| Veranstaltung: | 51. Bundesdelegiertenkonferenz Hannover |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | KP Starke Kommunen |
| Antragsteller*in: | Bundesvorstand (dort beschlossen am: 14.10.2025) |
| Status: | Eingereicht |
| Angelegt: | 15.10.2025, 13:05 |
K-02: Lebenswerte Orte, lebendige Demokratie – Kommunen stärken, Zukunft sichern
Antragstext
Unsere Kommunen sind das Herz und Rückgrat unseres Landes. Hier spielt sich das
Leben ab: Morgens bringen Eltern ihre Kinder in die Kita, Schulkinder warten an
der Bushaltestelle. Auf dem Weg zur Arbeit trifft man Nachbar*innen, die kurz
beim Bäcker halten. Am Nachmittag zieht es Jugendliche auf den Bolzplatz,
während Senior*innen im Schwimmbad ihre Bahnen ziehen oder auf dem Marktplatz
plaudern. Und abends übt die Freiwillige Feuerwehr für den Ernstfall. Hier,
direkt vor unserer Haustür, finden Gemeinschaft und Zusammenhalt statt.
Dieses Zusammenleben fällt nicht vom Himmel. Es braucht dafür Menschen, die sich
gegenseitig respektieren und die gemeinsam füreinander da sind. Es braucht Orte,
an denen die Menschen sich begegnen und die allen offenstehen. Und es braucht
Rahmenbedingungen, die es den Menschen vor Ort ermöglichen, ihr Zusammenleben zu
gestalten. Kommunen können diese Rahmenbedingungen nicht allein sicherstellen:
Vielfältige Beziehungen zu den Bundesländern und zum Bund bestimmen kommunale
Handlungsmöglichkeiten. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass genau dort die
antidemokratischen Kräfte am stärksten sind, wo Strukturen und Orte des
Zusammenlebens fehlen. Starke Kommunen hingegen schaffen Freiräume, damit der
eigene Ort gemeinsam entwickelt werden kann und Menschen dabei auch erleben,
dass ihr persönliches Engagement wirksam und wertvoll ist. Das stärkt das
Zusammenleben. Und deshalb gilt: Kommunen sind das Fundament unserer Demokratie
und der Schlüssel für eine gerechte, nachhaltige Zukunft.
Doch genau dieses Fundament bröckelt. 2024 mussten die deutschen Kommunen ein
Rekorddefizit von 25 Milliarden Euro verbuchen. Vielerorts sieht man die Folgen
schon jetzt: marode Schulen mit undichten Dächern, Bibliotheken mit verkürzten
Öffnungszeiten, Sportstätten, die schließen müssen, und Straßen, die nicht
repariert werden. Junge Familien finden keinen Kitaplatz, weil Personal fehlt,
und Theater müssen schließen, weil Zuschüsse gestrichen werden. Gleichzeitig
haben die Kommunen neue und wichtige Aufgaben erhalten – mehr Kitaplätze,
Ganztagsbetreuung, Unterstützung für Menschen mit Behinderung oder die Aufnahme
Geflüchteter etwa –, ohne dass ihnen von Bund und Bundesländern ausreichende
finanzielle Mittel bereitgestellt wurden. Die Folge: Städte und Gemeinden tragen
erhebliche Mehrkosten bei Personal, Infrastruktur und laufendem Betrieb, ohne
dafür verlässlich ausgestattet zu sein. Dazu stehen enorme Zukunftsaufgaben an:
Klimafolgen wie Überschwemmungen oder Hitzewellen machen Investitionen in
Wasserleitungen, Begrünung und moderne Klimatechnik dringend notwendig. Auch die
alternde Gesellschaft stellt Kommunen vor immer größere Herausforderungen. Die
Bundesregierung verschließt die Augen davor, dass kommunale Handlungsfähigkeit
auf ausreichende, auch finanzielle Gestaltungsspielräume angewiesen ist. Dabei
schafft das Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz, das maßgeblich von
uns mitgestaltet wurde, gute Voraussetzungen. Doch Merz, Klingbeil und Dobrindt
nutzen diese Chance nicht und gefährden damit die Grundlagen für ein gutes
Zusammenleben vor Ort. Dem stellen wir uns entgegen.
