahme an pflegebedürftige und an Demenz erkrankte
Menschen geben. Unser Ziel ist es, diesen Menschen ein menschenwürdiges, selbstbestimmtes
und aktives Leben zu ermöglichen.
Um mehr Innovationen im Bereich Pflege und Teilhabe voranzutreiben, wollen wir den
europäischen Austausch über neue Ansätze stärken, beispielsweise zu inklusiven Wohn- und
Pflegeformen, quartiersorientierter Unterstützung und persönlicher Assistenz. Auch pflegende
Angehörige und Nahestehende wollen wir besser unterstützen und entlasten. Deshalb setzen wir
uns auf europäischer Ebene dafür ein, dass pflegende Angehörige, in der Mehrzahl sind es
Frauen, gut sozial abgesichert sind und nicht aufgrund von Pflegaufgaben in die Altersarmut
geraten. Ihre in der Pflege erworbenen Fähigkeiten sollen anerkannt werden und der Zugang zu
Weiterbildungsangeboten gefördert werden. Die Vorgaben aus der UN-
Behindertenrechtskonvention wollen wir auch in der Pflege umsetzen
Cannabis europaweit legalisieren
Wir setzen uns auch in Europa für eine zeitgemäße Drogenpolitik ein, die Gesundheit und
Jugendschutz in den Vordergrund stellt und die kriminellen Strukturen hinter dem
Drogenhandel effektiv bekämpft. Auch in Europa brachte der rein repressive Umgang mit Drogen
mehr Leid als Segen, tausende Drogentote und eine wichtige Einnahmequelle für die
organisierte Kriminalität. Es braucht eine an der Wissenschaft und risikobasierten
Betrachtung ausgerichtete Drogenpolitik. An verschiedenen Orten der Welt ist der Wechsel hin
zu einem risikobasierten Umgang mit Cannabis bereits gelungen. Mit der Regulierung von
Cannabis setzen wir auf Vernunft statt Kriminalisierung. Wir streben eine europaweite
Legalisierung und kontrollierte Abgabe von Cannabis an.
Das europäische und internationale Recht setzt aktuell den Mitgliedstaaten im Umgang mit
Cannabis enge Grenzen. Wir wollen es erweitern, so dass jedes Land selbst entscheiden kann.
Gleichzeitig stärken wir Prävention und Jugendschutz.
Die Zunahme problematischen Drogenkonsums, neuer und synthetischer Substanzen und die Folgen
sozialer Verelendung im öffentlichen Raum stellen eine große Herausforderung dar. Sie bergen
Gefahren für Konsument*innen, stellen Behörden vor besondere Herausforderungen und erfordern
soziale Maßnahmen.
Wir müssen wirksamer gegen unsichtbare und sichtbare Abhängigkeitsproblematiken vorgehen.
Daher intensivieren wir, im Sinne des Gesundheitsschutzes, länderübergreifendes
Zusammenarbeiten. Darüber hinaus wollen wir die gesundheitliche Versorgung von Abhängigen
verbessern, eine Abkehr der Repression im Umgang mit Konsument*innen, die Stärkung sozialer
Hilfestrukturen und besseren Zugang zu Therapieplätzen ermöglichen. Auch die Forschung zum
Umgang mit psychoaktiven Substanzen, insbesondere zum medizinischen Nutzen, wollen wir in
europäischen Forschungsverbünden weiter vorantreiben.
4. Bildung und Chancen
Europas Hochschulen besser vernetzen
Der Europäische Hochschulraum trägt dazu bei, die Hochschulausbildung in Europa
vergleichbarer und international wettbewerbsfähiger zu machen und ist für die Förderung von
akademischer Mobilität von unschätzbarem Wert. Europas Hochschulen sind ein wichtiger
Bestandteil des Bildungssystems , ein Ort der Gestaltung der Zukunft, der kritischen
Selbstreflexion der Gesellschaft und der sozialen sowie technologischen Innovationen. Wenn
wir sie vernetzen, können wir ihre vielfältigen Kompetenzen und Profile noch besser für den
ganzen Kontinent nutzen. Wir haben uns deshalb lange für die Gründung und Stärkung von
europäischen Hochschulnetzwerken eingesetzt.
