| Veranstaltung: | 51. Bundesdelegiertenkonferenz Hannover |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | KP Starke Kommunen |
| Status: | Beschluss (vorläufig) |
| Beschluss durch: | Bundesdelegiertenkonferenz |
| Beschlossen am: | 30.11.2025 |
| Antragshistorie: | Version 2 |
Lebenswerte Orte, lebendige Demokratie – Kommunen stärken, Zukunft sichern
Beschlusstext
Unsere Kommunen sind das Herz und Rückgrat unseres Landes. Hier spielt sich das
Leben ab: Morgens bringen Eltern ihre Kinder in die Kita, Schulkinder warten an
der Bushaltestelle. Auf dem Weg zur Arbeit trifft man Nachbar*innen, die kurz
beim Bäcker halten. Am Nachmittag zieht es Jugendliche auf den Bolzplatz oder in
die nahe Parkanlage, während Senior*innen im Schwimmbad ihre Bahnen ziehen oder
auf dem Marktplatz plaudern. Und abends übt die Freiwillige Feuerwehr für den
Ernstfall. Hier, direkt vor unserer Haustür, finden Gemeinschaft und
Zusammenhalt statt. Hier sehen wir auch die Herausforderungen, die entstehen,
wenn an den falschen Stellen gespart wird: Unterschiede werden zementiert,
antidemokratische Kräfte gewinnen hinzu.
Zusammenleben fällt nicht vom Himmel. Es braucht dafür Menschen, die sich
gegenseitig respektieren und die gemeinsam füreinander da sind. Es braucht Orte,
an denen die Menschen sich begegnen und die allen offenstehen. Und es braucht
Rahmenbedingungen, die es den Menschen vor Ort ermöglichen, ihr Zusammenleben zu
gestalten. Kommunen können diese Rahmenbedingungen nicht allein sicherstellen:
Vielfältige Beziehungen zu den Bundesländern und zum Bund bestimmen kommunale
Handlungsmöglichkeiten. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass genau dort die
antidemokratischen Kräfte am stärksten sind, wo Strukturen und Orte des
Zusammenlebens fehlen. Starke Kommunen hingegen schaffen Begegnungs- und
Freiräume, damit der eigene Ort gemeinsam entwickelt werden kann und Menschen
dabei auch erleben, dass ihr persönliches Engagement wirksam und wertvoll ist.
Das stärkt das Zusammenleben. Und deshalb gilt: Kommunen sind das Fundament
unserer Demokratie und der Schlüssel für eine gerechte, nachhaltige Zukunft.
Doch genau dieses Fundament bröckelt. 2024 mussten die deutschen Kommunen ein
Rekorddefizit von 25 Milliarden Euro verbuchen. Vielerorts sieht man die Folgen
schon jetzt: marode Schulen mit undichten Dächern, Bibliotheken mit verkürzten
Öffnungszeiten, vernachlässigte Parkanlagen und Spielplätze, Sportstätten, die
schließen müssen, und Straßen, die nicht repariert werden. Junge Familien finden
keinen Kitaplatz, weil Personal fehlt, und Theater müssen schließen, weil
Zuschüsse gestrichen werden. Gleichzeitig haben die Kommunen neue und wichtige
Aufgaben erhalten – mehr Kitaplätze, Ganztagsbetreuung, Unterstützung für
Menschen mit Behinderung oder die Aufnahme Geflüchteter etwa –, ohne dass ihnen
von Bund und Bundesländern ausreichende finanzielle Mittel bereitgestellt
wurden. Die Folge: Städte und Gemeinden tragen erhebliche Mehrkosten bei
Personal, Infrastruktur und laufendem Betrieb, ohne dafür verlässlich
ausgestattet zu sein.