Am Ende geht es um nichts weniger als um die Frage, ob das Leben vor Ort
funktioniert. Ob Kinder in sanierten Schulen lernen. Ob die Feuerwehr
rechtzeitig ausrücken kann. Ob die Oma rechtzeitig mit dem Rettungswagen ins
Krankenhaus kommt. Ob junge Leute in ihrem Ort eine Zukunft sehen oder wegziehen
müssen.
Wir wollen, dass Kommunen wieder handlungsfähig werden. Dass Busse und Bahnen
zuverlässig fahren. Dass Kitas, Schwimmbäder, Theater, Museen, Jugendzentren,
Sportplätze und Straßen nicht als Kostenfaktor, sondern als Lebensadern unserer
Gesellschaft gesehen werden. Das heißt: Es braucht eine verlässliche finanzielle
Ausstattung, weniger Bürokratie und mehr Raum für Eigeninitiative.
Dafür reicht es allerdings nicht, mit einem Teil des Sondervermögens für
Investitionen das Scheckbuch zu zücken, wie es die Union tut, aber keinen Wert
auf eine nachhaltige finanzielle Ausstattung der Kommunen zu legen. Wer Kommunen
nicht dauerhaft absichert, ist dafür verantwortlich, dass bald wieder über
Kürzungen und marode Strukturen diskutiert wird. Wir dagegen sagen: Kommunale
Handlungsfähigkeit wiederherstellen – und zwar nachhaltig.
Das bedeutet: Kommunale Pflichtaufgaben müssen zuverlässig und dauerhaft
finanziert werden. Wenn der Bund oder die Länder neue Aufgaben für die Kommunen
beschließen, dann müssen sie auch für die Kosten geradestehen. Damit senkt eine
auskömmliche und bedarfsgerechte Finanzierung die Abhängigkeit kommunaler
Akteure von Förderprogrammen der Länder, des Bundes oder der EU. Gleichzeitig
bedeutet dies aber auch, dass Kommunen sich aus diesen Mitteln um ihre Aufgaben
kümmern müssen.
Geld ist nicht alles. Bund und Länder müssen auch ihre Aufgaben bei der
Vereinfachung von Verwaltungsprozessen erfüllen: Deshalb darf Digitalisierung
kein Schlagwort bleiben, sondern muss den Alltag in Rathäusern und
Landratsämtern wirklich erleichtern. Der Bund muss zentrale
Digitalisierungslösungen bereitstellen, um Verwaltungskosten zu senken und
Personal zu entlasten. Unser Ziel ist das „Once-Only-Prinzip“: Bürger*innen
geben ihre Daten nur einmal an – Behörden greifen sicher darauf zu, wenn es
nötig ist. Das spart Zeit, senkt Kosten und entlastet Personal. Dies erfordert
gemeinsame Standards zwischen den Kommunen und zentrale Stellen zur Bearbeitung
öffentlicher Leistungen. In Zukunft sollten Verwaltungsvorgänge ohne
Ermessensspielraum digital erfolgen und bundesweit einheitlich umgesetzt werden.
So wird Verwaltung verlässlich: ob bei der Kfz-Anmeldung, beim Wohnsitzwechsel
oder einer Unternehmensgründung.
Kommunen haben schon heute die Möglichkeit, mit erneuerbaren Energien mehr
Wertschöpfung vor Ort zu halten und sogar eigene Einnahmen zu sichern – ob mit
Solardächern auf der Schule, Windparks in der Region, Nahwärmeprojekten oder in
genossenschaftlichen Bürgerenergie-Modellen. Solche Vorhaben schaffen
Arbeitsplätze vor Ort, machen unabhängiger von schwankenden Energiepreisen und
stärken das Miteinander in der Region.