Wir fördern Anwendungen von Künstlicher Intelligenz und Learning Analytics im Bereich Lehre
und Bildung und wollen diese so gestalten, dass Lehrende, Studierende und Schüler*innen
selbstbestimmt und souverän diese neuen Möglichkeiten anwenden können ohne beispielsweise in
digitalen Prüfungen automatisiert überwacht zu werden. Der Zugang zu diesen neuen
Anwendungen muss sozial gerecht und diskriminierungsfrei gestaltet werden.
Im Sinne der Idee eines europäischen Hochschulabschlusses (European Degree) unterstützen wir
die Weiterentwicklung des „European Approach“ im Rahmen des Bologna-Prozesses, um die
Anerkennung gemeinsamer Studiengänge („Joint Programmes“) und gemeinsamer Studienabschlüsse
(„Joint Degrees“) zu erleichtern und Anreize für die Internationalisierung von Studiengängen
zu schaffen.
Egal in welchem Land: Studierende haben selten viel Geld zur Verfügung. Besuche in Museen,
Theatern, aber auch beispielsweise Ausflüge in andere Städte eröffnen neue Horizonte. Viele
dieser Einrichtungen bieten Rabatte für Studierende an. Aber gerade für Studierende aus
anderen Ländern ist es oft schwierig, diese Vergünstigungen mit ihren heimischen
Studierendenausweisen zu erhalten. Die EU hat mit der European Student Card (ESC) und dem
digitalen Studierendenausweis in der Erasmus+-App bereits erste Schritte für einen
europäischen Studierendenausweis unternommen, aber nur für einen sehr begrenzten
Personenkreis. Wir wollen, dass alle Studierenden an europäischen Universitäten und
Hochschulen einen (digitalen) europäischen Studierendenausweis bekommen können.
Berufsabschlüsse europaweit anerkennen
Die Möglichkeit, in jedem europäischen Land zu studieren oder zu arbeiten, eröffnet viele
neue Perspektiven. Wenn es aber konkret wird, wird es oft schwierig: Zwar haben wir mit
Bachelor und Master im Bologna-Prozess ein vergleichbares Abschlusssystem in der EU
geschaffen. Aber es ist kein Automatismus, dass zum Beispiel der Bachelor aus einem Land in
einem anderen Land für ein Masterstudium anerkannt wird. Studierende und Absolvent*innen,
auch in der beruflichen Weiterbildung, müssen in dem jeweiligen Land eine oftmals noch sehr
bürokratische Prozedur durchlaufen. Teils wird dann der heimische Abschluss geringwertiger
eingestuft, teils ist die Anerkennung sehr kostspielig. Darum setzen wir uns dafür ein, dass
berufliche Ausbildungsabschlüsse und Bildungsabschlüsse im Rahmen des Europäischen
Qualifizierungsrahmens einfacher und schneller in jedem Land der EU gelten, statt mühsam
anerkannt werden zu müssen.
Noch schwieriger wird es bei Berufsabschlüssen. Hier ist die Anerkennung oft kompliziert,
langwierig und teuer. In Zeiten des Fachkräftemangels ist das besonders kontraproduktiv. Für
eine Handvoll Berufe können Menschen deshalb den Europäischen Berufsausweis (EBA) in ihrem
Heimatland beantragen. Mit diesem elektronischen Verfahren ist es leichter, sich die
Qualifikation in einem reglementierten Beruf in einem anderen EU-Land anerkennen lassen zu
können. Wir wollen die Anzahl der Berufe, für die der EBA möglich ist, deutlich erweitern.