Hinzu kommen große Investitionen in die Digitalisierung, die für moderne
Verwaltungsstrukturen unerlässlich sind. Für die erfolgreiche Integration von
Schutzsuchenden und Zugezogenen ist zudem die Arbeit vor Ort in den Kommunen ein
entscheidender Faktor. Dazu stehen enorme Zukunftsaufgaben an: Klimafolgen wie
Überschwemmungen oder Hitzewellen machen Investitionen in Wasserleitungen,
Begrünung und moderne Klimatechnik dringend notwendig. Der öffentliche
Gesundheitsdienst, dem eine zentrale Rolle in der Prävention zukommt, ist
chronisch unterfinanziert. Deshalb bleibt ein finanzielles Engagement des Bundes
weiterhin unverzichtbar.
Auch die alternde Gesellschaft stellt Kommunen vor immer größere
Herausforderungen. Die Bundesregierung verschließt die Augen davor, dass
kommunale Handlungsfähigkeit auf ausreichende rechtliche wie auch finanzielle
Gestaltungsspielräume angewiesen ist. Dabei schafft das Sondervermögen für
Infrastruktur und Klimaschutz, das maßgeblich von uns mitgestaltet wurde, gute
Voraussetzungen. Doch Merz, Klingbeil und Dobrindt nutzen diese Chance nicht und
gefährden damit die Grundlagen für ein gutes Zusammenleben vor Ort. Dem stellen
wir uns entgegen.
Am Ende geht es um nichts weniger als um die Frage, ob das Leben vor Ort
funktioniert. Ob Kinder in sanierten Schulen lernen. Ob die Feuerwehr
rechtzeitig ausrücken kann. Ob die nahe Parkanlage bei großer Hitze ein Ort der
Abkühlung ist und bei Starkregen Wasser aufnehmen kann. Ob die Oma rechtzeitig
mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus kommt. Ob junge Leute in ihrem Ort eine
Zukunft sehen oder wegziehen müssen.
Wir wollen, dass Kommunen wieder handlungsfähig werden. Dass Busse und Bahnen
zuverlässig fahren. Dass Kitas, Schwimmbäder, Theater, Museen, Jugendzentren,
Stadtgrün, Sportplätze und Straßen nicht als Kostenfaktor, sondern als
Lebensadern unserer Gesellschaft gesehen werden. Das heißt: Es braucht eine
verlässliche finanzielle Ausstattung, weniger Bürokratie und mehr Raum für
Eigeninitiative. Das sind die Grundlagen, um Handlungs- und Zukunftsfähigkeit
vor Ort zu sichern.
Dafür reicht es allerdings nicht, mit einem Teil des Sondervermögens für
Investitionen das Scheckbuch zu zücken, wie es die Union tut, aber keinen Wert
auf eine nachhaltige finanzielle Ausstattung der Kommunen zu legen. Wer Kommunen
nicht dauerhaft absichert, ist dafür verantwortlich, dass bald wieder über
Kürzungen und marode Strukturen diskutiert wird. Wir dagegen sagen: Kommunale
Handlungsfähigkeit wiederherstellen – und zwar nachhaltig. Bund und Länder
stehen gemeinsam in der Verantwortung, eine nachhaltige strukturelle Reform auf
den Weg zu bringen, die die Kommunen finanziell langfristig absichert.
Das bedeutet: Kommunale Pflichtaufgaben müssen zuverlässig und dauerhaft
finanziert werden. Wenn der Bund oder die Länder neue Aufgaben für die Kommunen
beschließen, dann müssen sie auch für die Kosten geradestehen. Damit senkt eine
auskömmliche und bedarfsgerechte Finanzierung die Abhängigkeit kommunaler
Akteure von Förderprogrammen der Länder, des Bundes oder der EU. Gleichzeitig
bedeutet dies aber auch, dass Kommunen sich aus diesen Mitteln um ihre Aufgaben
kümmern müssen.