Das kann nicht nur neue Einnahmequellen für die kommunalen Haushalte eröffnen,
sondern erweitert auch die demokratischen Gestaltungsmöglichkeiten. Gewinne aus
Netzen und Energieversorgung können so bspw. unter der Regie kommunaler
Unternehmen in öffentlicher Hand bleiben, statt ausschließlich an private
Investoren abzufließen – und können in Schwimmbäder, Bibliotheken oder Schulen
reinvestiert werden. Damit Kommunen diese Chancen konsequent nutzen können,
brauchen sie die entsprechende Unterstützung, um Aufgaben der Daseinsvorsorge
effizient erfüllen zu können. In diesen Fällen sind der Aufbau und die Stärkung
kommunalen Eigentums im Bereich der Daseinsvorsorge sinnvoll, um bspw. die
kommunale Energiewende verlässlich voranzubringen.
Besonders kleinere Kommunen stoßen bei komplizierten Raumplanungsvorgaben an
ihre Grenzen. Deshalb wollen wir Planungsgemeinschaften ermöglichen, in denen
Fachpersonal gebündelt wird und Expertise für alle nutzbar ist. Das verschafft
auch den kleineren Gemeinden eine echte Stimme bei der Gestaltung ihrer Zukunft.
Zur Begrenzung von Boden- und Immobilienspekulation müssen die politischen
Vorgaben zur Verkehrswert- und Bodenrichtwertermittlung reformiert werden. Um
möglichst wenige Acker- und Naturflächen in neues Bauland umwandeln zu müssen,
sondern mehr Flächen im Siedlungsbereich aktivieren zu können, braucht es eine
Stärkung des kommunalen Planungsrechtes. Für die Durchsetzung der kommunalen
Planungshoheit und eine strategische kommunale Baulandpolitik braucht es gerade
für die vielen finanzschwachen Städte und Gemeinden funktionierende
Vorkaufsrechte abseits von Spekulationspreisen. Damit geplante Bauflächen auch
tatsächlich bebaut werden, braucht es die bessere Durchsetzbarkeit des
Baugebotes.
Neben der Grundsteuer ist die Gewerbesteuer die wichtigste kommunale steuerliche
Einnahmequelle. Das Aufkommen ist jedoch sehr konjunkturabhängig, und nicht
alle, die von kommunalen Investitionen profitieren, tragen auch dazu bei. Unser
Ziel ist eine Erhöhung der Unabhängigkeit kommunaler Finanzen von Zuweisungen
und Ausgleichzahlungen. Dazu wollen wir das Band zwischen Kommunen, Wirtschaft
und Bürger*innen stärker knüpfen und Kommunen die Möglichkeit geben, ihre
Einnahmen konjunkturell stabiler und verlässlicher zu gestalten, indem sie
Unternehmen fairer beteiligen können. Möglichkeiten hierzu sind zweckgebundene
Abgaben wie eine Nahverkehrsabgabe oder die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer
zu einer umsetzbaren kommunalen Wirtschaftssteuer. Konkrete
Umsetzungsmöglichkeiten dafür werden wir prüfen.
Kommunen entstehen durch einzelne Verursacher oft besondere Kosten. Wir wollen
sie dabei entlasten, indem wie sie in ihren Möglichkeiten stärken, diese Kosten
stärker auf die Verursacher umzulegen. Ein Beispiel dafür ist der entstehenden
Entsorgungs- und Reinigungsaufwand, der aus der Ausgabe von Einwegverpackungen
durch einzelne Unternehmen entsteht. In solchen Fällen sollen Kommunen die
Möglichkeit erhalten, verursachergerecht und rechtssicher Abgaben wie zum
Beispiel eine Verpackungsmittelabgabe zu erheben.
Besonders strukturschwache Kommunen brauchen Unterstützung beim Abbau ihrer
Schulden und dauerhafte Entlastung im Sozial- und Jugendbereich, um dem
Verfassungsgebot der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse gerecht werden zu
können. Die Bundesregierung muss deshalb jetzt wie versprochen ihren Anteil zur
Lösung des kommunalen Altschuldenproblems liefern.