Wir wollen die Position der Bewerbenden verbessern indem europaweit vergleichbare
Anerkennungsverfahren eingeführt und umfassender Orientierung und Unterstützung durch
mehrsprachige Beratungs- und Informationsangebote angeboten werden.
Politische Bildung gegen Desinformation
Unsere Demokratien und unsere Werte sind stetigen Angriffen autoritärer und
demokratiefeindlicher Strömungen aus dem In- und Ausland ausgesetzt. Ihre Mittel:
Desinformationen, Fake News und Manipulation ihrer Verteilmechanismen, sowie vorsätzliches
Stören und Überfluten digitaler Debattenräume. Sie operieren immer mehr grenzüberschreitend
und versuchen, den Zusammenhalt in der EU und unsere europäischen Werte zu unterminieren.
Ihre Verschwörungsmythen säen Hass und Ausgrenzung. Dem müssen wir stärker und europäisch
koordiniert entgegenwirken. Wir wollen daher eine Europäische Zentrale für politische
Bildung gründen, einen Anlaufpunkt für politische Bildung, der gezielt die europäische
Dimension von Desinformation adressiert. Sie soll sich vor allem an Jugendliche und junge
Erwachsene wenden, zugleich aber allen Bürger*innen als Informationsquelle zur Verfügung
stehen und breite Angebote im digitalen Raum schaffen. Diese Europäische Zentrale für
politische Bildung soll auch den Menschen in den EU-Beitrittskandidatenländern offen stehen.
Sie kann den europäischen Gedanken und komplexe europäische Prozesse zielgruppengerecht
erklären. Diese Zentrale soll zudem die digitale Medienkompetenz der Menschen in Zeiten von
Desinformation und Fake News stärken. Dazu kann sie in der Forschung und Aufklärung auch
eine Vernetzung der europäischen Akteure vorantreiben. Sie soll unabhängig und nach klaren
wissenschaftlichen und ethischen Kriterien arbeiten können. So fördern wir unsere
demokratischen Werte und stärken den Einsatz gegen Diskriminierung.
Mit Erasmus Europa kennenlernen
Erasmus+ ist für viele die erste und oft auch persönlichste Begegnung mit der EU. Über
Erasmus+ wird gelebte europäische Gemeinschaft gefördert und der akademische und berufliche
Austausch ermöglicht.
Im Zentrum des Programms steht der Studierendenaustausch: Wir wollen, dass mehr Menschen
diese Erfahrungen machen können, vor allem aus Familien, denen das Geld für Urlaub oder
Austauschzeit im Ausland fehlt. Das bedeutet, dass wir die finanzielle Förderung für
Auslandsaufenthalte stärken müssen. Wir setzen uns deshalb für einen Ausbau der
Erasmusmittel ein. Für viele ist es ein großer Schritt, von zuhause ins Ausland zu gehen,
und die Aussicht, sich in dieser Zeit keinen Besuch bei der Familie leisten zu können, eine
Hemmschwelle. Deshalb wollen wir ein Mobilitätsticket für Erasmus-Teilnehmer*innen
einführen, das es ihnen zum Beispiel ermöglicht, einmal pro Halbjahr kostenlos zum Wohnort
und zurück zu fahren.
Um Auslandssemester leichter in den Ausbildungsplan zu integrieren, streben wir eine
Harmonisierung der Semesterzeiten an.
Wir wollen, dass sich auch Menschen mit Behinderung für eine wertvolle Erasmus+-Erfahrung
entscheiden können. Deshalb wollen wir die Beratungsangebote (z.B. Informationen zu
nationalen Anlaufstellen für Assistenz) vor und während der Projektdurchführung ausbauen
sowie Informationen barrierefrei zur Verfügung stellen und eine Abdeckung der Mehrkosten
sicherstellen.