Geld ist nicht alles. Bund und Länder müssen auch ihre Aufgaben bei der
Vereinfachung von Verwaltungsprozessen erfüllen: Deshalb darf Digitalisierung
kein Schlagwort bleiben, sondern muss den Alltag in Rathäusern und
Landratsämtern wirklich erleichtern. Wir stärken digitale Bürgerportale, fördern
transparente Open-Data-Angebote und unterstützen Kommunen bei der
Cybersicherheit. So schaffen wir Vertrauen in die digitale Verwaltung. Der Bund
muss eine zentrale, verpflichtende Digitalisierungslösung bereitstellen, um
Verwaltungskosten zu senken und Personal zu entlasten. Unser Ziel ist das „Once-
Only-Prinzip“: Bürger*innen geben ihre Daten nur einmal an – Behörden greifen
sicher darauf zu, wenn es nötig ist. Das spart Zeit, senkt Kosten und entlastet
Personal. Dies erfordert gemeinsame Standards zwischen den Kommunen und
zentralen Stellen zur Bearbeitung öffentlicher Leistungen. In Zukunft sollten
Verwaltungsvorgänge, vor allem prioritär jene ohne Ermessensspielraum, digital
erfolgen und bundesweit einheitlich umgesetzt werden. Zugleich müssen in
wesentlichen Bereichen der Daseinsvorsorge zugängliche und barrierefreie Zugänge
zu Verwaltungsleistungen bestehen, damit alle Menschen ihre Anliegen erledigen
können. So wird Verwaltung verlässlich: ob bei der Kfz-Anmeldung, beim
Wohnsitzwechsel oder einer Unternehmensgründung.
Wir kämpfen für starke, selbstbestimmte und finanziell gesunde Kommunen, die
ihre Verantwortung selbst in die Hand nehmen können. Denn nur wenn es unseren
Städten, Gemeinden und Landkreisen gut geht, geht es auch unserem Land gut. Dazu
schlagen wir vor:
Eigenverantwortung stärken
Einnahmepotenziale vor Ort heben
Kommunen haben schon heute die Möglichkeit, mit erneuerbaren Energien mehr
Wertschöpfung vor Ort zu halten und sogar eigene Einnahmen zu sichern – ob mit
Solardächern auf der Schule, Windparks in der Region, Nahwärmeprojekten oder in
genossenschaftlichen Bürgerenergie-Modellen. Solche Vorhaben schaffen
Arbeitsplätze vor Ort, machen unabhängiger von schwankenden Energiepreisen und
stärken das Miteinander in der Region.
Wir wollen auch mehr Anreize schaffen, Flächen für den Natur- und Artenschutz
zur Verfügung zu stellen und Modelle erarbeiten, wie Kommunen mit Flächen, die
wertvolle Ökosystemleistungen sichern, Einnahmen generieren können.
Das kann nicht nur neue Einnahmequellen für die kommunalen Haushalte eröffnen,
sondern erweitert auch die demokratischen Gestaltungsmöglichkeiten. Gewinne aus
Netzen und Energieversorgung können so bspw. unter der Regie kommunaler
Unternehmen in öffentlicher Hand bleiben, statt an private Investoren
abzufließen – und können in Schwimmbäder, Bibliotheken oder Schulen reinvestiert
werden. Damit Kommunen diese Chancen konsequent nutzen können, wollen wir sie
dabei unterstützen, Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge effizient zu
erfüllen, in öffentlicher Hand zu organisieren und wo dies geboten ist,
Daseinsvorsorge zurück in die kommunale Trägerschaft zu überführen. So kann der
kommunale Einfluss ausgebaut und gestärkt werden, um bspw. die kommunale
Energiewende verlässlich voranzubringen.
Besonders kleinere Kommunen stoßen bei komplizierten Raumplanungsvorgaben an
ihre Grenzen. Deshalb wollen wir Planungsgemeinschaften ermöglichen, in denen
Fachpersonal gebündelt wird und Expertise für alle nutzbar ist. Das verschafft
auch den kleineren Gemeinden eine echte Stimme bei der Gestaltung ihrer Zukunft.