Derzeit sind Kommunen ohne Fördermittel häufig selbst bei der Wahrnehmung ihrer
Pflichtaufgaben nicht mehr handlungsfähig. Dazu haben Städte und Gemeinden
zunehmend Schwierigkeiten, die für deren Beantragung erforderlichen Eigenanteile
sowie Verwaltungs- und Planungsleistungen aufzubringen. Wir wollen diesen Weg
umkehren: Statt Antragsbürokratie soll es verlässliche Mittel direkt für die
Kommunen geben. Es muss daher bei jedem Förderprogramm geprüft werden, ob eine
Überführung in die Regelausgleichssysteme möglich ist, insbesondere bei
langjährigen und solchen, die kommunale Pflichtaufgaben betreffen. Dies ist auch
ein Beitrag zum Abbau des bürokratischen Aufwands.
Eine Reduzierung ermöglicht es zudem, notwendige Förderungen zielgenau zu
gestalten, etwa durch breitere Anwendungsfelder, mit mehr Pauschalisierungen
oder einer Eigenanteilsdynamisierung. Dies bedeutet jedoch auch, dass
Förderungen von allgemein durch Ausgleichssysteme finanzierten Zielen zukünftig
ausgeschlossen wären. Bei den verbleibenden Förderprogrammen gilt es über eine
Digitalisierung der Programme, allgemeine Standards und eine vereinfachte
Antragstellung und Dokumentation sicherzustellen. Dies schafft auch die
Grundlage für eine bessere Evaluation der geförderten Maßnahmen.
Die Kommunen erbringen einen Anteil von rund 25 Prozent der öffentlichen
Leistungen. Gleichzeitig steht ihnen aber nur ein Anteil von ca. 14 Prozent des
Steueraufkommens zu. Deshalb brauchen sie eine dauerhafte und spürbare
Entlastung. Dafür soll der Bund den direkten Anteil der Kommunen an der
Umsatzsteuer erhöhen. So lassen sich bedarfsbedingte Defizite schließen.
Gleichzeitig nehmen wir auch Zukunftsaufgaben in den Blick: Mit „Kommunalen
Freiheitsbudgets“ schaffen wir zweckgebundene, aber flexible Mittel, über die
vor Ort entschieden werden kann – ganz ohne Förderdschungel. Wir setzen uns
parallel dafür ein, Klimaschutz und -anpassung zur Gemeinschaftsaufgabe von
Bund, Ländern und Kommunen zu machen. Das stärkt Verantwortung, schafft
Handlungsspielräume und baut Bürokratie ab.
Unsere heutigen Finanzausgleichssysteme gleichen vor allem Einnahmeunterschiede
aus. Doch die Realität ist längst vielfältiger: Kommunen sind unterschiedlich
stark von Klimafolgen, demografischem Wandel oder besonderen Herausforderungen
im ländlichen Raum betroffen. Künftig müssen Finanzausgleiche auch diese
Unterschiede abbilden. Ein „Kombinationsfaktor im Finanzausgleich“ kann dafür
sorgen, dass etwa Gemeinden mit hohen Klimaanpassungskosten oder Regionen mit
Abwanderung automatisch zusätzliche Mittel erhalten. So stellen wir sicher, dass
niemand zurückbleibt.
Die aktuellen Bestrebungen auf EU-Ebene, die Strukturförderungen des EU-
Haushaltes auf der nationalen Ebene zu zentralisieren, lehnen wir ab. Unser Ziel
ist die Schaffung eines direkten und einfachen Zugangs zu EU-Fördermitteln für
Kreise, Städte und Gemeinden. Nur so können sie gemeinsame europäische Ziele wie
Klimaschutz gut umsetzen. Wir fordern von der EU-Kommission, den direkten Zugang
zuerst für Kommunen in den EU-Ländern zu ermöglichen, deren Fördermittel durch
den Rechtsstaatlichkeitsmechanismus eingefroren sind.