Wir wollen, dass sich auch Menschen mit Behinderung für eine wertvolle Erasmus+-Erfahrung
entscheiden können. Deshalb wollen wir die Beratungsangebote ausbauen sowie Informationen
barrierefrei zur Verfügung stellen.
Wir wollen mit dem Vereinigten Königreich Wege finden, wie Menschen auf beiden Seiten nach
dem Brexit wieder vom Austausch profitieren können.
Für viele Studierende ist Erasmus+ ein Begriff. Bei Auszubildenden aber ist das Programm
noch nicht ausreichend bekannt. Das wollen wir ändern. Denn es bietet viele Möglichkeiten,
neue fachliche Kompetenzen zu lernen und neue Erfahrungen zu sammeln. Mit besseren
Informationen, mehr Beratung sowie einfacheren Anträgen und Anerkennungen wollen wir
Erasmus+ für Auszubildende stärken.
Wir wollen durch Unterstützungsangebote für kleine Handwerksbertriebe möglichst vielen
Auszubildenden die Teilnahme am Erasmus+ Programm ermöglichen.
Erasmus+ ist eine der europäischen Erfolgsgeschichten, auch für die Jugendarbeit. Mit Blick
auf die Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen ab 2028 werden wir uns dafür einsetzen,
die Mittel für Erasmus+ zu verdoppeln.
5. Europas Jugend
Jugend beteiligen
Europa lebt durch Gemeinschaft, Begegnungen, Toleranz und Verständnis füreinander. Um dies
zu ermöglichen, spielt europäische und internationale Jugendarbeit eine außerordentliche
Rolle. Sie ermöglicht es jungen Menschen, über den Tellerrand hinauszuschauen und europaweit
Freundschaften zu schließen. Jugendverbände und Jugendgruppen sind Grundlage für die
Gestaltung von Freizeit und Bildung von Millionen Jugendlichen in Europa. In unserer
Zivilgesellschaft muss sichergestellt werden, dass ehrenamtliches Engagement von
Jugendlichen wertgeschätzt wird und Jugendarbeit nicht an bürokratischen Hürden scheitert.
Wir sprechen uns daher für eine Stärkung und Vereinfachung der Projektförderung über
Erasmus+ aus. Insbesondere für junge Menschen in unseren östlichen Nachbarländern, wie Polen
oder Tschechien wollen wir Europa erlebbarer und erfahrbarer machen. Wir wollen die
europäische Jugendarbeit stärken und dabei Osteuropa in den Fokus nehmen.
Viele reden über Jugendliche und ihre Bedürfnisse. Wir wollen, dass sie selbst zu Wort
kommen und ein Mitspracherecht für das Europa haben, in dem sie leben. Sie sind derzeit im
politischen Geschehen massiv unterrepräsentiert. Darum ist es gut, dass jetzt in Deutschland
Jugendliche ab 16 Jahren erstmals bei der Europawahl wählen können. Wir setzen uns dafür
ein, dass dies in allen Mitgliedstaaten und in Deutschland auf allen Ebenen Wirklichkeit
wird.
Auch über das Wahlrecht hinaus wollen wir die Jugendbeteiligung in Europa strukturell weiter
stärken. Über den EU-Jugenddialog hat die Europäische Union einen direkten Kanal für die
Beteiligung junger Menschen und Jugendverbände auf europäischer Ebene geschaffen, dieser
soll weiter gestärkt und bei anderen Beteiligungsformaten integriert werden. Die Ergebnisse
dieser Beratungen sollen zukünftig noch stärker in die Arbeit der EU-Kommission einfließen
und junge Menschen und ihre Interessenvertreter*innen künftig regelmäßig im Europäischen
Parlament angehört werden. Wir unterstützen zudem den EU Youth Check, mit dem die
Auswirkungen von EU-Entscheidungen auf junge Menschen überprüft werden sollen. In der EU-
Jugendstrategie werden die Leitlinien für europäische Jugendpolitik gezogen. Wir wollen
sicherstellen, dass eine Weiterentwicklung der EU-Jugendstrategie die Interessen junger
Menschen in allen Politikbereichen stärkt. Dafür müssen bestehende Beteiligungsformate für
junge Menschen sinnvoll miteinander verknüpft, strukturell abgesichert und ihre Anbindung an
nationale Beteiligungsstrukturen sichergestellt werden.