Kommunen eine aktivere Boden- und Wohnraumpolitik ermöglichen
Vielerorts sind die Mieten und Bodenpreise ins Unbezahlbare gestiegen. Doch den
Kommunen sind oft Fesseln angelegt. Sie brauchen für eine soziale Boden- und
Wohnungspolitik mehr rechtliche Möglichkeiten und finanzielle Unterstützung.
Zur Begrenzung von Boden- und Immobilienspekulation müssen die politischen
Vorgaben zur Verkehrswert- und Bodenrichtwertermittlung reformiert und am
Gemeinwohl orientiert werden. Um möglichst wenige Acker- und Naturflächen in
neues Bauland umwandeln zu müssen, sondern mehr Flächen im Siedlungsbereich
aktivieren zu können, braucht es eine Stärkung des kommunalen Planungsrechtes.
Für die Durchsetzung der kommunalen Planungshoheit und eine strategische
kommunale Baulandpolitik braucht es für Städte und Gemeinden umfassendere
Vorkaufsrechte im Ertragswertverfahren abseits von Spekulationspreisen. Den
Aufbau von kommunalen Bodenfonds wollen wir unterstützen.
Den Milieuschutz wollen wir so reformieren, dass er einerseits sinnvolle
Maßnahmen für die energetische Sanierung, Wärmewende oder für barrierefreien
Wohnraum ermöglicht, aber andererseits auch Mieter*innen vor einer übermäßigen
finanziellen Überforderung bewahrt. Darüber hinaus muss es Kommunen rechtssicher
und schneller möglich sein, Maßnahmen zur Durchsetzung des Milieuschutzes zu
ergreifen wie auch konsequent gegen Mietwucher und Zweckentfremdung vorzugehen.
Den Aufbau von kommunalen Bodenfonds wollen wir unterstützen.
Den Milieuschutz wollen wir so reformieren, dass er einerseits sinnvolle
Maßnahmen für die energetische Sanierung, Wärmewende oder für barrierefreien
Wohnraum ermöglicht, aber andererseits auch Mieter*innen vor einer übermäßigen
finanziellen Überforderung bewahrt. Darüber hinaus muss es Kommunen rechtssicher
und schneller möglich sein, Maßnahmen zur Durchsetzung des Milieuschutzes zu
ergreifen wie auch konsequent gegen Mietwucher und Zweckentfremdung vorzugehen.
Damit geplante Bauflächen auch tatsächlich bebaut werden, braucht es die
insbesondere in angespannten Wohnungsmärkten eine bessere Durchsetzbarkeit des
Baugebotes.
Dabei werden wir auch die Gesamtbelastung für die Mieter*innen durch Miet- und
Nebenkosten nicht aus den Augen verlieren. Mit dem Entwurf des Faire-Mieten-
Gesetz schlagen wir ein Bündel von sofort umsetzbaren Maßnahmen vor, um
Mieterhöhungen in angespannten Märkten zu begrenzen. Den Bundesländern wollen
wir die Möglichkeit geben, explodierende Mieten vor allem in Großstädten und
ihren Umlandgemeinden zu stoppen, wie unter anderem ein Mietendeckel. Den
Missbrauch von Eigenbedarfskündigungen wollen wir eindämmen und sogenannten
Wuchermieten einen wirksamen Riegel vorschieben. Auf EU-Ebene erwarten wir von
der EU-Kommission wie angekündigt Ende diesen Jahres die Vorlage eines
ambitionierten Plans für bezahlbares Wohnen, um die Förderung von Wohnraum zu
erleichtern, den Einfluss der Finanzmärkte zu begrenzen, Bürokratie abzubauen
und Kurzzeitvermietungen stärker zu regulieren.
Zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren wollen wir einen Bundesrahmen-
Baukodex schaffen, der in allen Bundesländern gute und möglichst einheitliche
Rahmenbedingungen für klimaverträgliches, schnelles und möglichst preiswertes
Bauen und Umbauen definiert. Digitale, standardisierte Bauanträge und eine
Genehmigungsfiktion bei behördlicher Fristüberschreitung sollen die Regel
werden.