Wir setzen uns außerdem dafür ein, dass die Stelle der EU-Jugendkoordinatorin aufgewertet
wird.
Freiwilligendienste ausbauen
Eine Gemeinschaft ist so stark wie das Engagement ihrer Mitglieder. Der Zivilgesellschaft
kommt hierbei eine besondere Rolle zu. Gerade das Engagement von jungen Europäer*innen ist
elementar – zum Beispiel für die Flüchtlingshilfe oder, Projekte der Demokratieförderung,
Klimaschutz oder soziale Gerechtigkeit.
Darum wollen wir eine Million Plätze im Europäischen Freiwilligendienst schaffen, gerade
auch für Jugendliche aus Elternhäusern mit niedrigem Einkommen. Für sie müssen wir für
bessere Rahmenbedingungen wie eine wie eine angemessene Aufwandsentschädigung sorgen, damit
Engagement etwas ist, das sich jede und jeder leisten kann. Für die Durchführung von
Freiwilligendiensten braucht es aber auch Vereine, Verbände und Organisationen, die sie
anbieten. Diese wollen wir stärken, denn sie schaffen Orte der Demokratie und des
zivilgesellschaftlichen Engagements.
Mit einem Freiwilligen Ökologischen Jahr (FEÖJ bzw. EYE - European Year for Ecology)
ermöglichen wir jungen Menschen ab 18 Jahren den interkulturellen europäischen Austausch im
Bereich des Naturschutzes und schaffen so die Möglichkeit sich für Europas Natur
einzusetzen. Durch das FEÖJ wollen wir junge Menschen motiviern sich für Jobs im Klima- und
Umweltbereich fit zu machen und zu qualifizieren.
Diese Idee wollen wir nicht nur für Jugendliche anbieten. Wir wollen auch die Erfahrungen,
das Wissen und das Engagement von Senior*innen in ganz Europa fruchtbar machen: Viele von
ihnen haben Kenntnisse, die sie auch im Rentenalter noch einsetzen wollen. Mit einem
europäischen Programm wollen wir den Rahmen bereitstellen, mit dem Senior*innen überall in
der EU an Projekten in Ausbildung, Vermittlung oder Zivilgesellschaft mitarbeiten können.
Europa entdecken
Mit dem DiscoverEU-Programm können 18-Jährige die EU praktisch erleben. Zweimal im Jahr
werden unter jungen Menschen sogenannte TravelPasses verlost, mit denen sie dann in einem
bestimmten Zeitraum 30 Tage lang mit dem Zug durch Europa reisen können. Gemeinsam mit
anderen jungen Menschen aus unterschiedlichen Ländern können sie entdecken, wie vielfältig
Europa ist. Daher unterstützen wir das DiscoverEU-Programm und wollen es zukünftig noch
ausbauen. Unser Ziel ist es, aus vielen parallelen Reisen mehr gemeinsame Erlebnisse zu
schaffen. Wir wollen das Programm bekannter machen, besonders unter jungen Menschen aus
weniger wohlhabenden Elternhäusern. Außerdem wollen wir Anreize dafür setzen, dass Gruppen
aus mehreren europäischen Ländern zusammen verreisen.
6. Für ein altersgerechtes Europa
Das Durchschnittsalter der Menschen in Europa ist das höchste aller Weltregionen, Tendenz
steigend. Wir wollen, dass der demografische Wandel als Herausforderung und als Chance für
uns alle betrachtet wird. Das Wissen, die Lebenserfahrung und die Aktivität der älteren
Bürger*innen Europas können ein wichtiger Faktor für den Zusammenhalt der Gesellschaft sein.