Gestaltungsmöglichkeiten bei kommunalen Steuern erweitern
Neben der Grundsteuer ist die Gewerbesteuer die wichtigste kommunale steuerliche
Einnahmequelle. Das Aufkommen ist jedoch sehr konjunkturabhängig, und nicht
alle, die von kommunalen Investitionen profitieren, tragen auch dazu bei. Unser
Ziel ist eine Erhöhung der Unabhängigkeit kommunaler Finanzen von Zuweisungen
und Ausgleichzahlungen. Dazu wollen wir das Band zwischen Kommunen, Wirtschaft
und Bürger*innen stärker knüpfen und Kommunen die Möglichkeit geben, ihre
Einnahmen konjunkturell stabiler und verlässlicher zu gestalten, indem sie
Unternehmen fairer beteiligen können. Möglichkeiten hierzu sind zweckgebundene
Abgaben wie eine Nahverkehrsabgabe oder die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer
zu einer umsetzbaren kommunalen Wirtschaftssteuer. Dabei gilt, dass die
Wertschöpfung vor Ort auch zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben und der
kommunalen Infrastruktur vor Ort beitragen muss. Deshalb setzen wir uns dafür
ein, dass Unternehmen dort ihre Gewerbesteuern zahlen, wo sie vor Ort
wirtschaftlich tätig sind. Die Flucht von Unternehmen vor der Gewerbesteuer in
sogenannte „Gewerbesteueroasen“ mit niedrigen Hebesätzen darf sich nicht lohnen.
Konkrete Umsetzungsmöglichkeiten dafür mit dem Ziel der Schaffung gleichwertiger
Lebensverhältnisse werden wir prüfen. Dazu gehört, den Mindesthebesatz für die
Gewerbesteuer zu erhöhen. Bei der Ausgestaltung solcher Modelle wollen wir
sicherstellen, dass kleine und finanzschwache Kommunen keine
Wettbewerbsnachteile erfahren und faire Rahmenbedingungen für alle geschaffen
werden.
Verursachergerechte Finanzierung kommunaler Aufgaben stärken
Kommunen entstehen durch einzelne Verursacher oft besondere Kosten. Wir wollen
sie dabei entlasten, indem wie sie in ihren Möglichkeiten stärken, diese Kosten
stärker auf die Verursacher umzulegen. Ein Beispiel dafür ist der entstehenden
Entsorgungs- und Reinigungsaufwand, der aus der Ausgabe von Einwegverpackungen
durch einzelne Unternehmen entsteht. In solchen Fällen sollen Kommunen die
Möglichkeit erhalten, verursachergerecht und rechtssicher Abgaben wie zum
Beispiel eine Verpackungsmittelabgabe zu erheben.
Finanzielle Spielräume schaffen
Konnexitätsprinzip rechtssicher und verbindlich machen
Wer bestellt, zahlt! Das Konnexitätsprinzip muss als wesentlicher Grundsatz auch
im Verhältnis zwischen Bund und Kommunen gestärkt und rechtssicher sowie
durchsetzbar ausgestaltet werden. Wer neue Aufgaben für die Kommunen beschließt,
muss sie auch bezahlen und verlässlich finanzieren. Wer bestellt hat, ohne zu
bezahlen, muss dies nachholen. Deshalb muss der Bund endlich die Mehrbelastungen
ausgleichen, die den Kommunen durch die Ausführung von Bundesgesetzen entstehen
und die sie weitgehend alleine tragen. Beispielsweise sind die Kosten für
wichtige Sozialleistungen, wie die Kinder- und Jungendhilfe und die
Eingliederungshilfe, in den letzten Jahren rasant gestiegen. Wir wollen, dass
unser Sozialstaat auch in Zukunft funktioniert, ohne dass dafür wichtige
Investitionen auf der Strecke bleiben. Deshalb muss der Bund die Kommunen auch
bei den Sozialkosten entlasten.