Das beweisen tausende ehrenamtlich engagierte Alte jeden Tag.
Ältere Menschen werden in vielen Lebenszusammenhängen diskriminiert oder ausgegrenzt, dies
ist aber oft nicht sofort als solches erkennbar. Deshalb wollen wir ältere Menschen in ganz
Europa besser vor Diskriminierung am Arbeitsplatz und im Alltag schützen und
Chancengleichheit herstellen. Barrierefreiheit in der Arbeitswelt und im öffentlichen Raum
sind von Bedeutung.
Wir wollen erreichen, dass möglichst viele Kommunen und Regionen in Europa dem globalen
Netzwerk altersfreundlicher Städte und Gemeinden „Age friendly cities and communities“ der
Weltgesundheitsorganisation WHO beitreten. Altersfreundliche Städte und Gemeinden sind
gleichzeitig kinder-, familien- und behindertengerecht.
Ziel des Netzwerks ist unter anderem Menschen zu ermöglichen in ihrem Lebensumfeld gesund,
sicher und unabhängig zu altern. Auch Alten im hohen Alter und bei zunehmenden,
altersbedingten Einschränkungen sollen in den eigenen vier Wänden bleiben können.
Dazu gehören barrierefreie öffentliche Verkehrsnetze und Wohnungsbau sowie
Hitzeschutzmaßnahmen für Ältere. Zudem setzen wir uns für mehr öffentliche Orte und
Gelegenheiten ein, die so gestaltet sind, dass sich die Generationen im Alltag begegnen,
interagieren und voneinander lernen können.
Um die Situation älterer Menschen international zu verbessern, werden wir uns für eine UN -
Konvention für die Rechte Älterer Menschen einsetzen.
Jeder Mensch in Europa soll die Möglichkeit bekommen, jede andere europäische Sprache
kostenlos und diskriminierungsfrei zu erlernen. Dafür wollen wir uns für die Schaffung einer
„Europäischen Sprach-Lern-App“ einsetzen, mit der jede andere europäische Sprache erlernt
werden kann. So stärken wir die europäische Identität.
7. Verbraucherschutz
Verbraucherschutz als Standortvorteil begreifen
Der Rechtsschutz der Verbraucher*innen macht die EU zu einer Union der starken Bürger*innen.
Die Freiheiten für Waren, Kapital, Dienstleistungen und Personen im europäischen Binnenmarkt
gehören zu den größten Standortvorteilen der EU. Der Verbraucherschutz sichert Konsum,
Gesundheit und Freiheiten weitreichend ab und macht die EU damit weltweit zur Vorreiterin:
Gebührenfreies Roaming, ein nutzer*innenfreundlicher Strommarkt, moderne Infrastruktur oder
sichere und langlebige Konsumgüter sind nur einige wenige Beispiele.
Und es funktioniert: So verspricht etwa ein einheitliches Ladekabel für mobile Endgeräte,
den Kabelsalat in unzähligen Schubladen zu beenden. Der verbindliche europäische Standard
stärkt die europäische Kreislaufwirtschaft, verringert Elektroabfall und erleichtert
merklich das Leben der Verbraucher*innen. Wir wollen dabei das ganze Spektrum digitaler
Endgeräte wie Smartwatches, E-Reader oder Kopfhörer abdecken und auch kabellose
Ladetechnologien mit einschließen.
Das verbindliche Ökodesign, also die Produktion nach Kriterien der Haltbarkeit,
Reparierbarkeit und ökologischen Verträglichkeit, beschert den Verbraucher*innen bessere
Produkte. Wir setzen uns für eine schnelle Umsetzung der Richtlinien ein, sodass relevante
Produktgruppen wie Spielzeug, Möbel oder Kleidung zeitnah umfasst werden.