Darüber hinaus fordern wir kommunale Realitäten anzuerkennen und neue
Pflichtaufgaben, beispielsweise für Integration, einzuführen und diese auch
entsprechend zu finanzieren. Auch bei der Überwindung von Wohnungslosigkeit
benötigen Kommunen eine ausreichende Finanzierung, damit betroffene Menschen den
Zugang zu präventiven Angeboten und Hilfesystemen erhalten.
Entscheidende Zukunftsaufgaben, die Bund, Länder und Kommunen gleichermaßen in
massiver Weise herausfordern und – wie der Klimaschutz und die Anpassung an den
Klimawandel – bedeutsam für die Herstellung und den Erhalt gleichwertiger
Lebensverhältnisse sind, wollen wir auch verfassungsrechtlich als
Gemeinschaftsaufgabe verankern. Damit können finanzielle Mittel langfristig
kommunal eigenverantwortlich, effizient und flexibel dort eingesetzt werden, wo
Investitionen nötig und sinnvoll sind, und kleinteilige, komplizierte
Förderprogramme ersetzt werden.
Das Altschuldenproblem nachhaltig lösen
Besonders strukturschwache Kommunen brauchen Unterstützung beim Abbau ihrer
Schulden und dauerhafte Entlastung im Sozial- und Jugendbereich, um dem
Verfassungsgebot der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse gerecht werden zu
können. Eine besondere Verantwortung besteht für überschuldete Kommunen, vor
allem für solche, die ohne eigenes Zutun aufgrund einer ungleichen
Lastenverteilung im Strukturwandel in eine solche Lage geraten sind. Sie dürfen
nicht in einer Abwärtsspirale aus fehlenden Eigenmitteln für Förderprogramme,
unattraktiven sozialen und kulturellen Infrastrukturen, Fachkräftemangel,
wirtschaftlichen Problemen und Abwanderung gefangen bleiben. Das führt zu einem
Abrutschen der Lebensverhältnisse und der Lebensqualität. Hier braucht es
gemeinsames Engagement aller Beteiligten, auch des Bundes, um eine Entschuldung
der Kommunen zu erreichen. Die Bundesregierung muss deshalb jetzt wie
versprochen ihren Anteil zur Lösung des kommunalen Altschuldenproblems liefern.
Wir setzen uns dazu für einen Altschuldentilgungsfonds ein. Es braucht eine
grundlegende bundesweite Entschuldung und nachhaltige strukturelle Reform.
Förderprogramme vereinfachen und ihre Anzahl reduzieren
Derzeit sind Kommunen ohne Fördermittel häufig selbst bei der Wahrnehmung ihrer
Pflichtaufgaben nicht mehr handlungsfähig. Dazu haben Städte und Gemeinden
zunehmend Schwierigkeiten, die für deren Beantragung erforderlichen Eigenanteile
sowie Verwaltungs- und Planungsleistungen aufzubringen. Wir wollen diesen Weg
umkehren: Statt Antragsbürokratie soll es verlässliche Mittel direkt für die
Kommunen geben. Es muss daher bei jedem Förderprogramm geprüft werden, ob eine
Überführung in die Regelausgleichssysteme möglich ist, insbesondere bei
langjährigen und solchen, die kommunale Pflichtaufgaben betreffen. Dies ist auch
ein Beitrag zum Abbau des bürokratischen Aufwands.
Eine Reduzierung ermöglicht es zudem, notwendige Förderungen zielgenau zu
gestalten, etwa durch breitere Anwendungsfelder, mit mehr Pauschalisierungen
oder einer Eigenanteilsdynamisierung. Dies bedeutet jedoch auch, dass
Förderungen von allgemein durch Ausgleichssysteme finanzierten Zielen zukünftig
ausgeschlossen wären. Bei den verbleibenden Förderprogrammen gilt es über eine
Digitalisierung der Programme, allgemeine Standards und eine vereinfachte
Antragstellung und Dokumentation sicherzustellen. Dies schafft auch die
Grundlage für eine bessere Evaluation der geförderten Maßnahmen.
Steuerverteilung fairer gestalten – kommunale Anteile stärken
Die Kommunen erbringen einen Anteil von rund 25 Prozent der öffentlichen
Leistungen. Gleichzeitig steht ihnen aber nur ein Anteil von ca. 14 Prozent des
Steueraufkommens zu. Deshalb brauchen sie eine dauerhafte und spürbare
Entlastung. Dafür soll der Bund den direkten Anteil der Kommunen an der
Umsatzsteuer erhöhen. So lassen sich bedarfsbedingte Defizite schließen.
Gleichzeitig nehmen wir auch Zukunftsaufgaben in den Blick: Mit „Kommunalen
Freiheitsbudgets“ schaffen wir zweckgebundene, aber flexible Mittel, über die
vor Ort entschieden werden kann – ganz ohne Förderdschungel und nur mit dem
bürokratischem Mindestaufwand, der notwendig ist, um Entscheidungen und die
Verwendung der Mittel für Bürger*innen nachvollziehbar zu machen. Wir wollen
zudem, dass erfolgreiches kommunales Handeln sichtbar wird und damit anderen
Städten und Gemeinden als Modell und Anreiz dienen kann. Best-Practice-Beispiele
sollen dazu besser geteilt und zugänglich gemacht werden.
Mehr Gerechtigkeit beim Finanzausgleich
Unsere heutigen Finanzausgleichssysteme gleichen vor allem Einnahmeunterschiede
aus. Doch die Realität ist längst vielfältiger: Kommunen sind unterschiedlich
stark von Klimafolgen, demografischem Wandel oder besonderen Herausforderungen
im ländlichen Raum betroffen. Künftig müssen Finanzausgleiche auch diese
Unterschiede abbilden. Ein „Kombinationsfaktor im Finanzausgleich“ kann dafür
sorgen, dass etwa Gemeinden mit hohen Klimaanpassungskosten oder Regionen mit
Abwanderung automatisch zusätzliche Mittel erhalten. So stellen wir sicher, dass
niemand zurückbleibt.
Einfacher Zugang zu EU-Förderprogrammen für Kommunen
Die aktuellen Bestrebungen auf EU-Ebene, die Strukturförderungen des EU-
Haushaltes auf der nationalen Ebene zu zentralisieren, lehnen wir ab. Unser Ziel
ist die Schaffung eines direkten und einfachen Zugangs zu EU-Fördermitteln für
Kreise, Städte und Gemeinden. Nur so können sie gemeinsame europäische Ziele wie
Klimaschutz gut umsetzen. Wir fordern von der EU-Kommission, den direkten Zugang
zuerst für Kommunen in den EU-Ländern zu ermöglichen, deren Fördermittel durch
den Rechtsstaatlichkeitsmechanismus eingefroren sind.
Mit diesen Reformperspektiven stärken wir unsere Kommunen dauerhaft. Es braucht
jedoch weitere Anstrengungen, die Handlungsfähigkeiten unseres gesamten
Gemeinwesens auch strukturell neu zu denken, zu reformieren und damit
langfristig zu sichern. Deutschland braucht eine umfassende Reform seiner
föderalen Strukturen. Zu viele Doppelzuständigkeiten und uneinheitliche
Regelwerke bremsen. Daher treten wir für eine Reform ein, die klare
Verantwortlichkeiten schafft, Zuständigkeiten entflechtet und die
Handlungsfähigkeit von Bund, Ländern und Kommunen stärkt, und begrüßen
entsprechende Initiativen aus Politik und Zivilgesellschaft.
Wir trauen unseren Kommunen vieles zu – und sie verdienen den Mut, die Mittel
und den Rückhalt einer solidarischen Gesellschaft. Denn starke Kommunen sind
Orte gelebter Demokratie und Orte, die die Zukunft unseres Landes gestalten.