Geht ein Produkt doch mal kaputt, verspricht das europäische Recht auf Reparatur
Konsument*innen den langfristigen Zugang zu Ersatzteilen und Reparaturanleitungen. Ein
kaputter Smartphoneakku, Drucker oder Staubsauger müssen noch lange keine Neuanschaffung
bedeuten. Die Lebensdauer von teuren oder lieb gewonnenen Anschaffungen verlängert sich mit
dem Recht auf Reparatur erheblich. So werden langlebige und reparierbare Produkte die
Geldbeutel der Bürger*innen entlasten. Updatezyklen sowie auslaufende Update-Zeiträume
müssen auf nachvollziehbaren und rationalen Kriterien beruhen. Es ist nicht im Sinne der
Verbraucher*innen, wenn sie durch kurze Updatezeiträume gezwungen werden, neue Geräte zu
kaufen. Dieser „geplanten Obsoleszenz“ im Hard- und Softwarebereich wollen wir einen Riegel
vorschieben.
Produkte des Alltags sicher nutzen zu können, wird mit der EU zur Selbstverständlichkeit.
Von Essen über Kleidung bis hin zu Kosmetika, Spielzeug und einfachen Gebrauchsgegenständen
geht Sicherheit vor. Schadstoffe, Nanopartikel und Rückstände gesundheitsschädlicher Halb-
oder Schwermetalle kommen in vielen dieser Verbrauchs- und Konsumgüter vor. Um Sicherheit
und Transparenz zu gewährleisten, weiten wir die Risikoforschung aus und schaffen ein
Register für Nanopartikel.
Auch das Design des europäischen Strommarkts wollen wir im Sinne der Verbraucher*innen
gestalten, damit die Preisvorteile der erneuerbaren Energien in der Breite ankommen. Mit
transparenten und möglichst geringen Infrastrukturkosten sowie der Entkopplung des
Verbrauchspreises von erneuerbarem Strom von den steigenden Kosten des Emissionshandels,
sowie intelligentem Lastmanagement bleibt der Vorteil der günstigen Stromerzeugung bei
ihnen.
Wir schützen die Stromverbraucher*innen vor hohen Kosten, indem wir die Förderung von
erneurbaren Energien durch eine Deckelung der Erlöse ergänzen. Wir stärken außerdem die
Teilhabe von Verbraucher*innen durch die Ermöglichung zeitflexibler Stromtarife und
vereinfachtes Prosuming. Dadurch gelingt die einfache Integration von beispielsweise
Wärmepumpen oder Wallboxen für Elektroautos in den Strommarkt.
Ein besonderes Augenmerk legen wir auf den Schutz von Konsument*innen im Bereich
medizinischer Produkte und Hilfsmittel. Häufig wird die Notlage besonders verletzlicher
Verbraucher*innen ausgenutzt. Wir wollen vor allem ältere Menschen, pflegende Angehörige und
Menschen mit Behinderungen vor ungeeigneten oder überteuerten Produkten schützen und ihnen
den Zugang zu individuell passenden Hilfsmitteln ermöglichen.
Zur Bekämpfung der Suchtmechanismen von Wetten, Glückspiel und Games im Internet, die Nutzer
zu immer mehr Geldeinsatz verführen wollen, werden wir Mechaniken mit Suchtpotential
einfacher erkennbar machen und bei der Alterseinstufung europaweit einheitlich stärker
berücksichtigen.
Fahrgastrechte garantieren
Die Reisefreiheit in der EU soll für alle Bürger*innen komfortabel und sicher nutzbar sein.
Fahrgäste sollen bei ihren Reisen durch Europa in ihren Rechten geschützt werden – ganz
egal, ob mit Bus, Bahn oder Flugzeug. Auch deshalb wollen wir mit einem
anbieterübergreifenden Ticketing-System Buchungsplattformen in die Lage versetzen,
grenzübergreifend durchgängige Fahrkahrten anzubieten, die das Reisen mit dem Zug
attraktiver machen und den Planungsaufwand erheblich senken. Den Bedürfnissen von Menschen
mit Berhinderung soll im Reiseverkehr besondere Bedeutung beigemessen werden.
Wir setzen uns für einen durchgehenden Schutz der Fahrgastrechte ein. Die Entschädigung für
Bahnverspätungen sollte auf 50 Prozent des Fahrpreises nach 60 Minuten und 75 Prozent nach
90 Minuten angehoben werden, wie es das Europäische Parlament fordert. Im Sinne des Rechts
auf barrierefreie Mobilität setzen wir uns für Kostenübernahme für alternative
Transportmöglichkeiten ein, wenn die zugesagte Barrierefreiheit nicht eingehalten wurde.
Darüber hinaus sollen die Rechte von Ünionsbürger*innen, insbesondere von Grenzgänger*innen,
auch bei regional unterschiedlichen Unternehmen gelten. Wir setzen uns für einheitliche
Mindeststandards im Nah- und Regionalverkehr ein. Diese sollen auch für ermäßigte Tickets
und unterbrochene Reiseketten gelten.
Auch wer sich für eine Flugreise entscheidet, soll sicher und pünktlich am Ziel ankommen.
Die Novellierung der Fluggastrechte soll die bestehenden Lücken im Verbraucherschutz bei
Flugreisen schließen und die Rechte weiter ausbauen. Wir stärken den Anspruch der
Verbraucher*innen auf Entschädigungen bei Verspätungen oder Verschiebungen von Flugreisen.
Ansprüche der Reisenden sollen bei einer großen Verspätung ab drei Stunden in die Verordnung
aufgenommen werden. Bei einer Verschiebung von Flügen soll die Frist zur Information der
Reisenden auf vier Wochen vor Reisebeginn verlängert werden. Hinweise auf den Anspruch auf
Entschädigung sollen durchgängig prominent platziert werden. So stärken wir den Anspruch der
Verbraucher*innen auf Entschädigungen.
Besonders für Reisende, die nur gelegentlich fliegen, und Familien sind die Regelungen zur
Mitnahme von Gepäck häufig intransparent und kompliziert. Wir setzen uns für eine
einheitliche Regelung für die Maße von Handgepäck und eine transparente Preisgestaltung für
alle Gepäckvarianten ein.
Ausfälle dürfen nicht zulasten der Reisenden gehen. Deswegen wollen wir, dass alle
Fluggesellschaften sich gegen Insolvenz versichern müssen.
Vor Kostenfallen schützen
Verträge online abzuschließen, ist für viele Menschen längst Alltag und eine erhebliche
Erleichterung. Genauso unkompliziert wie der Abschluss sollte die Kündigung sein.
Verbraucher*innen finden oft keine Möglichkeit, online abgeschlossene Verträge zu kündigen,
oder haben keine Sicherheit über den Eingang und die Rechtssicherheit der Kündigung. Die
Bindung an ungewollte oder nicht mehr benötigte Verträge wird so schnell zur Kostenfalle.
Bei langfristigen Verträgen, die online abgeschlossen werden können, wollen wir einen leicht
zugänglichen Kündigungsbutton auf der Webseite der Unternehmen einführen. Wir sorgen so für
ein europaweit hohes Verbraucherschutzniveau nach deutschem Vorbild. Damit wird die
europaweite Nutzung von Dienstleistungen vereinfacht und sicherer gemacht. Die Beweislast
für die ordnungsgemäße Umsetzung soll dabei bei den Unternehmen liegen. Ist diese nicht
rechtssicher ausgestaltet, geht das nicht zulasten der Verbraucher*innen: Verträge sollen
dann jederzeit, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist, aufgehoben werden können. Wir setzen
uns für die Ergänzung der entsprechenden Verbraucherrichtlinie ein und geben Kund*innen so
die Kontrolle über ihre Verträge zurück.